Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und E-Control-Vorstand Urbantschitsch
APA/Roland Schlager
Gas knapp

Unternehmen sollen auf Öl umrüsten

Vor dem Hintergrund zuletzt gesunkener Gasspeicherraten hat am Dienstagvormittag das Krisengremium der Regierung zur aktuellen Situation getagt. Danach bleibt Österreich zwar vorerst weiter in der Frühwarnstufe, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) richtete sich jedoch mit einem Appell an Unternehmen und die Bevölkerung.

Großverbrauchern wie Industrie und Kraftwerken wird angeordnet, so weit wie möglich auf alternative Energieträger – vor allem Erdöl – umzurüsten. Alle in Österreich lebenden Menschen sollten sich auf die kommende Heizsaison vorbereiten und beim Einsparen von Strom und Gas mithelfen, sagte Gewessler am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Eine entsprechende Verordnung zur Energielenkung werde in Begutachtung geschickt, sagte Gewessler. Gleichzeitig betonte die Ministerin, dass die Situation mit Blick auf die Gasversorgung weiter unsicher sei. Die Frühwarnstufe – Teil des dreistufigen Gasnotfallplans – bleibe zwar vorerst aufrecht, mit der angekündigten Wartung der Pipeline „Nord Stream 1“ ab 11. Juli stehe jedoch das nächste kritische Ereignis unmittelbar bevor.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
APA/Roland Schlager
Die Situation sei kritisch, doch gemeinsam könne man die Krise bewältigen, sagte Gewessler

Keine Alarmstufe

So meinte die Ministerin: „Wir haben es im Moment mit einer unsicheren Situation zu tun. Ich kann Ihnen weder versichern, dass die Einspeicherung auf diesem Niveau weitergeht, noch kann ich prognostizieren, wie sich (der russische Präsident, Anm.) Wladimir Putin verhalten wird.“ Russland sei jedenfalls kein verlässlicher Partner.

Demnach werde man die Entwicklungen weiter genau beobachten und gegebenenfalls neue Maßnahmen setzen. Die Regierung will bis zum Beginn der Heizsaison die Speicher auf 80 Prozent füllen. „Ist unser Einspeicherziel gefährdet, und zwar akut, dann wird es auch die Alarmstufe geben müssen“, sagte Gewessler.

"Wenn wir auf den Speicherraten, die wir jetzt haben, weitermachen, ist das Einspeicherziel erreichbar, selbst wenn wir zehn Tage „Nord Stream 1“-Wartung berücksichtigen, was wir natürlich tun. Ein weiterer kritischer Zeitpunkt sei der 21. Juli, „wo sich nicht nur Österreich, sondern viele Länder die Frage stellen: Geht die Pipeline wieder in Betrieb?“, sagte die Ministerin.

Umrüstung erfolge nicht von heute auf morgen

Auf Basis von Analysen sei man zum jetzigen Zeitpunkten aber „zu dem Schluss gekommen, dass vorerst kein Grund besteht, die Alarmstufe im Gasnotfallplan auszurufen“, so Gewessler. Trotzdem müsse man nun weitere Vorkehrungen treffen, um im Ernstfall mit weniger Gas auszukommen.

Klar sei, dass die Umrüstung auf alternative Energiequellen bei Großunternehmen nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen könne, doch gelte es, jetzt damit zu beginnen, um für den Herbst und Winter gerüstet zu sein. Der Staat werde hier die Kosten ersetzen, so Gewessler. Die Umrüstung wird kein einfaches Unterfangen. Für den Großteil der Vorarlberger Unternehmen sei das technisch gar nicht möglich, sagte der Vorarlberger Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP) – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Öl statt Gas in Unternehmen

In den letzten Tagen wurde deutlich weniger Gas aus Russland geliefert als bestellt. Die „Alarmstufe“ im Gasnotfallplan will die Regierung noch nicht ausrufen. Aber Großverbrauchern wird angeordnet, so weit wie möglich auf alternative Energieträger – vor allem Erdöl – umzurüsten.

„Bereiten Sie sich auf Heizsaison vor“

An die privaten Haushalte gerichtet, sagte sie: „Ich weiß, die aktuelle Situation ist mühsam und anstrengend.“ Doch die Krise könne nur gemeinsam bewältigt werden, dafür brauche es die Anstrengung von jedem Einzelnen und jeder Einzelner. „Bereiten Sie sich jetzt schon auf die Heizsaison vor“, appellierte Gewessler.

Bürgerinnen und Bürger sollten etwa ihre Gastherme warten sowie die Heizkörper entlüften und effizient einstellen lassen. Die Heizkörper sollten frei von Möbeln sein, die Fenster und Türen gut abgedichtet. Einfache Maßnahmen wie diese hätten ein Sparpotenzial von rund 15 Prozent.

E-Control-Vorstand Urbantschitsch
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Derzeit könne die Gasversorgung sichergestellt werden, so Urbantschitsch

E-Control: Versorgung sichergestellt

E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch betonte, dass die Gasversorgung derzeit sichergestellt werden könne. Zusätzlich erfolge eine Einspeicherung, sodass man davon ausgehe, dass das Speicherziel bis Winterbeginn erreicht werde.

Seitens der E-Control begrüße man die Maßnahme der Energiesubstitution. Neben Öl als Alternative verwies Ubranschitsch auch auf erneuerbare Energiequellen. Ziel sei einerseits, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, und anderseits, die Auswirkungen von Gaslieferunterbrechungen „so gering wie möglich“ zu halten.

Wem gehört das Gas?

Laut Gewessler sind die Speicher derzeit zu 46 Prozent gefüllt, auf die Frage, wie viel davon Österreich gehöre, meinte Urbanschitsch, die Antwort müssten einzelne Unternehmen geben. Gewessler wollte ebenso keine konkreten Zahlen nennen, verwies aber darauf, dass Österreich im Notfall auf die gesamten Speicher zugreifen könne.

Dennoch plädierte sie hier für eine europaweite Abstimmung nationaler Notfallpläne und eine solidarische Lösung. Die EU-Kommission habe bereits angekündigt, einen Vorschlag vorzulegen, so Gewessler. Schließlich handle es sich um ein europäisches Netz, das auch entsprechend genutzt werden solle. Nicht zuletzt sei ja auch Österreich abhängig von der Gasweiterleitung anderer EU-Staaten.

Das „Worst Case“-Szenario mit einem gänzlichen Gasausfall sei kein angenehmes und würde ganz Europa fordern, so Gewessler. Mit der Energielenkung habe man allerdings ein „Maßnahmenbündel“ in der Hand, um die Versorgung sicherzustellen.

WKO: „Rasche gesetzliche Signale notwendig“

Die nun in Begutachtung gehende Energielenkungsverordnung, die für Großbetriebe ein Umrüsten von Gas auf andere Energieträger, vorzugsweise Öl, vorsieht, könne da „nur einer von mehreren Schritten“ gewesen sein, hieß es von der Industriesparte in der Wirtschaftskammer (WKO). Dabei gehe es auch um „gesetzliche Signale“. Aktuell seien vergleichsweise wenige Unternehmen in der Lage, einen Teil ihres Erdgaseinsatzes rasch durch Alternativen wie Biomasse, Heizöl oder Ersatzbrennstoffe zu substituieren.

„Für diese technischen Umrüstungen in den zahlreichen Unternehmen, die nicht als Großverbraucher gelten, sind rasche, gesetzliche Signale im Anlagenrecht und in der Energielenkung notwendig“, forderte Spartenobmann Siegfried Menz.

Durch Änderungen im Schnellverfahren oder Emissionsabweichungen könnten die Substitutionsbemühungen stark beschleunigt und das bestehende Potenzial besser genutzt werden. Davon würden laut Menz auch kleinere „Schlüsselproduktionen“ profitieren, die für die Aufrechterhaltung von Lieferketten essenziell seien. Betriebe hätten damit die Investitionssicherheit, dass ein Umbau ihrer Anlagen auf den Betrieb mit Alternativbrennstoffen auch tatsächlich zulässig sei. „Dies würde wiederum zu einer deutlichen Entlastung beim Erdgasverbrauch insgesamt führen und die Speicherbefüllung beschleunigen“, so Menz.

Stelzer: Ergebnis „nur erster Schritt“

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagte nach den Beratungen, „das Ergebnis des Bundesgasgipfels kann nur ein erster Schritt sein“. Es brauche weitere Anstrengungen, insbesondere bei der Suche nach alternativen Gasanbietern. „Mit losen Empfehlungen und Vorschlägen allein werden wir nicht durch eine Gaskrise kommen“, so Stelzer.

Bornemann (ZIB Wirtschaft) analysiert

Der Vorwurf der Opposition lautet, die Regierung habe keinen Plan, wie die Gasversorgung sichergestellt werden kann. Ist da etwas dran? Dieter Bornemann antwortet.

Sicherheitsrat tagte, Opposition unzufrieden

Am Abend tagte auch der Nationale Sicherheitsrat zum Thema Gasversorgung, die FPÖ hatte dessen Einberufung beantragt. Danach hieß es vom Bundeskanzleramt, die Regierung habe dabei die Opposition – wie üblich in einer vertraulichen Sitzung – über aktuelle Entwicklungen bei den Gaslieferungen, die Auswirkungen auf das Befüllen der Gasspeicher und damit letztlich auf die Versorgungssicherheit des Landes informiert. Gewessler, Kanzler Karl Nehammer und Wirtschaftsminister Martin Kocher (beide ÖVP) werden am Mittwoch nach dem Ministerrat ebenfalls über die aktuellen Entwicklungen Auskunft geben.

Die Opposition zeigte sich nach den Beratungen unzufrieden. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried kritisierte, dass die Regierung auf die drohende Gaskrise nicht entschlossen reagiere. Auch im Sicherheitsrat seien diese Bedenken nicht ausgeräumt worden. „Die Regierung gefährdet durch Planlosigkeit und Versäumnisse die Gasversorgung der Bevölkerung, und sie schadet massiv Wirtschaft und Industrie“, warnte er.

FPÖ-Klubvize Dagmar Belakowitsch berichtete von einer „äußerst emotionalen Sitzung“, Nehammer sei „laut geworden“. Die FPÖ hatte ein Ende der Sanktionen gegen Russland gefordert. Von der Regierung sei nichts gekommen, es habe keine konkreten Antworten und keine Beschlüsse in der Sitzung gegeben, sagte Belakowitsch. NEOS hatte der Regierung schon vor der Sitzung vorgeworfen, es nicht geschafft zu haben, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.