Arbeit in einem Pflegewohnhaus
ORF.at/Christian Öser
Nationalrat

Teile der Pflegereform beschlossen

Mit den Stimmen der Regierungsparteien und der FPÖ hat der Nationalrat am Donnerstag Teile der Pflegereform auf den Weg gebracht. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) kündigte indes an, dass zumindest bei kleinen und mittleren Pensionsbezügen die Inflation abgegolten werden soll. Zudem wurde das offizielle Aus für Impfpflicht und Vollspaltenböden besiegelt.

Dem Beschluss von Teilen des Pflegepakets ging eine lebhafte Debatte voraus. Von der Opposition gab es Kritik. ÖVP und Grüne lobten das Paket als „größte Reform seit Jahrzehnten“. Herausgenommen wurde vorerst der Beschluss zum Angehörigenbonus. Vorgesehen waren ursprünglich 1.500 Euro pro Jahr für pflegende Angehörige, die ihren Job aufgegeben haben bzw. als pflegende Angehörige versichert sind. Voraussetzung ist der Bezug von Pflegegeld zumindest in Stufe vier.

Da nun der Bezieherkreis unter anderem auch auf Pensionistinnen und Pensionisten ausgeweitet werden soll, wird der entsprechende Beschluss erst im Herbst erfolgen. Per Initiativantrag als parlamentarische „Trägerrakete“ wurde dafür gesorgt, dass der überarbeitete Beschluss im September erfolgen kann.

Nachbesserung bei Pflegepaket

Teile des Pflegepakets sind am Donnerstag im Nationalrat beschlossen worden. Die Regierungsparteien kündigten Nachbesserungen an.

Die Nachbesserung brachte den Koalitionsparteien Häme der Opposition ein. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sah darin eine „Husch-Pfusch-Aktion“ und „Chaos pur“. Geht es nach dem FPÖ-Abgeordneten Gerhard Kaniak, hätten sich die Koalitionsparteien besser ein paar Monate Zeit für eine ordentliche Begutachtung lassen sollen. Zufrieden zeigten sich dagegen der ÖVP-Seniorenbund und der SPÖ-Pensionistenverband.

Muchitsch fehlt Rezept gegen Pflegekräftemangel

Insgesamt kein gutes Haar am Pflegepaket ließ die SPÖ: Weder sei es eine große Reform noch eine nachhaltige Ausbildungsoffensive, so Muchitsch. Das Problem, dass künftig 76.000 Pflegekräfte zusätzlich gebraucht werden, bleibe ungelöst. Den angekündigten Angehörigenbonus bezeichnete Muchitsch als „Almosen“. Pflegende Angehörige brauchten vor allem auch mehr Angebot an Tagesbetreuungszentren und mobilen Diensten.

SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisierte im Nationalrat das Pflegepaket der Regierung. Das Problem des Pflegekräftemangels bleibe ungelöst.

FPÖ sieht Handschrift von Hartinger-Klein

Kaniak wiederum machte in dem Paket die Handschrift der ehemaligen freiheitlichen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein aus. Es habe aber drei Jahre gebraucht, dieses zumindest teilweise aufzugreifen. Dennoch zollte Kaniak dem amtierenden Gesundheitsminister Rauch Respekt, „dass er das angeht“, wenngleich Vorgehen und Inhalte einiges an Kritik hervorrufen.

FPÖ-Abgeordneter Kaniak

FPÖ-Abgeordneter Gerhard Kaniak kündigte im Nationalrat die Zustimmung der Freiheitlichen zu Teilen der Pflegereform an. Kritik übte er unter anderem am Vorgehen der Regierung bei der Präsentation des Pakets.

Dass die Reform des Pflegegeldes aufgegriffen werde, freute Kaniak, dem aber eine grundlegende Erneuerung der Pflegestufen fehlt. Dennoch werden die Freiheitlichen mitstimmen, kündigte Kaniak an: „Nicht, weil wir es für großartig halten, sondern für dringend notwendig.“

NEOS fordert Kostenanalyse

Bei der „dringend überfälligen Anpassung“ der Befugnisse von Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz werde auch NEOS mitstimmen, weil es um die Rechtssicherheit des Pflegepersonals geht, sagte Fiona Fiedler (NEOS).

NEOS-Mandatarin Fiedler

Zustimmung zu „dringend überfälligen Anpassungen“ NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler von Pflege- und Pflegefachassistenz kam von NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. Die Anpassungen beim Pflegegeld kritisierte sie dagegen.

Beim Zweckzuschussgesetz hingegen nicht. Kritik übte sie auch an den Anpassungen beim Pflegegeld, das bringe den Pflegerinnen und Pflegern gar nichts. NEOS forderte darüber hinaus eine Kostenanalyse im Pflegebereich.

Maurer lobt Paket, Wöginger kritisiert SPÖ

Ganz anders die Regierungsparteien: „Diese Paket ist riesig und genau das, auf das seit Jahrzehnten gewartet wird“, sagte Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen. Damit werde die Situation der Pflegekräfte „ganz maßgeblich“ verbessert. „Das, was wir vorlegen, ist tatsächlich das, was es braucht“, verwies sie auf den vorausgegangenen „großen Stakeholderprozess“.

Grünen-Klubchefin Maurer

Lob für die Pflegereform kam von der Regierung. „Das, was wir vorlegen, ist tatsächlich das, was es braucht“, sagte die Klubchefin der Grünen, Sigrid Maurer.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger hob das Volumen von rund einer Mrd. Euro hervor. Vieles davon sei schon im schwarz-blauen Papier enthalten gewesen, räumte Wöginger ein. „Das nun geht aber weit darüber hinaus.“ Er dankte Rauch, dass er die Pflege prioritär behandle. Das sei in der Vergangenheit unter roten Sozialministerin nicht so gewesen, meinte Wöginger. Kritik übte er an der SPÖ, dass sie nicht mitstimme, schließlich hätten auch rote Landesräte diverse Maßnahmen begrüßt, und die Menschen in der Pflege würden das nicht verstehen.

ÖVP-Sozialsprecher Wöginger

Auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger fand lobende Worte für das Pflegepaket. An der SPÖ übte er Kritik.

Aus für Impfpflicht besiegelt

Auch wurde das Aus für die Impfpflicht besiegelt. Dafür hat ein einstimmiger Beschluss gesorgt. Sozialminister Rauch begründete das Aus für die Impfpflicht mit „völlig anderen Voraussetzungen“ als bei der Einführung. Auch ÖVP-Mandatar Josef Smolle verwies auf die weniger letale Omikron-Variante, Immunisierungen durch Impfungen und die Verfügbarkeit von Medikamenten.

Abgehen wird die Impfpflicht auch der Opposition nicht. Wenigstens bei der Impfpflicht gehe der Regierungspfusch zu Ende, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Der freiheitliche Gesundheitssprecher Kaniak dankte neben seiner eigenen Partei auch den „Demonstranten gegen das Unrechtsgesetz“, die den Beschluss möglich gemacht hätten.

Die erst Anfang Februar eingeführte Impfpflicht war zuletzt bereits ausgesetzt. Bußen gab es ohnehin nie, da die Pflicht nur in ihrer Einführungsphase wirksam gewesen war, in der keine Strafen verhängt wurden. Die Verpflichtung galt für Personen ab 18. Ursprünglich waren Sanktionen zwischen 600 und 3.600 Euro vorgesehen gewesen. Ferner beschlossen wurden gesetzliche Anpassungen, die Verkehrsbeschränkungen als Alternativen zu Absonderungsmaßnahmen ermöglichen.

Teuerung: Laut Rauch keine allgemeine Inflationsabgeltung

In der zuvor abgehaltenen Fragestunde erklärte Sozialminister Rauch, dass er trotz der enormen Teuerung zumindest bei kleinen und mittleren Pensionsbezügen die Inflation abgelten will. Man müsse berücksichtigen, dass gerade bei geringen Einkünften die Preise besonders zuschlügen, sagte er in der Fragestunde Donnerstagvormittag.

Ob es allgemein eine volle Inflationsabgeltung geben wird, ließ er mit Blick auf noch anstehende Verhandlungen offen. Dauerhaft wird es laut Rauch bei den Pensionen aber nicht möglich sein, eine Teuerung von acht bis zehn Prozent voll zu kompensieren. Dies sei nicht leistbar.

Aus für Vollspaltenböden

Auch wurde das Ende der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung besiegelt. Dafür sorgt eine Tierschutznovelle, die nun beschlossen wurde. Allerdings können bestehende Anlagen noch bis 2039 weiter betrieben werden, was SPÖ und NEOS empörte.

FPÖ-Mandatar Peter Schmiedlechner nannte die Tierschutzmaßnahmen „Politik der Schwachsinnigen“. SPÖ-Mandatarin Cornelia Ecker fühlte sich ob dessen „gefrotzelt“. Noch dazu sei es über Ausnahmen mit Geschick möglich, die Böden noch weit länger als 2040 zu verwenden. NEOS-Abgeordnete Katharina Werner sprach von einem schlechten Scherz.

Seitens der Grünen sagte wiederum die Abgeordnete Olga Voglauer, das Aus der Vollspaltenböden sei ein „Meilenstein“. Für den ÖVP-Bauernbund betonte dessen Obmann Georg Strasser, dass man mit den Übergangsfristen die Transformation möglich mache.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) anlässlich des Beschlusses: „Wir läuten das Ende der Vollspaltenbuchten ein. Im Um- und Neubau sind sie bereits ab 2023 verboten. Das ist für viele Bäuerinnen und Bauern eine große Herausforderung. Aber es ist der richtige Weg.“

FPÖ-Dringliche zu Asylpolitik

Die FPÖ brachte eine Dringliche Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zur Asylsituation ein. Österreich nehme bei der Pro-Kopf-„Belastung“ mittlerweile nach Zypern Platz zwei ein, ärgerte sich FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Eine „Belastung“ gestand Karner zu. Mit Juni habe es heuer geschätzt 31.000 Asylanträge gegeben. Das sei ein Plus von 185 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021. Kritik an der FPÖ kam von Grünen, SPÖ und NEOS.