Demonstranten vor und im gestürmten Präsidentenpalast in Colombo
APA/AFP
Sri Lanka

Demonstranten stürmen Präsidentenpalast

Die heftige Wirtschaftskrise in Sri Lanka facht erneut heftige Proteste an. Zehntausende Demonstranten und Demonstrantinnen marschierten am Samstag durch die Hauptstadt Colombo und in das Regierungsviertel, einige stürmten den bis dahin schwer bewachten Palast von Präsident Gotabaya Rajapaksa und ein nahe gelegenes Büro, wie Fernsehbilder zeigen. Der Präsident sei bereits vor dem Wochenende in Sicherheit gebracht worden, hieß es aus Sicherheitskreisen, und werde an einem geheimen Ort beschützt.

Der Regierungssprecher Mohana Samaranavake gab aber gegenüber der Nachrichtenagentur AP an, dass er keine Informationen darüber habe, ob der Präsident die Residenz verlassen habe. Auf Facebook wurden die Bilder aus der Präsidentenresidenz live übertragen. Demzufolge zogen Hunderte durch die Gänge und Räume. Auch vor dem Gebäude versammelten sich Hunderte Demonstranten. Sie fordern den Rücktritt Rajapaksas.

Bei ihrem Marsch durch die Stadt durchbrachen einige Absperrungen der Polizei. Diese feuerte Warnschüsse ab, konnte die Demonstranten aber nicht aufhalten. Über 30 Menschen, darunter zwei Polizisten, wurden bei Handgemengen verletzt, als die Demonstranten versuchten, die Residenz zu betreten.

Demonstranten im gestürmten Präsidentenpalast in Colombo
Reuters/News Cutter
Hunderte Demonstranten sind in den Präsidentenpalast in Colombo eingedrungen

Die Behörden hatten noch versucht, die Proteste zu verhindern, und verhängten Freitagabend eine Ausgangssperre. Diese wurde aber nach dem Protest zivilgesellschaftlicher Gruppen und von Oppositionsparteien aufgehoben. Beamten zufolge waren Tausende Regierungsgegner aus den Vororten der Hauptstadt mit Autos, Lieferwagen, Bussen und Zügen in die Hauptstadt gereist. Manche kamen aufgrund der Treibstoffkrise zu Fuß in die Hauptstadt.

Premier zum Rücktritt bereit

Zu dem großen Protestmarsch haben lokalen Medien zufolge zahlreiche Gruppierungen – eine Reihe von Oppositionsparteien, religiöse Führer, darunter buddhistische Mönchsorganisationen und katholische Priester, Universitätsprofessoren, Künstler und Studierende – aufgerufen.

Premierminister Ranil Wickremesinghe berief eine Dringlichkeitssitzung der Parteiführer ein und forderte den Parlamentspräsidenten auf, das Parlament einzuberufen. Der Premier hatte im Juni erklärt, dass die Wirtschaft des Landes zusammengebrochen sei. Sri Lanka gilt nun als bankrotter Staat und muss aus dieser Position heraus mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verhandeln.

Wickremesinghe erklärte sich kurz später zum Rücktritt bereit. Das gab sein Büro am Samstag in der Hauptstadt Colombo bekannt. Der Premier habe dem Parlamentspräsidenten mitgeteilt, dass er zugunsten der Bildung einer Allparteienregierung zum Abtritt bereit sei.

Präsidentenpalast in Sri Lanka gestürmt

Zehntausende Demonstranten sind durch Sri Lankas Hauptstadt Colombo und in das Regierungsviertel marschiert, einige stürmten den bis dahin schwer bewachten Palast von Präsident Gotabaya Rajapaksa. Der Präsident sei bereits vor dem Wochenende in Sicherheit gebracht worden, hieß es aus Sicherheitskreisen, und werde an einem geheimen Ort beschützt.

Wickremesinghe ist seit Mai im Amt. Damals waren die Massenproteste gegen die Regierung eskaliert. Es gab Tote und Hunderte Verletzte. Die Regierung von Mahnda Rajapaksa war daraufhin zurückgetreten. Der Bruder des zurückgetretenen Regierungschefs, Präsident Gotabaya Rajapaksa, blieb hingegen im Amt. Mit der Machtübernahme von Wickremesinghe im Mai waren die Proteste etwas zurückgegangen, in der Hoffnung, er könne Geld für das Land besorgen.

Lebensmittel, Treibstoff und Medikamente sind knapp

Hintergrund der anhaltenden Proteste ist die heftige Wirtschaftskrise, in der das Land steckt. Die Regierung ist nicht mehr in der Lage, die wichtigsten Importe wie Lebensmittel, Treibstoff und Medikamente zu finanzieren. Zuletzt forderte Sri Lanka sogar Hilfe bei dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Das Land hat umgerechnet knapp 50 Milliarden Euro Auslandsschulden. Im April kündigte das Land an, die Rückzahlung ausländischer Kredite aufgrund eines Devisenmangels auszusetzen.

Die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind enorm. Erst vor wenigen Tagen sagte Energieminister Kanchana Wijesekera, dass das Land noch etwa 4.000 Tonnen Treibstoffreserven habe, was normalerweise dem Verbrauch eines Tages entspreche. Die nächste Lieferung werde frühestens am 22. Juli erwartet. Ende Juni war ein zweiwöchiger Verkaufsstopp für alle Treibstoffe verkündet worden. Benzin und Diesel durften nur für die wichtigsten Dienstleistungen genutzt werden.

Brüder Mahinda Rajapaksa und Gotabaya Rajapaksa
AP/Eranga Jayawardena
Die Rajapaksa-Brüder: Ex-Premier Mahnda (l.) und Präsident Gotabaya

Ein wesentlicher Auslöser der schwersten Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit des südasiatischen Landes im Jahr 1948 war der Einbruch des internationalen Tourismus infolge der Pandemie. Der Regierung wurde außerdem Misswirtschaft vorgeworfen. Die Rajapaksa-Dynastie, die das Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten regierte, ist bis auf Präsident Gotabaya verschwunden. Denn nicht nur der frühere Premier, auch zwei weitere Brüder und ein Neffe Gotabayas haben zuvor ihre Kabinettsposten aufgegeben.