Susanne Raab (ÖVP), Sigrid Maurer (Grüne) und Werner Kogler (Grüne)
APA/Roland Schlager
Nationalrat

Aus für Indexierung der Familienbeihilfe

Mit der Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe durch den Nationalrat ist ein Prestigeprojekt der türkis-blauen Bundesregierung Geschichte. Einzig die FPÖ lehnte die entsprechende Vorlage am Freitag im Nationalrat ab. Basis für den Beschluss war ein Spruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Gleichzeitig vereinbart wurde, ukrainischen Flüchtlingen Familienbeihilfe zukommen zu lassen. Die entsprechende Regel gilt rückwirkend mit dem Eintreffen in Österreich.

Bei der Indexierung ging es darum, dass die Familienleistungen dem Lebensstandard im Herkunftsstaat des Arbeitnehmers angepasst wurde, sofern die Kinder noch dort lebten. Damit erhielten vor allem Kinder von osteuropäischen Arbeitnehmenden deutlich weniger Familienbeihilfe. In einzelnen nord- und westeuropäischen Staaten wurde dafür eine höhere Leistung als in Österreich ausbezahlt. Die muss nun allerdings nicht refundiert werden, da sie in gutem Glauben verbraucht wurde.

Die FPÖ zeigte sich in der Debatte erneut verärgert in Sachen Indexierung, die ein richtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit gewesen sei, wie die Abgeordnete Edith Mühlberghuber befand. Erfreut über den Beschluss zeigte sich die SPÖ, deren Abgeordnete Petra Wimmer darauf verwies, dass ihre Partei immer schon die Unrechtmäßigkeit der Indexierung betont habe.

Familienbeihilfe für Ukrainer fix

Ukrainerinnen und Ukrainer werden in Österreich Familienbeihilfe bekommen. Das wird der Nationalrat auf den Weg bringen.

Barbara Neßler (Grüne) betonte, dass die bisherige Regelung „ethisch nicht vertretbar“ gewesen sei. Für NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler stellte die Indexierung eine „massive Ungerechtigkeit“ dar. Seitens der ÖVP betonte die Abgeordnete Alexandra Tanda, dass das EuGH-Urteil selbstverständlich umgesetzt werde. Die Rückzahlung werde, soweit möglich, automationsgestützt und rasch erfolgen. Der Anspruch verfalle auch nicht.

Familienbeihilfe für Ukraine-Vertriebene

Für Geflüchtete aus der Ukraine ist der Weg zum Anspruch auf Familienbeihilfe und damit verbundene Sozialleistungen freigemacht worden. Die türkis-grüne Koalition hat nach monatelangen Verhandlungen nun eine Lösung gefunden und zusammen mit den Stimmen von SPÖ und NEOS im Nationalrat beschlossen. Die Gesetzeslücke werde geschlossen, womit alle Vertriebenen aus der Ukraine vollen Zugang zu den Familienleistungen erhalten, hieß es.

Seit Kriegsbeginn sind rund 79.000 vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich registriert worden, der Großteil Frauen und Kinder. Es seien „primär Mütter und ihre Kinder, die fliehen müssen und in Österreich Schutz finden“, sagte Familienministerin Susanne Raab (ÖVP). „Im Sinne der Nachbarschaftshilfe sind wir in Europa besonders gefordert zu unterstützen. Der Bezug von Familienleistungen ist dabei ein notwendiger und wichtiger Schritt.“ Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sprach von einem weiteren Zeichen der Solidarität.

Nehammer entschuldigt sich

Zum Auftakt der Nationalratssitzung hatte sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) der Fragestunde gestellt und sich dafür entschuldigt, dass jüngst seine Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) eine Dringliche Anfrage der FPÖ nicht adäquat beantwortet habe.

Teuerung: Nehammer verteidigt Regierungsmaßnahmen

In einer Fragestunde verteidigte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitag im Nationalrat die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen gegen die Teuerung. Die Opposition forderte die Regierungsparteien zum Handeln auf und ist der Ansicht, dass zu wenig geschehe.

Hintergrund von Nehammers Entschuldigung waren die Vorgänge während der Nationalratssitzung am 15. Juni. Die FPÖ wollte im Rahmen der „Dringlichen“ Nehammer zu ÖVP-Parteifinanzen und türkisen Skandalen befragen. Beantwortet wurde die Anfrage aber nicht von Nehammer selbst, sondern von Staatssekretärin Plakolm. In den meisten Punkten ging sie inhaltlich nicht auf die Anfrage ein, was die Opposition erzürnte. Nehammer sagte dazu am Freitag, die Antworten würden schriftlich nachgereicht. Die Schuld trage aber nicht Plakolm, er nehme die Verantwortung auf sich.

Verteidigt wurde vom Kanzler dagegen die Kassenfusion, die nach einem kritischen Rechnungshof-Bericht zuletzt in negative Schlagzeilen geraten war. Dass es statt der angekündigten „Patientenmilliarde“ zunächst Mehrkosten gegeben habe, sei nicht zu bestreiten, sagte Nehammer. Doch steht der Regierungschef zur „Effizienzreform“, gebe es doch bei solchen Projekten stets hohe Anschubfinanzierungen und erst dann die Effizienzsteigerungen, die Einsparungen brächten.

Nehammer weiter gegen Preisdeckel

Neuerlich abgelehnt wurden von Nehammer Preisdeckel, etwa bei Treibstoffen. Bisher habe sich das im Kampf gegen die Teuerung in jenen Staaten, die es versucht hätten, nicht als probat erwiesen.

Düster ist des Kanzlers Einschätzung den Ukraine-Krieg betreffend. Nehammer sprach einmal mehr von Präsident Wladimir Putins Kriegslogik, die ein Ende des Krieges erst sehe, wenn das Ziel der Aggression erreicht sei. Der Kanzler warnte auch davor, immer mehr an die Grenzen eines Dritten Weltkriegs zu geraten. Daher müssten Gesprächsebenen offen gehalten werden.

Leichterer Quereinstieg in Lehrerberuf

Erster Beschluss am Freitag war aber eine Dienstrechtsnovelle, mit der der Quereinstieg in den Lehrerberuf erleichtert wurde. Verbessert wurde auch die Bezahlung an den Sommerschulen. SPÖ und FPÖ nutzten den Tagesordnungspunkt für Frontalattacken auf die Bundesregierung, SPÖ-Mandatarin Selma Yildirim sprach von Pfusch und verlangte unter anderem die Wiedereinführung der Pragmatisierung und die Einführung der Altersteilzeit für Beamte.

Vizekanzler und Beamtenminister Werner Kogler (Grüne) reagierte gelassen. Er nannte die Attraktivierung des öffentlichen Dienstes als gemeinsames Ziel: „Da sollten wir uns treffen und nicht gleich alles zur Weltuntergangskrise erklären.“

„Kindergartenmilliarde“ beschlossen

Auch wurde am Freitag die „Kindergartenmilliarde“ beschlossen. Während die FPÖ mit der Koalition stimmte, gingen SPÖ und NEOS die Zuwendungen für die Elementarbildung zu wenig weit. Tatsächlich wird die Milliarde über fünf Jahre gestreckt, in denen jeweils 200 Mio. Euro fließen.

Mit einer neuen 15a-Vereinbarung zu den Kindergärten wird der Bund den Ländern in den fünf Kindergartenjahren 2022/23 bis 2026/27 pro Jahr 200 Mio. Euro für frühe Sprachförderung und Ausbau des Angebots (jeweils mit 52,5 Prozent Kofinanzierung des Landes) sowie das Gratispflichtkindergartenjahr zur Verfügung stellen. Zusätzlich können die Länder aus der letzten dreijährigen Vertragsperiode nicht verbrauchte Mittel weiterverwenden.

Polaschek ortet „großen Wurf“, Opposition übt Kritik

Während ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek einen „großen Wurf“ feierte, übten Teile der Opposition harsche Kritik. SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler sprach von einer verpassten Chance und Mogelpackung. Tatsächlich gebe es nur 57 Mio. Euro mehr als schon jetzt, und diese würden von der Inflation aufgefressen werden. Viel zu niedrig sind die Summen auch NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Denn Österreich sei etwa bei Ausbildung und Gruppengrößen ganz hinten. Um das aufzuholen, bräuchte es wirklich viel Geld.

Auch mehr Geld für Pflichtschulen

Mehr Mittel werden unterdessen auch für Pflichtschulen lockergemacht. Mit einer Aufstockung der Mittel soll der Ausbau der administrativen und psychosozialen Unterstützung an Schulen sowie der ganztägigen Schulplätze gefördert werden. Für das Restjahr 2022 sind 2,33 Mio., für 2023 45,84 Mio. und von 2024 bis 2026 jährlich 22 Mio. Euro vorgesehen.

Gründungsgesetz für TU Linz beschlossen

Einen Beschluss gab es auch zur neuen Technischen Uni (TU) in Linz, die ab 2023/24 unter dem Titel „Institute of Digital Sciences Austria“ („IDSA“) den Betrieb aufnehmen soll. Dem Gründungsgesetz stimmten ÖVP, Grüne sowie die FPÖ zu. Bildungsminister Polaschek sah darin einen „wesentlichen Beitrag zur innovativen Weiterentwicklung der österreichischen Wissenschafts- und Forschungslandschaft“, wie er in der Debatte betonte.

Der Endausbau der neuen Einrichtung soll erst 2036/2037 mit 6.300 Studierenden erreicht sein. Was die Finanzierung angeht, sind für die Gründungsphase 2022 und 2023 für das IDSA 18,4 Mio. Euro vorgesehen, die zur Gänze aus der Ministerreserve des Wissenschaftsministeriums gedeckt werden sollen. Ab dem Studienjahr 2023/24 soll die Finanzierung der neuen Universität nicht mehr vom Bund allein, sondern gemeinsam mit dem Land Oberösterreich getragen werden.

Teuerung: Bonus für Selbstständige

Am Donnerstag wurde unterdessen noch ein Bonus für Selbstständige als Teuerungsausgleich eingearbeitet. Anspruchsberechtigt für die außerordentliche Gutschrift sind die nach GSVG bzw. BSVG krankenversicherten Personen mit einer Beitragsgrundlage ab einer Höhe von 566 Euro bis 2.900 Euro. Die Staffelung der Gutschrift beginnt bei einer Beitragsgrundlage von 566 Euro mit 160 Euro, bei Beitragsgrundlagen zwischen 1.200 und 2.100 Euro soll der Gutschriftsbetrag 500 Euro betragen. Bis 2.900 Euro sinkt er dann wieder auf 100 Euro.

Ebenfalls am Donnerstag beschlossen wurde eine Verschärfung des Parteiengesetzes. Etwa wird der Rechnungshof künftig Einschaurechte in Parteifinanzen erhalten, auch die Offenlegungspflichten werden umfangreicher. ÖVP und Grüne sehen in dem neuen Gesetz einen „Meilenstein“ – skeptischer gaben sich die Oppositionsfraktionen. Zudem beschlossen wurden Teile der Pflegereform, besiegelt wurde das offizielle Aus für Impfpflicht und Vollspaltenböden.

Schwarz-Abschied in Richtung Volksanwaltschaft

Nach dem Wechsel von Werner Amon (ÖVP) in die steirische Landesregierung ist ein Platz in der Volksanwaltschaft frei geworden, den nun Ex-ÖVP-Vizegeneralsekretärin Gabriela Schwarz einnehmen wird. Sie verabschiedete sich am Freitag bei den Abgeordneten. Sie wolle weiter für die Menschen im Land arbeiten und nannte in ihrer Abschiedsrede das „Recht auf Leben“, Freiheit, Sicherheit und freie Meinungsäußerung als Priorität – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

„Personen“ statt „Männer“ und „Frauen“ bei Wahlen

Zudem beschlossen wurde eine kleine Wahlrechtsreform – mit den Stimmen aller Fraktionen. Damit werden aus der Nationalratswahlordnung und anderen Wahlgesetzen alle Bezeichnungen entfernt, die auf „Männer“ und „Frauen“ abstellen oder eine Unterscheidung zwischen „männlich“ und „weiblich“ treffen. Künftig ist in den Wahlgesetzen nur noch von „Personen“ die Rede.

Damit soll gewährleistet werden, dass auch Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zugehörig fühlen bzw. dieses nicht angeben wollen, weiterhin an Wahlen teilnehmen können. Neuwahlanträge von SPÖ und FPÖ wurden mit Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne sowie von NEOS abgelehnt.