Containerschiff in einem Frachthafen
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Containerschifffahrt

Probleme „wandern“ um die Welt

In der Containerschifffahrt ist in den letzten beiden Jahren einiges durcheinandergeraten. Da staut es sich vor den großen Seehäfen, dort ist ungewöhnlich wenig los auf den sonst meistbefahrenen Schiffsrouten. Aktuell sitzen in China und in der Nordsee mehrere hundert Schiffe fest und können weder be- noch entladen werden. Gründe dafür gibt es mehrere, und die Probleme „wandern“ quasi um die Welt.

Speziell in der Nordsee wird der Stau von Frachtern aktuell immer länger. Laut Daten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), veröffentlicht letzten Mittwoch, steckten in bzw. vor deutschen, niederländischen und belgischen Containerhäfen im Juni rund zwei Prozent der globalen Frachtkapazitäten fest. Das entspreche „gut 100“ Schiffen, hieß es dazu im deutschen „Handelsblatt“.

Containerschiff im Frachthafen Hamburg
APA/AFP/Daniel Bockwoldt
Über die deutschen Seehäfen (im Bild der Hafen Hamburg) kommt weniger Ware an

Allein in der deutschen Bucht liegen laut der Zeitung 16 große Schiffe mit jeweils bis zu 18.000 Standardcontainern (TEU) und warten auf das Anlaufen von Hamburg oder Bremerhaven. Noch kritischer sei die Lage vor Europas größtem Containerhafen, Rotterdam in den Niederlanden, und in Antwerpen in Belgien.

Hunderte Schiffe in China in Warteposition

Ähnlich ist die Situation in China, allerdings mit noch einmal anderen Dimensionen: Dort gehe etwa in Schanghai und der angrenzenden Provinz Zheijang am Ostchinesischen Meer aktuell nichts mehr, laut Kiel Trade Indicator für Juni blieben in der Volksrepublik rund vier Prozent der weltweiten Containerkapazität hängen. Zu den Größenverhältnissen: In Schanghai lagen laut der Website MarineTraffic.com, die den globalen Seeverkehr abbildet, an einem Tag letzte Woche knapp 2.260 Schiffe, in Hamburg etwa 350.

Container in einem Hafen von Schanghai (China)
Reuters/Aly Song
Weniger ungewöhnlich als in Europa: Containertürme im Seehafen Yangshan in Schanghai (Oktober 2020)

„Ende der Staus derzeit nicht in Sicht“

„Ein Ende der Staus in der Containerschifffahrt ist derzeit nicht in Sicht“, zitierte das Kiel Institut Vincent Stamer, verantwortlich für den Handelsindex. „Während beispielsweise vor Schanghai auch schon in der Vergangenheit lange Warteschlangen beobachtet wurden, ist dies für die Nordsee sehr ungewöhnlich.“

„Für Deutschland und die EU beeinträchtigt dies vor allem den Überseehandel, speziell mit Asien, woher etwa Unterhaltungselektronik, Möbel oder Textilien geliefert werden“, so Stamer. Der Kiel Trade Indicator erfasst die weltweiten Handelsströme in der Schifffahrt.

Auch die fließen nicht wie gewöhnlich, erst wegen der Coronavirus-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen – erst Konjunktureinbruch, dann unerwartet rascher Aufschwung – und in den letzten Monaten wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine und des Krieges dort – Stichwort: Hafenblockaden.

Loch tut sich mit Zeitverzögerung auf

Auf dem Roten Meer, der wichtigsten Handelsroute zwischen Europa und Asien, verbunden mit dem Mittelmeer durch den Sueskanal, sind laut dem Index aktuell um gut 20 Prozent weniger Schiffe unterwegs, „als unter normalen Umständen zu erwarten wären“. Derart groß sei die Lücke zuletzt nach Ausbruch der Pandemie vor zwei Jahren gewesen.

Containerschiff im Suez Canal
Reuters/Mohamed Abd el Ghany
Auf der Route durch das Rote Meer (im Bild der Sueskanal) ist es aktuell ungewöhnlich ruhig

Maßgeblich dafür könnte sein, dass die Folgen des Lockdowns in Schanghai vor Wochen wegen der rund 40-tägigen Fahrt von China nach Europa erst jetzt mit Verspätung ankommen. Das Loch tut sich mit Zeitverzögerung auf. „Auch der Containerschiffstau in der Nordsee und eine zunehmende Bedeutung des Schienentransports auf der Neuen Seidenstraße reduzieren dort womöglich das Frachtaufkommen.“

Von Kontinent zu Kontinent

In den USA hat sich die Lage offenbar entspannt. Die pandemiebedingt hohe Nachfrage nach Konsumgütern dort habe nachgelassen, der Stau etwa vor dem großen Containerhafen in Los Angeles (Kalifornien) habe sich aufgelöst. Das entlaste die Transportwege.

Containerschiffe vor dem Frachthafen Los Angeles
AP/Mark J. Terrill
Februar 2021: Bitte warten vor Los Angeles

Die Frachtkosten von Asien an die Westküste Nordamerikas seien seit Beginn dieses Jahres um knapp die Hälfte gefallen. Die Frachtraten auf dem Weg von Asien nach Nordeuropa seien dagegen noch immer sechsmal so hoch wie vor zwei Jahren, so Stamer.

Der Ukraine-Krieg und seine Folgen

War es erst maßgeblich die Pandemie gewesen, die zuerst mit einem Konjunktureinbruch und später mit einem rasanten Wiederaufschwung den Welthandel per Schiff durcheinanderbrachte, kam mit Ende Februar der Krieg in der Ukraine als neuer Faktor hinzu. Russland blockiert die ukrainischen Häfen, Sanktionen gegen Moskau den russischen Seehandel, das Schwarze Meer wurde mit dem Krieg zum Risikogebiet. Im Hafen von Odessa lagen laut MarineTraffic.com Mitte der Woche zehn Schiffe, Ankünfte und Abfahrten: null.

Im russischen Ostseehafen St. Petersburg, wo bisher Waren aus Europa angekommen waren, ist das Frachtaufkommen nach Angaben des IfW eingebrochen. In den russischen Häfen, die in den Asienhandel eingebunden seien, erhole es sich dagegen etwas. Das zeige den Versuch Moskaus, den wegen des Krieges in der Ukraine verlorenen Handel mit Europa über Geschäfte in Asien zu kompensieren.

Hohe Transportkosten und Lieferengpässe bremsen

Grundsätzlich habe sich der globale Handel im letzten Monat mit leicht positiver Tendenz entwickelt, schrieb das Kieler Institut. „Aber massive Schiffsstaus, hohe Transportkosten und daraus resultierende Lieferengpässe hemmen den Warenaustausch, insbesondere mit Blick auf Europa.“ Wie lange die bestehenden Lieferkettenprobleme, mit denen kaum eine Branche nicht zu kämpfen hat, noch bestehen werden, kann niemand so recht sagen, ziemlich sicher aber bis in das nächste Jahr hinein.

Noch ein Problem: Ware wird nicht abgeholt

Im Hamburger Hafen beobachtet der Betreiber ein weiteres Problem. Das bestehe darin, „dass Importcontainer nicht abgeholt werden und dadurch den Hafen verstopfen“, hatte ebenfalls das „Handelsblatt“ im Juni die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zitiert. Die durchschnittliche Abholzeit habe sich von drei auf sieben Tage verlängert, manche Container stünden bis zu 50 Tage im Hafen. Das mache wiederum Probleme beim Umschlag, da irgendwann der Platz knapp wird und keine Exportcontainer mehr angenommen werden können. Container lagerten mittlerweile schon außerhalb des Hafens. Wieso die Container später als früher abgeholt werden, weiß auch der Hafenbetreiber nicht – vielleicht wegen erschöpfter Lagerkapazitäten bei Importunternehmen selbst.

Schließlich noch ein Unsicherheitsfaktor: In Deutschland streiten Hafenarbeiter bzw. Gewerkschaft Verdi und Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) um den Tarifvertrag, höhere Stundenlöhne und Zulagen. Ende Juni gab es einen 24-stündigen Warnstreik. Rund 8.000 Beschäftigte legten in den großen Seehäfen Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven, Brake und Wilhelmshaven die Arbeit nieder. Die Kollektivvertragsverhandlungen sollen demnächst fortgesetzt werden, die fünfte Runde Ende Juni war ergebnislos vertagt worden.