Hochspannungsleitung
ORF.at/Christian Öser
Experten

Die Hürden für den Preisdeckel

Neben der immer heißer werdenden Debatte in der Innenpolitik gibt es in Sachen Preisdeckelung bei Energie auch strukturelle und rechtliche Hürden, wie Experten ausführen. Wichtige Rollen spielen dabei die derzeitige Regelung des Marktes und die Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Doch auch die Ansätze der Experten zu möglichen Maßnahmen gehen auseinander.

Als Beispiele für eine Preisdeckelung werden immer wieder Spanien und Portugal genannt. Laut Christian Egenhofer vom Centre for European Policy Studies sind die Voraussetzungen dort allerdings anders. In Spanien und Portugal gehe eine Preisdeckelung relativ einfach, da der Markt nur begrenzt mit dem Rest von Nordwesteuropa verbunden sei, so Egenhofer im Ö1-Mittagsjournal.

Man habe dort mit der Preisdeckelung zwar Erfolg, allerdings zu hohen Kosten, so der Experte weiter. Beide Länder müssten etwa die Gasimporteure kompensieren. Und das koste Milliarden. Wenn man auch die Stromerzeuger kompensieren müsste, würde das nochmal über fünf Milliarden Euro kosten, sagte Egenhofer. Die Stromunternehmen hätten ja natürlich ihre Preise schon in die Zukunft gemacht und müssten von ihnen abgeschlossene Verträge honorieren.

Frankreich: Die Deckelung und ihre Konsequenz

In Frankreich ist der Gaspreis bereits seit vergangenem Herbst gedeckelt und darf heuer nur um vier Prozent erhöht werden. Laut Egenhofer erzielt man damit den gleichen Effekt wie in Spanien und Portugal. Der Unterschied sei aber, dass die Verluste in der Electricite de France (EDF), der staatlich dominierten französischen Energiegesellschaft, angehäuft werden. Eine Übernahme auch der restlichen Anteile durch den Staat steht im Raum. Das heiße, so Egenhofer, dass die Kosten dann später auf den Staat zukämen.

Der Strompreis in Europa ist so geregelt, dass er sich nach dem am teuersten produzierten Strom richtet. Das sind in der Regel Gaskraftwerke – der Preis von billiger produziertem Strom ist dadurch auch höher. Das sei nicht so einfach anzugreifen, so Egenhofer dazu. Das könne möglicherweise negative Effekte bzw. unerwartete Konsequenzen haben.

Suche nach Alternativen

„Im Augenblick funktioniert es so, dass die verschiedenen Anbieter ihren Strom anbieten und je nachdem, wie niedrig sie anbieten, kommen sie in den Markt“, erklärte Egenhofer weiter im Ö1-Mittagsjournal. Wenn das nicht mehr stattfinde, stelle sich die Frage, wie man es mache und wie es verschiedene Anbieter auf dem Markt gebe. „Es kann dann nur regulativ, also über administrative Vorgaben, gehen, und da müssen sie dann ein neues Konzept, eine neue Regulierung schaffen“, so Egenhofer.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krise wage er zu bezweifeln, ob das jetzt funktioniere. Ein Gaspreisdeckel sei viel schneller umzusetzen und auch viel klarer in seinen Konsequenzen. Derzeit gebe es in der EU-Kommission und in den Mitgliedsländern viele, auch sehr kontroverse interne, Diskussionen.

Strompreis: Rund 60 Prozent sind Abgaben

Egenhofer gab in Sachen Strompreis auch zu bedenken, dass rund 60 Prozent davon Abgaben und Steuern seien. Das heiße, wenn die Staaten die Steuern senken würden, dann werde der Strompreis auch sinken. „Und das ist meiner Meinung nach so ein bisschen Heuchelei von den Mitgliedsstaaten. Die könnten natürlich die Steuern runter machen, aber offensichtlich sind die Mitgliedsstaaten auch ganz glücklich, dass sie viel Steuereinnahmen generieren“, so Egenhofer.

Die EU-Kommission wolle eine Lösung, in der die Kosten national geschultert beziehungsweise auch Gutschriften oder die Kompensation national gemacht würden. „Sonst reden wir über Hunderte Milliarden, die in der EU dann hin- und hergeschoben werden“, so der Experte im Ö1-Mittagsjournal.

„Insofern denke ich mir, entweder Gutschriftverfahren, oder wir kommen zum Gaspreisdeckel – allerdings europaweit.“ Man habe jetzt einen integrierten Markt, und wenn manche Länder einen Gaspreisdeckel einführten und andere nicht, „dann wird dieser Handel zwischen den verschiedenen Märkten tatsächlich zum Stillstand kommen.“

Gaspreisdeckel: Momentum Institut vs. Agenda Austria

Doch nicht nur die Debatte innerhalb der EU ist von vielen – teils gegensätzlichen – Stimmen geprägt, auch über einen Preisdeckel in Österreich sind sich neben Politikerinnen und Politikern Experten nicht einig.

Während sich das gewerkschaftsnahe Momentum Institut einen Gaspreisdeckel wünscht, hält die wirtschaftsliberale Denkfabrik Agenda Austria staatliche Eingriffe in die Preisbildung für wenig zielführend, wie das Ö1-Mittagsjournal berichtete. Jan Kluge, Ökonom der Agenda Austria, hielt im Ö1-Mittagsjournal vom Montag Energiepreisdeckel grundsätzlich für wenig zielführend. Man müsse auf die Verhältnismäßigkeit achten.

Picek für soziale Staffelung

Der Ökonom Oliver Picek vom gewerkschaftsnahen Momentum Institut hält indes Gaspreisdeckel für sinnvoll. „Weil uns die Gaspreise im Moment die gesamten Strompreise nach oben treiben“, so das Argument Piceks. Privathaushalte brauchten eine eigene Entlastung. Picek findet sich hier auf einer Linie mit Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO).

Felbermayr hatte für Haushalte eine Art Gutschrift für die Stromrechnung ins Spiel gebracht, der Rest müsse dann zu den hohen Marktpreisen gekauft werden, man könne da allerdings dann selbst Energie einsparen. Picek wünschte sich hierbei allerdings auch eine soziale Staffelung.

Es müsse einen gewissen Festpreis für Haushalte, die wenig Strom verbrauchen oder kleine Wohnungen haben, geben. „Aber wenn ich halt eben die Villa am Wörthersee besitze und dort die ganze Villa heize, dann soll ich natürlich den Marktpreis zahlen, vielleicht sogar mehr als den Marktpreis“, so Picek.

Kluge: Auf Verhältnismäßigkeit achten

Das wäre das falsche Signal, so indes Kluge von der Agenda Austria, denn durch eine staatliche Stützung würde der Anreiz, Energie zu sparen, verringert. Bei einem solchen Preisdeckel in der Stromrechnung grundsätzlich müsse man wie bei jeder Unterstützungsmaßnahme auf die Verhältnismäßigkeit achten, so Kluge im Ö1-Mittagsjournal weiter. An dem derzeitigen EU-Energiemarkt zu kratzen hält Kluge für wenig sinnvoll.

„Von diesem System jetzt grundsätzlich wegzukommen und sich jetzt einen ganz neuen Preisbildungsmechanismus am Strommarkt auszudenken ist, glaube ich, in der Krise, wo wir nicht so genau wissen, wie die kommenden Monate laufen, nicht die allerbeste Idee“, so der Ökonom.

Urbantschitsch zu Felbermayr-Vorschlag

Im ZIB2-Interview ging auch E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch auf Felbermayrs Vorschlag, wonach 80 Prozent des Letztjahresverbrauchs subventioniert werden könnten, ein: „Ich denke, hier könnte man in die Diskussion noch einbringen, dass man eine bestimmte Summe für jeden Haushalt hat, dass sich das aber nicht am letztjährigen Verbrauch bemisst, sondern eine Summe, die notwendig ist für einen Haushalt.“

Um die Preise für die Verbraucher im verkraftbaren Bereich zu halten, plädierte Urbantschitsch für europäische Lösungen. Die Preisdeckel in Spanien und Portugal etwa seien nur möglich, weil deren Stromnetz „relativ vom europäischen abgekoppelt“ sei. Bei einem Strompreisdeckel in Österreich ist die Energieregulierungsbehörde skeptisch.

E-Control-Chef Urbantschitsch zur Energiekrise

Die Energiepreise steigen, der Druck auf die Politik auch. In der ZIB2 ist Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control.

Geht es nach dem früheren E-Control-Vorstand Walter Boltz, dann sollte man aber nur jene Haushalte finanziell unterstützen, die sich höhere Energiekosten nicht leisten können. Sonst gäbe es Probleme, den Energieverbrauch zu senken – mehr dazu in wien.ORF.at.

WIFO-Chef skizziert Probleme bei Preisdeckel

WIFO-Chef Felbermayr hatte sich am Sonntag gegen einen klassischen Strompreisdeckel ausgesprochen. Ein solcher würde die Notwendigkeit, Energie einzusparen, konterkarieren, wie er in der ZIB2 Sonntagabend sagte. „Hohe Preise führen dazu, dass das Angebot steigt und die Nachfrage sinkt“, so der Wirtschaftsforscher. Eingriffe in den Markt kann sich Felbermayr aber sehr wohl vorstellen, etwa durch progressive Stromtarife und eine europaweite Subvention von Gasstrom.

Helfen gegen die Strompreisexplosion würde auch, Gas für die Stromerzeugung zu subventionieren, wie es in Spanien und Portugal passiert. Anders als auf der Iberischen Halbinsel, das ein eigenes Versorgungsnetz (vor allem via Gas aus Algerien, Anm.) hat, gehe das jedoch nur europaweit, so Felbermayr.

WIFO-Chef über Energiepreisdeckel

Was sagen die Wirtschaftsexpertinnen und -experten zum staatlichen Eingriff bei den Energiepreisen? WIFO-Chef Gabriel Felbermayr nimmt in der ZIB2 dazu Stellung.

„Kartell für Einkauf bilden“

„Wenn wir das in Österreich alleine machen würden, dann sinkt zwar zunächst einmal der Strompreis bei uns, aber der würde dann auch die Verbraucher, Industrie und Haushalte, zum Beispiel in Bayern oder in Italien, erfreuen. Und am Ende würde der österreichische Steuerzahler diese Subvention leisten für andere“, so der WIFO-Chef weiter.

Felbermayr sprach sich daher für eine gemeinsame Beschaffung aller EU-Staaten aus. Da könne man sich besser zusammenschließen. Mit diesem Kartell könnte man besser auf dem Markt auftreten und die Preise drücken. Felbermayr nannte die OPEC als Beispiel: So was wie die OPEC, aber nicht im Verkauf, sondern beim Einkauf, so der WIFO-Chef. Damit könne man nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen andere Gaslieferanten wie etwa Katar und die USA stärker auftreten.

Felbermayr bringt Freistrom-Idee ein

Felbermayr kann sich aber vorstellen, „dass die Haushalte alle ein gewisses Ausmaß an Strom als Freistrom bekommen, als eine Gutschrift“. Das würde die Preisexplosion abschwächen, ohne dass Sparanreize verloren gehen. Wenn sich z. B. der Strompreis verfünffache, und man bekomme etwa 80 Prozent seines Vorjahresverbrauchs als Gutschrift und zahlt für den Rest den Marktpreis. Dann habe sich insgesamt die Rechnung gar nicht erhöht.

Aber die hohen Preise, die man nicht subventioniert bekommt, die führten dazu, dass man sich durch das Einsparen besserstellen kann, so Felbermayr weiter. „Ob das jetzt 80 Prozent sein müssen, und wie man mit den großen Verbrauchern umgeht, da muss man sich genau überlegen, wie man das macht“, so Felbermayr weiter. „Die Idee wäre, die Stromrechnungen zu deckeln, aber die Preissignale bei den Haushalten ankommen zu lassen“, so Felbermayr.