Floridas Gouverneur Ron DeSantis
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Republikaner Ron DeSantis

„Trump mit Hirn“ vor Aufstieg in US-Politik

Ex-US-Präsident Donald Trump ist bemüht, Spekulationen über eine erneute Kandidatur bei der Wahl 2024 am Leben zu erhalten. Gleichzeitig enthüllt der Ausschuss zum Kapitol-Sturm Gegebenheiten, die ein Comeback zunehmend unwahrscheinlich machen. Daran, wer sich bei den Republikanern die größten Chancen ausrechnen kann, besteht wenig Zweifel: Ron DeSantis, konservativer Hardliner und Gouverneur von Florida. Die Rede ist von einem kompetenteren und intelligenteren „Trump 2.0“. Warnungen kursieren.

„Die Aussage der ehemaligen Beraterin im Weißen Haus, Cassidy Hutchinson, sollte das Ende der politischen Karriere des ehemaligen Präsidenten Donald Trump einläuten“, hieß es Ende Juni in einem Leitartikel des konservativen „Washington Examiner“ – ähnlich war der Tenor in vielen anderen Medien. „Trump ist ungeeignet, jemals wieder in die Nähe der Macht zu kommen.“ Hutchinson hatte vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol ausgesagt, dass Trump im Vorfeld regelrecht durchgedreht sei.

Trump hätte gewusst, dass sich ein Mob bewaffnet hatte, und dennoch verlangt, die Metalldetektoren zu entfernen. Und mit jeder Sitzung wird es für Trump enger: Erst diese Woche kam der Ausschuss zu der Auffassung, dass er gewaltbereite Anhänger gar „zu den Waffen“ gerufen hätte. Die Abgeordneten verwiesen dabei unter anderem auf einen Tweet des abgewählten Präsidenten vom 19. Dezember 2020, in dem er eine Kundgebung am 6. Jänner 2021 verkündete, bei der es „wild“ zugehen werde.

Zweifel an „sehr stabilem Genie“

Trump, der sich selbst einmal als „sehr stabiles Genie“ bezeichnet hatte, streitet die Vorwürfe vehement ab, doch der politische Schaden ist immens. „Trump ist eine Schande. Die Republikaner haben weitaus bessere Optionen für die Führung der Partei 2024“, schrieb der „Washington Examiner“. Wer die beste dieser „Optionen“ sein könnte, scheint bereits festzustehen: Ron DeSantis, 43-jähriger Gouverneur von Florida, der sich in der Partei zunehmender Beliebtheit erfreut.

Ex-US-Präsident Donald Trump und Floridas Gouverneur Ron DeSantis
Reuters/Tom Brenner
DeSantis und sein einstiger Förderer haben sich aktuell nicht mehr viel zu sagen

Erwarten „Trumpismus ohne Trump“

„Trump mit Hirn“ wird der derzeit aussichtsreichste Kandidat für die republikanische Präsidentschaftskandidatur in zwei Jahren genannt, in Kommentaren wird Bezug auf „Trumpismus ohne Trump“ genommen – und das aus guten Gründen. Seine Agenda und sein bisheriges Schaffen nehmen sich noch rechtskonservativer und härter aus als die jenes Mannes, dem er seinen Aufstieg zu verdanken hat.

Als sich DeSantis 2018 um den Gouverneursposten in Florida bewarb, sagte Trump ihm seine Unterstützung im Wahlkampf zu. Als zuvor in den Vorwahlen klar zurückgelegener Kandidat gewann DeSantis diese schließlich, später auch die Wahl zum Gouverneur. „Einmal im Amt emanzipierte er sich jedoch umgehend. Den Namen Trump führte er nach seiner Wahl kaum je im Munde. Normalerweise ist es Trump, der alles und jeden für seine Zwecke einspannt und die Leute fallen lässt", schrieb jüngst die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“). "In diesem Fall ist, was selten passiert, Trump selbst benutzt worden.“

„Jünger, klüger, dünner“

Rick Wilson, Autor des Buches „Everything Trump Touches Dies“, hielt gegenüber dem „Guardian“ fest, dass Trump schon unzählige Male abgeschrieben worden ist, um dann wieder ein Comeback hinzulegen. Aber mit einem Herausforderer wie DeSantis hatte er es laut Wilson noch nie zu tun. "DeSantis hat sehr sorgfältig eine Präsidentschaftskampagne für 2024 aufgebaut, um Donald Trump den Rang abzulaufen. Er sammelte Geld, baute Beziehungen auf, ließ insgeheim wissen: ‚Er ist verrückt, ich bin es nicht, ich bin jünger, ich bin klüger, ich bin dünner, ich sehe besser aus. Ich kann euch mehr bieten als der verrückte alte orangefarbene Typ.’“

Gouverneur von Florida Ron DeSantis verteilt MAGA-Kappen
Reuters/Tom Brenner
Als Wahlkampfhelfer Trumps, wie hier im Oktober 2020, wird DeSantis nicht mehr zu sehen sein

Mit Bildung und Arbeitsmoral

Von außen betrachtet lassen sich DeSantis Argumente kaum widerlegen: Anders als Trump stammt er aus einfachen Verhältnissen, studierte aber Geschichte und Rechtswissenschaft in Yale und Harvard. Außerdem diente er bei der US Navy und war ein Jahr lang im Irak stationiert – ein Atout in weiten Kreisen der Republikaner.

Und, wie der „New Yorker“ jüngst in einem langen und erhellenden Porträt schrieb: "Während Trump mit seiner trägen, clownesken Persönlichkeit einen grundlegenden Mangel an Ernsthaftigkeit vermittelt, verfügt DeSantis über eine hohe Arbeitsmoral, eine beeindruckende Intelligenz und ein tiefgreifendes Verständnis der Politik.“

„DeathSantis“ Kampf gegen Maskenpflicht

Viel Beifall in konservativen Kreisen erhielt auch die CoV-Politik von DeSantis: Der Lockdown in Florida währte nur kurz, rasch hob der Gouverneur alle Restriktionen auf und präsentierte den Bundesstaat als Hort der Freiheit. Das dortige öffentliche Leben lief bereits im Herbst 2020 fast wieder wie zu vorpandemischen Zeiten. Der Preis dafür war, dass der Bundesstaat eine vergleichsweise hohe Sterberate hatte und der Name „DeathSantis“ aufkam.

Eine Fahne mit Floridas Gouverneur Ron DeSantis
Reuters/Octavio Jones
DeSantis wird seit geraumer Zeit von konservativen Medien zu einem Politiker mit nationaler Strahlkraft aufgebaut

Doch DeSantis kämpfte weiter entschieden gegen eine Maskenpflicht, drohte sogar Schulen, die weiter auf einen Mund-Nasen-Schutz bestanden, mit einer Kürzung der Mittel. Er unterzeichnete zudem ein Gesetz, das die Masken- und Impfstoffpflicht für Unternehmen und Kommunalverwaltungen stark einschränkt.

Re­s­t­rik­tive Agenda gegen „Woke“-Ideologie

DeSantis weigert sich zu sagen, ob Präsident Joe Biden rechtmäßig gewählt wurde, und kritisiert die Anhörungen des Kapitol-Ausschusses – auch wenn ihm diese in die Hände spielt. Er hat eine Taskforce zur Überwachung von Wahlbetrug eingerichtet und in dieser Hinsicht auch ein Gesetz zur Einschränkung des Wahlrechts durchgesetzt, das von einem Bundesrichter weitgehend als verfassungswidrig eingestuft wurde. Ein von DeSantis unterstütztes „Anti-Aufruhr-Gesetz“, das als Reaktion auf die „Black Lives Matter“-Kundgebungen erging, wurde von einem anderen Bundesrichter wegen Verstoßes gegen den ersten Verfassungszusatz blockiert.

DeSantis unterzeichnete ein Gesetz, das sich offiziell „Parental Rights in Education bill“ nennt, von Kritikerinnen und Kritikern aber als „Don’t Say Gay“-Gesetz bezeichnet wird. Damit soll die Diskussion von Fragen zu Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung in öffentlichen Schulen eingeschränkt und der „Woke“-Diskussion Einhalt geboten werden.

Gouverneur von Florida Ron DeSantis
AP/Lynne Sladky
DeSantis sammelte Medienberichten zufolge bereits mehr als 100 Mio. Dollar während seiner Amtszeit in Florida ein

Der republikanische Trump-Kritiker Wilson hielt fest: „DeSantis hat in Florida enorme Macht angehäuft. Er hat der Legislative die Macht entzogen. Er versucht, unabhängigen Colleges und Universitäten die Macht zu entziehen und buchstäblich jede Institution in Florida von oben bis unten durch das Büro des Gouverneurs zu ersetzen. (…) DeSantis würde seine Exekutivgewalt als Präsident in einem Ausmaß einsetzen, das für das Land auf vielen Ebenen gefährlich wäre.“

„Wer ist der bessere Dieb?“

Auch in einem Kommentar der „Washington Post“ hieß es Anfang des Monats: „Nur weil DeSantis klüger ist als Trump, heißt das nicht, dass er weniger gefährlich ist. Tatsächlich könnte er genau aus diesem Grund eine noch größere Bedrohung darstellen.“ DeSantis würde als Präsident „Trump 2.0“ verkörpern – eine kompetentere und unbelastete Version, effizienter, rücksichtsloser und in der Lage, seine Agenda auch durchzusetzen.

Andere argumentieren, dass DeSantis schon allein deshalb vorzuziehen wäre, weil er im Gegensatz zu Trump die Grundlagen der amerikanischen Verfassung nicht bedrohen würde. Er möge seine Schwächen haben, doch würde er sich im Handlungsbereich eines populistischen Politikers bewegen. Der ehemalige Vorsitzende des Republikanischen Nationalkomitees, Michael Steele, sieht das skeptischer: „Wer ist der bessere Dieb: derjenige, der das Fenster einschlägt, um in Ihr Haus zu gelangen, oder derjenige, der das Schloss geschickt knackt? DeSantis weiß, wie man die Alarmanlage nicht auslöst.“