Boris Johnson und Carrie Johnson
Reuters/Henry Nicholls
Johnson-Rückzug

Schadensbegrenzung bei Hochzeitsfeier

Ein schneller Rücktritt sieht anders aus: Zwar hat der britische Premier Boris Johnson am Donnerstag seinen Rückzug angekündigt, doch bis es so weit ist, wird es wohl Herbst sein. Mitten in die Debatte platzten dann auch Berichte über eine geplante Hochzeitsfeier im Juli – auf einem Anwesen, das nur dem Premier zur Verfügung steht. Die wurde nun verlegt.

Johnson und seine Frau Carrie hatten im Mai 2021 im kleinen Kreis in der Westminster Cathedral geheiratet – wegen der CoV-Beschränkungen konnten sie nur 30 Gäste einladen. Für den 30. Juli war nun eine große Party in Chequers, dem offiziellen Landsitz des britischen Premierministers, geplant. Mehrere Medien berichteten, die geplante Feier, zu der zumindest die Vorabeinladungen schon lange versendet sind, sei einer der Gründe, wieso Johnson nicht sofort aus dem Amt scheiden wolle.

Auch ein Versprecher deutete darauf hin, dass Johnson in seiner Rücktrittsrede das Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert im Sinn hatte: Als er vor seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street seinen Rücktritt bekanntgab, bedankte er sich bei seinen „wunderbaren Mitarbeitern hier in Chequers“. Mit denen gab es übrigens gehörigen Streit in den vergangenen Jahren: Die für das Anwesen zuständige Verwalterin ging 2020 im Streit mit Johnsons Frau Carrie – mit einem Stillhalteabkommen über die Vorfälle.

Gerangel um potenzielle Johnson-Nachfolge

Der britische Premier Boris Johnson ist nach einer umstrittenen Beförderung als Torys-Parteivorsitzender zurückgetreten. Premierminister will er weiter bleiben, bis seine Nachfolge geklärt ist.

Kritik und Häme

Jedenfalls zeigten sich konservative Parteifreunde über die Spekulationen wenig erfreut – passten sie doch in die skandalträchtige Geschichte. Und Londons Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei kommentierte die Vorwürfe ironisch: „Auch wenn wir alle gerne ein rauschendes Hochzeitsfest auf Kosten des Steuerzahlers in Chequers haben würden, wird er das nicht tun können, weil die britische Öffentlichkeit es abscheulich finden wird“, sagte Khan im Sender LBC Radio.

Feier soll woanders stattfinden

Am Freitag hieß es dann aus der Downing Street laut „Guardian“ und anderen Medien, die Hochzeitfeier würde nicht in Chequers stattfinden. Dabei hatte kurz zuvor der neue Bildungsminister James Cleverly dafür plädiert, Johnson die Feier in Chequers abhalten zu lassen, selbst wenn er nicht mehr amtierender Premier ist. Das wäre „eine ziemlich großzügige Handlung des neuen Premierministers, das zu erlauben“, sagte Cleverly gegenüber der BBC. Und weiter: „Private Veranstaltungen wie diese stellen keine Belastung für die öffentlichen Kassen dar … Ich denke, es ist unhöflich, sich negativ über zwei Menschen zu äußern, die ihre Ehe und ihre Liebe zueinander feiern wollen.“

Emotionale Inszenierung

Angesichts der Skandale scheint es sich bei Cleverlys Äußerungen eher um eine Einzelmeinung zu handeln. Allerdings passen sie in ein anderes Bild: Das Büro des Premierministers veröffentlichte noch am Donnerstag zahlreiche Fotos von emotionalen Szenen im Büro des Premiers nach seinem Rückzugsstatement. Vor allem seine Familie, also Frau Carrie, der zweijährige Sohn Wilfred und Baby Romy wurden dafür in Szene gesetzt. Und einige Boulevardblätter wie „Daily Mail“ schienen sich bei der Rücktrittrede mehr auf die ersten Fotos der Tochter Romy und das Outfit ihrer Mutter Carrie zu konzentrieren als auf die Rede des Premiers.

Boris Johnson und Carrie Johnson
AP/Frank Augstein
Johnsons Frau Carrie mit der sieben Monate alten Romy zog bei der Rückzugsrede viele Blicke auf sich

Nachfolger wohl erst im Herbst

Johnson scheint den Briten jedenfalls noch einige Zeit als Premier erhalten zu bleiben. Zunächst soll sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin als Parteichef der Konservativen gewählt werden – und das kann dauern. Johnsons eigene Küre dauerte sechs Wochen – und je mehr Kandidatinnen und Kandidaten das Amt beanspruchen, desto länger kann es dauern.

Einen Interimspremier, wie es etwa einer seiner Vorgänger John Major gefordert hatte, lehnt Johnson ab, und ein Sturz per Misstrauensvotum scheint unwahrscheinlich. Zwar hat die oppositionelle Labour-Partei einen solchen angekündigt, doch haben die Konservativen im Parlament eine absolute Mehrheit. Dass genügend Tory-Abgeordnete einen solchen Antrag unterstützen, scheint selbst trotz Meinungsverschiedenheiten in der Partei unwahrscheinlich. Nach neuesten Umfragen liegt Labour bei 40 Prozent der Stimmen, die Torys bei 29 Prozent.