Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Roland Schlager
Industrie

Gewessler verteidigt Umrüstung auf Öl

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verteidigt die Verordnung für Großverbraucher, wo das möglich ist, von Gas auf andere Energieformen wie Öl umzusteigen. Vor einem Jahr hätte sie sich eine derartige Maßnahme auch nicht vorstellen können. Wenn das gehe, könne auch auf erneuerbare Energien umgerüstet werden, zudem beziehe Österreich kein Öl aus Russland. Die Industrie ist teils skeptisch.

Derzeit gehe es um die Versorgungssicherheit, so Gewessler im Ö1-Morgenjournal auf die Frage, ob es für sie als Umweltministerin nicht eine Niederlage sei, dass der Industrie und Kraftwerken nun die Umrüstung auf Öl bzw. Kohle wie in Mellach verordnet wird. Man müsse derzeit aus der Abhängigkeit von russischer Energie heraus, aber langfristig gelte es natürlich, auf erneuerbare Energie umzusteigen, so die auch für Energie zuständige Ministerin.

Daher sei die Verordnung für die Umrüstung technologieneutral gehalten, wenn möglich sei ein Umstieg auf erneuerbare Energie statt Öl zu bevorzugen, das sei aber gerade bei Industriebetrieben nicht so leicht. Ein Umstieg von Gas auf Öl sei meist einfacher. Vor einem Jahr hätte sie auch nicht damit gerechnet, eine derartige Entscheidung zu treffen, gestand Gewessler ein. Man müsse aber akzeptieren: „Es gibt in solchen Situationen keine perfekte Lösungen.“ Wichtig sei jetzt, für den Herbst vorzusorgen.

Gasspeicherziel von 80 Prozent „möglich“

Großverbraucher wie Industrie und Kraftwerke sollten so weit wie möglich auf andere Energieträger – vor allem Erdöl – umrüsten, hatte Gewessler am Dienstag nach einer Sitzung des Krisengremiums der Bundesregierung angekündigt. Eine entsprechende Verordnung zur Energielenkung werde in Begutachtung geschickt. Alle in Österreich lebenden Menschen sollten sich auf die kommende Heizsaison vorbereiten und beim Sparen von Strom und Gas mithelfen.

Die Regierung will bis zum Beginn der Heizsaison die Gasspeicher auf 80 Prozent füllen. „Ist unser Einspeicherziel gefährdet, und zwar akut, dann wird es auch die Alarmstufe geben müssen“, wiederholte Gewessler am Mittwoch. Grundsätzlich seien die 80 Prozent laut Experten aber möglich. Ein kritischer Zeitpunkt sei der 21. Juli, „wo sich nicht nur Österreich, sondern viele Länder die Frage stellen: Geht die Pipeline wieder in Betrieb?“, so die Ministerin am Dienstag unter Bezug auf die Wartungsarbeiten an der Pipeline „Nord Stream 1“.

Gefragt nach einer möglichen Abhängigkeit von Russland in Sachen Öl sagte Gewessler, schon jetzt werde kein Öl mehr aus Russland importiert. Auf dem Weltmarkt gebe es auch mehr Lieferanten für Öl. Derzeit gehe die Einlagerung beim Gas weiter, man könne die Ausfälle aus Russland durch Zukäufe kompensieren. Derzeit seien weder die Versorgungslage noch das Einspeicherziel gefährdet. Sie könne aber nicht garantieren, dass das so weitergehe.

Umrüstung laut Industrie nicht einfach möglich

Für die Industrie sind unterdessen noch viele Fragen offen Es fehle ein Gesamtkonzept, heißt es etwa aus der Chemiebranche. Grundsätzlich gibt es aber Verständnis für die Maßnahme: „Wir alle sind uns bewusst, dass es möglicherweise zu einem sehr schwierigen Herbst- und Winterszenario kommen kann“, so Max Oberhumer von Sappi-Papier in Gratkorn in der Steiermark im Morgenjournal. Daher sei aus seiner Sicht jede Maßnahme, die von der technischen Möglichkeit her gegeben ist, um hier kurzfristig entgegenzuwirken, sinnvoll und sehr zu begrüßen.

Öl statt Gas in Unternehmen

In den letzten Tagen wurde deutlich weniger Gas aus Russland geliefert als bestellt. Die Alarmstufe im Gasnotfallplan will die Regierung noch nicht ausrufen.

Die Politik habe den Ernst der Lage erkannt, so Silvia Hofinger von der Sparte Chemie in der Wirtschaftskammer (WKO). Wie Oberhumer fehlt ihr aber ein Gesamtkonzept und belastbares Mengengerüst, gerade wenn es um die Alternative Öl geht, etwa wie viel Heizöl und wie viel Gas für Endkunden wirklich benötigt wird. Offen sei auch, wie die Unternehmen überhaupt zu den Rohstoffen kommen, und wie die Regierung mit den zusätzlichen Schadstoffen und CO2-Zertifikaten umgehen will. Jedenfalls brauche es Kompensation für die Umrüstung und die entstehenden Kosten.

Aus Vorarlberg hieß es, dass die Umrüstung auf Öl für den Großteil der Unternehmen technisch gar nicht möglich sei. In den letzten Jahren habe man vielen Betrieben geraten, von Öl auf Gas umzustellen, sagte Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP). Viele Betriebe hätten gar keinen Ölkessel mehr bzw. es seien die neuen Gasgeräte nicht so einfach umzurüsten – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

WKO fordert „rasche Signale“

Die Energielenkungsverordnung für das Umrüsten auf andere Energieträger könne „nur einer von mehreren Schritten“ gewesen sein, hieß es von der Industriesparte in der WKO. Dabei gehe es auch um „gesetzliche Signale“. Aktuell seien vergleichsweise wenige Unternehmen in der Lage, einen Teil ihres Erdgaseinsatzes rasch durch Alternativen wie Biomasse, Heizöl oder Ersatzbrennstoffe zu substituieren, so Spartenobmann Siegfried Menz.

Durch Änderungen im Schnellverfahren oder Emissionsabweichungen könnten die Substitutionsbemühungen stark beschleunigt und das bestehende Potenzial besser genutzt werden. Davon würden laut Menz auch kleinere „Schlüsselproduktionen“ profitieren, die für die Aufrechterhaltung von Lieferketten essenziell seien. Betriebe hätten damit die Investitionssicherheit, dass ein Umbau ihrer Anlagen auf den Betrieb mit Alternativbrennstoffen auch tatsächlich zulässig sei.

E-Control: Versorgung sichergestellt

E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch betonte am Dienstag ebenfalls, dass die Gasversorgung derzeit sichergestellt werden könne. Zusätzlich erfolge eine Einspeicherung, sodass man davon ausgehe, dass das Speicherziel bis Winterbeginn erreicht werde.

Seitens der E-Control begrüße man die Maßnahme der Energiesubstitution. Neben Öl als Alternative verwies Ubranschitsch auch auf erneuerbare Energiequellen. Ziel sei einerseits, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, und anderseits, die Auswirkungen von Gaslieferunterbrechungen „so gering wie möglich“ zu halten.

Laut Gewessler sind die Speicher derzeit zu 46 Prozent gefüllt, auf die Frage, wie viel davon Österreich gehöre, meinte Urbanschitsch, die Antwort müssten einzelne Unternehmen geben. Gewessler wollte keine konkreten Zahlen nennen, verwies aber darauf, dass Österreich im Notfall auf die gesamten Speicher zugreifen könne. Im Morgenjournal präzisierte sie am Mittwoch, dass das womöglich nicht die beste Idee sei, weil die EU-Staaten aufeinander angewiesen seien und etwa Slowenien keinen eigenen Gasspeicher habe, sondern in Österreich einlagere.