Steckdosen
ORF.at/Christian Öser
Teurer Strom

Ruf nach Preisdeckel aus NÖ

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) spricht sich für eine Begrenzung der Stromkosten aus und sorgt damit für einen neuen Vorstoß in der laufenden Teurerungsdebatte. Auf Bundesebende forderte zuletzt die Opposition Maßnahmen von der Regierung. Die Regierungsspitze spricht sich bisher gegen einen Preisdeckel aus.

Angesichts der teils enormen Nachzahlungen bei den Energiekosten will Mikl-Leitner dennoch über einen Preisdeckel nachdenken. „Ich weiß, dass der Staat natürlich nicht alles abfedern kann, aber es muss eine gewisse Lenkung des Staates stattfinden“, wie Mikl-Leitner am Samstag gegenüber dem Landesstudio Niederösterreich sagt.

Doch gerade in Zeiten der massiven Inflation brauche es in der Politik „die Verantwortung, für Österreich zu arbeiten“, mahnt Mikl-Leitner ein, die sich nächstes Jahr der Landtagswahl stellt. „Es braucht eine klare Führung durch die Regierung, es braucht einen Schulterschluss in der Koalition und es braucht eine konstruktive Zusammenarbeit im Parlament, statt Dauerbeflegelungen durch die Opposition.“

Ruf nach Plan und Transparenz

Von der Regierung fordert die niederösterreichische Landeshauptfrau auch eine „Transparenz der Notfallpläne". Zudem müsse der Bund nun innerhalb der nächsten Wochen einen „ganz klaren Plan“ mit konkreten Maßnahmen ausarbeiten. Dazu gehöre auch, den Menschen zu sagen, „dass wir alle Energie sparen müssen“, zugleich müssten aber auch andere Energiequellen angezapft werden.

Regierungsspitze gegen Preisdeckel

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte sich zuletzt im Nationalrat gegen Preisdeckel ausgesprochen. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) äußerte sich in der „Presse“ (Sonntag-Ausgabe) ablehnend: „Es ist eine populistische Story, so zu tun, als könnte der Staat mit der Rasierklinge die Preise kappen. Das geht in der Regel nach hinten los.“ Man könne sich das aber auf der europäischen Ebene ansehen. „Österreich alleine tut sich da schwer. Wir würden eine ganze Stromzone aus mehreren Ländern subventionieren, und die Effekte bei uns wären gering.“

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) teilte Sonntagmittag mit, dass er die Meinung von Mikl-Leitner teile, wonach auf europäischer Ebene die Diskussion über die Funktionsweise der Marktmechanismen geführt werden muss. „Die Forderung nach Preisdeckeln ist angesichts der hohen Energiepreise nachvollziehbar und muss auf europäischer Ebene ernsthaft diskutiert werden“, so Brunner.

Gleichzeitig hielt er fest: „In der aktuellen Lage prognostizieren uns die Experten, dass die ökonomischen Nachteile bzw. Gefahren einer nationalen Preisdeckelung überwiegen. Wir müssen aufpassen, dass die Maßnahmen der Politik gegen die Teuerung nicht unserer Gesellschaft und letztlich den Menschen mehr schaden als helfen. Deshalb ist die passende Reaktion auch immer stark vom ökonomischen und zeitlichen Umfeld abhängig.“

„Auf Quellen zurückgreifen, die es schon gibt“

Auch der österreichische EU-Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) hatte im Ö1-Mittagsjournal einen Strompreisdeckel abgelehnt. Er sei kein großer Freund von Strompreisdeckelungen, so Hahn. Man müsse jetzt zielgerichtet unterstützen: „Wenn einkommensschwache Haushalte unter den hohen Energiepreisen leiden, sollte ihnen prioritär und direkt geholfen werden“, so Hahn. Die EU werde einen europäischen Notfallplan für den Winter verabschieden.

Ziel dieses Plans ist es laut Hahn, „im Geiste der europäischen Solidarität“ gemeinsame Maßnahmen zur Sicherstellung der Energie zu ergreifen. Zudem wolle man Kapazitäten aufbauen, um anderen Ländern zu helfen. Man habe bereits entscheidende Schritte gemacht: „Wir haben seit März die Flüssiggasversorgung um 75 Prozent gesteigert, jene aus den USA verdreifacht.“

Zum Vorschlag, ähnlich wie in den Niederlanden ein Schiefergasfeld in Niederösterreich anzubohren, sagte Hahn: „In so einer Situation muss es absolute Gedankenfreiheit geben.“ Aktuell gehe es aber um diesen und möglicherweise nächsten Winter. „Daher müssen wir jetzt auf Quellen zurückgreifen, die es schon gibt.“

Opposition fordert Maßnahmen auch bei Gas und Sprit

Nachdem die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zuletzt in einem Bericht geschrieben hat, dass die gestiegenen Spritpreise nicht nur aus höheren Kosten zu erklären sind, fordert indes auch die Opposition verstärkt Konsequenzen der Regierung. SPÖ und NEOS drängen ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher, die Preise zu regulieren. FPÖ-Chef Herbert Kickl verlangt ein „schlüssiges und stimmiges Konzept für die nächsten Monate“ und den Ausstieg aus den Sanktionen gegen Russland.

Der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried hätte von Kocher gerne eine gesetzliche Preisregulierung für Treibstoffe. Der Wirtschaftsminister „hat die Pflicht, auf diese Krisen-Trittbrettfahrer zu reagieren. Kocher kann sich das nicht aussuchen, er muss als Minister eingreifen“, schreibt Leichtfried in einer Aussendung. Auch solle es für Strom, Gas, Treibstoffe und Mieten einen Preisdeckel und „die Abschöpfung von Übergewinnen“ geben.

Schwindende Reserven befürchtet

Kickl erwartet nächste Woche im Hauptausschuss des Parlaments die Freigabe weiterer Öl-Notstandsreserven. „Es wäre dann das dritte Mal der Fall, dass diese ‚eiserne Reserve‘ angetastet wird“, schreibt er. Bei diesem Tempo der Abrufungen wären die Reserven noch vor dem Winter aufgebraucht. Kickl wünscht sich in diesem Zusammenhang „Information, Wahrheit und Strategie statt ‚Dauergewurschtel‘ a la Gewessler und Co. von Woche zu Woche.“ Die Verantwortlichen der OMV sollten sich im Ausschuss persönlich kritischen Fragen stellen.

Die Bundesregierung dürfe „nicht länger beobachten“ und auf Zeit spielen, sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Es reiche nicht, nur aufzuzeigen, dass bei der Preisentwicklung der Treibstoffe etwas ganz gewaltig schiefläuft. Ein funktionierender Markt brauche eine funktionierende Marktaufsicht. Der Minister müsse auf Basis des Preisgesetzes die Preiserhöhungen mit der Marktentwicklung begrenzen.

Kritik aus Niederösterreich an Mikl-Leitner

Niederösterreichs Freiheitliche sehen in der Strompreisdeckel-Forderung von Mikl-Leitner ein „Copy-Paste-Plagiat“. Seit Oktober 2021 seien von der FPÖ 17 Anträge im Landtag zum Thema Teuerung eingebracht, jedoch von der ÖVP nicht angenommen worden, hob FPÖ-Landespartei- und Klubobmann Udo Landbauer hervor. Preisdeckel bei Treibstoffen, Energie und Lebensmitteln würden bereits seit Wochen seitens der FPÖ gefordert.

Kritik kam am Sonntag auch von NEOS Niederösterreich. Landessprecherin Indra Collini bezeichnete „die Vorstellung, dass die Politik einfach die Preise deckeln kann, ohne dass es zu Problemen kommt“, als „reichlich naiv“. NEOS möchte „Übergewinne der Energiekonzerne in eine Art Ausgleich für soziale Härtefälle sowie in den Ausbau der erneuerbaren Energien“ gelenkt wissen.

Nehammer mit „Alkohol oder Psychopharmaka“-Sager

Kanzler Nehammer ging am Samstag auf der Bühne des Tiroler ÖVP-Parteitags in Alpbach auf die Teuerungskrise ein. Er erinnerte an die bereits geschnürten Pakete. Man werde wahrscheinlich auch weiter „punktuell entlasten“ müssen. Man müsse sich mit allen Mitteln gegen die Krise stemmen. Denn wenn man nicht gegensteuere und die Krise überhandnehme, stünde man nur mehr vor der Wahl: „Alkohol oder Psychopharmaka“.

Der Sager sorgte für Verwunderung und Irritationen in sozialen Netzwerken und Kritik bei FPÖ und SPÖ. Die Bemerkung des Bundeskanzlers, „wonach die aktuellen Herausforderungen entweder nur mit Alkohol oder Psychopharmaka zu bewältigen sein werden“, würden laut FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz das völlige Versagen der Regierung widerspiegeln. Er wolle „eh nicht, dass wir so weitermachen“, lautete die Reaktion von SPÖ-Vizeklubchef Leichtfried, der via Twitter ebenso für eine Neuwahl plädierte.

Man habe Zuversicht vermitteln wollen, heißt es laut „Kronen Zeitung“ aus Nehammers Büro – es wurde „flapsig formuliert“, wie es der Zeitung zufolge dazu weiter heißt, war „aber gut gemeint“.

Deutsch: Mikl-Leitner übernimmt SPÖ-Forderung

Der Vorstoß für einen Preisdeckel bei den Strompreisen erfreut die SPÖ. Die Landeschefin übernehme damit die Forderung von SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner und von Niederösterreichs SPÖ-Landesparteivorsitzendem Franz Schnabl, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Nehammer hingegen betreibe eine „zaghafte und mutlose Kopf-in-den-Sand-Politik“.

Deutsch übte auch Kritik an der „Alkohol oder Psychopharmaka“-Aussage von Nehammer. „Ein ÖVP-Bundeskanzler, der Alkohol als Heilmittel anpreist und darüber hinaus Menschen verhöhnt, die psychische Probleme haben, ist fehl am Platz“, so Deutsch am Sonntag in einer Aussendung.