Passagiergepäck am Flughafen Heathrow in London
Reuters/Henry Nicholls
Studie

Fliegen wird teurer und bleibt beschwerlich

Fliegen wird nicht nur teurer, es bleibt voraussichtlich weiter beschwerlich. Absagen von Flügen könnten zum Normalzustand in Europa werden, heißt es in einer Studie. Grund dafür sind spürbar gestiegene Kerosinpreise und eine anhaltende Personalmisere.

Auf den Flughäfen in Europa kommt es derzeit zu langen Warteschlangen, Verzögerungen und Tausenden Flugstreichungen. Grund ist vor allem ein Personalmangel – verstärkt bei den Bodendienstleistern, aber auch in der gesamten Luftfahrt. Die Branche räumte ein, in der Coronavirus-Pandemie mitunter zu viel gespart zu haben und ein zu ehrgeiziges Flugprogramm für den Sommer geplant zu haben.

Einer am Dienstag vorgestellten Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade zufolge müssen sich die Flugpassagiere auf anhaltend harte Zeiten einstellen. Seit Anfang 2022 seien die Kerosinkosten um 89 Prozent gestiegen und dürften weiter steigen, wie aus der Studie hervorgeht. Ferner seien Löhne und Gehälter für das Personal nach dem Treibstoff die zweitwichtigsten Kosten und machten bei den europäischen Airlines 25 Prozent ihres Umsatzes (weltweiter Durchschnitt: 19 Prozent) aus.

Ticketpreise deutlich höher

Die Ticketpreise seien bereits deutlich nach oben gesetzt worden, wie die Studie ergab. „Die Fluggesellschaften versuchen, die Verluste von zwei Jahren Coronavirus-Pandemie wettzumachen“, sagte der Allianz-Trade-Chef für den deutschsprachigen Raum, Milo Bogaerts. Man rechne für das Gesamtjahr mit einem durchschnittlichen Preisanstieg von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Zusammen mit dem höheren Passagieraufkommen sollten sich die Umsätze der Gesellschaften im Vergleich zum coronavirusgeprägten Vorjahr so mehr als verdoppeln, aber bei Weitem nicht ausreichen, um die Verluste seit 2020 auszugleichen. Die Rückkehr in die Gewinnzone sei bei den meisten Gesellschaften erst 2023 zu erwarten.

Wenige Anreize für Personalaufstockung

Im Gegensatz zu den verbrauchsabhängigen Kerosinkosten sind die Personalkosten bei den Unternehmen fix. Angesichts der Treibstoffpreise hätten die Fluggesellschaften derzeit wenig Anreize, ihr in der Krise kräftig abgebautes Personal wieder aufzustocken. Die Folgen liegen für Allianz Trade auf der Hand: „Flugstreichungen nehmen zu und trüben die Urlaubsfreude von Reisenden noch etwas länger.“

Monitor mit abgesagten Flügen
Reuters/Ritzau Scanpix
Flugabsagen könnten neue Normalität werden

Mittelfristig werde die Branche bei Europaverbindungen mehr Konkurrenz durch die umweltfreundlichere Bahn erhalten, erwarten die Autoren. Während die Entwicklung CO2-neutraler Flugantriebe noch lange dauern werde, fehle den hoch verschuldeten Fluggesellschaften auch Geld, um in der Zwischenzeit neue, sparsamere Maschinen zu kaufen. Die politische Vorgabe, zunehmend nachhaltige Kraftstoffe beizumischen, werde die Treibstoffkosten weiter in die Höhe treiben und die Gewinnmargen drücken.

Stundenlange Wartezeiten

Vor allem viele Flughäfen in Deutschland haben mitten in der Hauptreisezeit mit Problemen zu kämpfen. Das Abfertigungspersonal kann nach eigenen Angaben das Passagieraufkommen zu Spitzenzeiten derzeit nicht bewältigen. Deswegen streicht die AUA-Konzernmutter Lufthansa weitere Flüge. Betroffen seien rund 2.000 Verbindungen an den Drehkreuzen Frankfurt und München bis Ende August, sagte ein Unternehmenssprecher am Mittwoch. Es handelt sich bereits um dritte Welle von Flugabsagen der Lufthansa in diesem Sommer.

Auch in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden läuft es alles andere als rund. Mehr als 10.000 zusätzliche Kurzstreckenflüge sagte allein British Airways bis Ende Oktober ab. Der Londoner Flughafen Heathrow führte bis zum 11. September ein Limit von 100.000 Passagieren am Tag ein, um das Chaos zu bewältigen. Der Service sei phasenweise unter ein akzeptables Niveau gerutscht ist, sagte Airport-Chef John Holland-Kaye.

Auch in Frankreich zog der Flugverkehr stärker als erwartet an. Dadurch gelingt es insbesondere auf den Pariser Flughäfen nicht im erforderlichen Umfang, das während der Coronavirus-Krise reduzierte Bodenpersonal wieder einzustellen. Hinzu kommen Streiks der Beschäftigten für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, sowohl bei Airlines als zuletzt auch beim Bodenpersonal. Änlich ist die Situation auf dem niederländischen Flughafen Schiphol, obwohl der inzwischen die Löhne deutlich erhöht hat und sogar Boni zahlt.

Südliche Urlaubsländer mit weniger Problemen

In Südeuropa läuft der Betrieb auf den großen Airports deutlich besser, wie eine Umfrage der dpa zeigt. Die Flughäfen ächzen zwar auch dort unter den Touristenmassen, Warteschlangen und Verspätungen halten sich aber in Grenzen und sind in erster Linie auf Streiks des Bodenpersonals von Ryanair und easyJet sowie auf das Chaos auf Zubringerflughäfen zurückzuführen.

In Spanien etwa wurden während der Coronavirus-Pandemie weniger Menschen auf die Straße gesetzt. Auch Italien ermöglichte den Airports mit Finanzspritzen des Staates von insgesamt etwa 800 Millionen Euro, das Personal zu halten und den Betrieb am Boden zu garantieren. Griechenland und Zypern wiederum stellten für die wirtschaftlich so wichtige Touristensaison zeitig ausreichend Personal ein, wie es bei den Flughafenbetreibern hieß.

Sowohl die Sicherheitskontrollen als auch die Gepäckabfertigung liefen weitgehend normal. Probleme entstünden hauptsächlich durch die vielen verspäteten Flufzeuge aus Deutschland und Großbritannien und das dortige Chaos. Auch die Fluggesellschaft Turkish Airlines und ein Sprecher des Flughafens Istanbul berichteten von weitgehend reibungslosen Abläufen. Außerdem habe es bereits vor Beginn der Pandemie in der Türkei ein Überangebot an Personal gegeben.

Wien ohne nennenswerte Unregelmäßigkeiten

Der Flughafen Wien verzeichnet nach eigenen Angaben keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten im Sommerreiseverkehr. „Der Betrieb läuft weitgehend reibungslos“, sagte Airport-Sprecher Peter Kleemann. Der Flughafen habe dank der staatlichen Unterstützung während der Pandemie kein Personal abgebaut und sei für das aktuelle und zu erwartende Passagieraufkommen gut aufgestellt.

Anders als andere Airports betreibe der Flughafen Wien viele passagierrelevanten Prozesse selbst und mit eigenem Personal, etwa die Sicherheitskontrolle und den Großteil der Bodenabfertigung. Daher könne man die Abläufe und Kapazitäten selbst steuern.