Frau im Homeoffice
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Frauen im Homeoffice

Möglicher Weg aus der Teilzeitfalle

Homeoffice ist für viele nicht mehr aus dem Arbeitsleben wegzudenken. Doch nicht alle profitieren gleichermaßen. Für Frauen ist das Arbeiten von zu Hause aus häufig mit einer Mehrbelastung verbunden, bei Männern ist das weniger der Fall. Allerdings könnte das Homeoffice gerade in Österreich Frauen aus der Teilzeitfalle helfen, sagen Expertinnen gegenüber ORF.at. Voraussetzung dafür wären geänderte Rahmenbedingungen – vor allem bei der Kinderbetreuung.

Unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besteht nach wie vor ein deutlicher Wunsch nach Homeoffice. Laut einer Umfrage des Portals Karriere.at unter 1.000 Personen würden 47 Prozent der Befragten eine Stelle sogar ablehnen, wenn keine Möglichkeit besteht, von daheim zu arbeiten.

Besonders unter Jüngeren genießt das Homeoffice einen hohen Stellenwert, zeigt eine Erhebung der Leitbetriebe Austria, für die 1.000 Personen aus der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen interviewt wurden. Fast 83 Prozent der Befragten hatten den starken Wunsch nach freier Gestaltung der Arbeitszeit, 73 Prozent wollen den Arbeitsort frei wählen können.

Vorstellung und Realität

Potenzial für das örtlich flexible Arbeiten ist in Österreich durchaus vorhanden. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) arbeiten 45 Prozent der unselbstständig Beschäftigten in Österreich in Branchen, in denen Homeoffice prinzipiell möglich wäre. Bei Frauen ist dieser Wert etwas höher als bei Männern (47 versus 43 Prozent).

So reizvoll die Vorstellung des flexiblen Arbeitens in den eigenen vier Wänden auch erscheinen mag, die Realität sieht vor allem für Frauen und speziell Mütter anders aus. Eine „Gefahr“ sei das „Verschwimmen von Haushaltstätigkeiten, Care- und Erwerbsarbeit“, sagt Ulrike Famira-Mühlberger vom WIFO. „Die Umfragen, die wir kennen, zeigen, dass Frauen in der Corona-Zeit insgesamt wesentlich mehr Arbeit geleistet haben“, so die Ökonomin.

Knackpunkt Kinderbetreuung

Einer der Knackpunkte ist die Kinderbetreuung. Ökonominnen der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) rund um Katharina Mader befragten während des ersten Lockdowns Frauen und Männer zu diesem Thema. Von 529 Befragten mit Kindern unter 15 Jahren gab ein Viertel der Frauen an, dass sich der Partner während ihrer Arbeitszeit um die Kinder kümmere. Bei den Männern dagegen erklärte mehr als Hälfte, während der eigenen Arbeitszeit liege die Kinderbetreuung bei der Partnerin.

38 Prozent der befragten Frauen gaben an, die Kinder während der Arbeitszeit im selben Raum zu beaufsichtigen, unter Männern waren es 19 Prozent. Eine der „Implikationen“ dieses Ergebnisses sei, dass Frauen sich weniger gut auf die Arbeit konzentrieren könnten, schreiben die Wissenschaftlerinnen in einem Blogbeitrag. Das spiegelte sich auch in der Arbeitszufriedenheit wider, wo sich deutlich mehr Frauen unzufrieden mit ihrer Situation zeigten.

Homeoffice und die Lohnschere

Eine von manchen Ökonominnen und Ökonomen geäußerte Hoffnung ist, dass flexible Arbeitsmodelle beim Schließen oder zumindest beim Verringern der Lohnschere helfen können. Die Rolle des Homeoffice bei der Bekämpfung des Gender Pay Gap sollte nicht überschätzt werden, hieß es dazu in einer im Februar 2021 veröffentlichten Kurzanalyse von EcoAustria. „Solange die Geschlechterrollen durch das Homeoffice nicht beeinflusst werden, wird sich an den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern wenig ändern.“

Angestellte in einem Großraumbüro
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Das Büro hat für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Reiz verloren – Homeoffice steht hoch im Kurs

Die Studienlage zum Thema Lohnschere und Homeoffice sei nach wie vor uneindeutig, sagt die Autorin des Papiers, EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna, auf Nachfrage von ORF.at. Neuere Untersuchungen aus Italien, Ungarn und Japan etwa hätten gezeigt, dass Frauen während der Pandemie signifikant mehr Arbeit übernommen hätten. In Deutschland dagegen sei das nicht so gewesen.

Mehr Arbeitsstunden – kleinere Lücke

Zum Zusammenhang zwischen Homeoffice und Gender Pay Gap verweist Köppl-Turyna auf eine aktuelle deutsche Studie, die in der Kurzanalyse von 2021 noch nicht berücksichtigt ist. Dieser zufolge haben es flexible Arbeitsmodelle Frauen ermöglicht, mehr Arbeitsstunden zu leisten, was den Lohnunterschied verkleinerte.

„Zumindest im deutschen Set-up zeigte sich, dass es zu mehr gearbeiteten Stunden bei Frauen kommt und dass das die Einkommen erhöht. Bei Männern ist dieser Effekt nicht so stark, was die Schere ein bisschen geschlossen hat“, fasst Köppl-Turyna zusammen. Die Ergebnisse lassen sich ihr zufolge relativ gut auf Österreich umlegen. In beiden Ländern ist der Anteil der Frauen, die Teilzeit arbeiten, hoch.

Die hohe Teilzeitquote hat nicht zuletzt mit fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu tun, „und das kann man mit dem Homeoffice wahrscheinlich ein bisschen beseitigen“, sagt die Ökonomin. In Österreich brauche es besonders in den ländlichen Regionen eine deutliche Ausweitung der Öffnungszeiten. Köppl-Turyna spricht sich für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung aus, wie er in Deutschland bereits seit fast einem Jahrzehnt besteht.

Pandemie befeuert Debatte über Vereinbarkeit

Die durch die Pandemie beschleunigten Transformationen in der Arbeitswelt können aus Sicht der von ORF.at befragten Ökonominnen durchaus positive Seiten haben. „Wenn flexiblere Arbeitsmodelle dazu führen, dass sich Frauen weniger vom Arbeitsmarkt zurückzuziehen, wenn die Kinder klein sind, dann kann es eine positive Wirkung haben“, sagt WIFO-Ökonomin Famira-Mühlberger.

„Das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat in der Pandemie massiv an Bedeutung gewonnen“, sagt Köppl-Turyna. Es sei völlig normal geworden, dass bei einem Videocall das Kind ins Zimmer marschiere. Entsprechende Videos eines Südkorea-Experten oder der neuseeländischen Regierungschefin gingen um die Welt. Zudem habe die CoV-Krise das Thema Kinderbetreuung verstärkt auf die Agenda der Politik gebracht.