Polizist während der Demonstrationen in Sri Lanka
Reuters/Dinuka Liyanawatte
Präsident auf Malediven

Sri Lanka ruft Notstand aus

Nach der Flucht von Sri Lankas Staatschef Gotabaya Rajapaksa auf die Malediven ist der heftig kritisierte Premierminister Ranil Wickremesinghe übergangsweise zum Präsidenten ernannt worden. Ein Ende des Chaos ist nicht in Sicht: Wickremesinghe rief den landesweiten Notstand aus. Demonstrierende stürmten unterdessen seinen Amtssitz im Colombo.

„Der Premierminister hat als amtierender Präsident den (landesweiten) Notstand erklärt und in der Westprovinz eine Ausgangssperre verhängt“, so ein Sprecher des Premiers am Mittwoch. Ein hochrangiger Polizeibeamter verwies zur Begründung auf fortdauernde Proteste vor dem Sitz des Ministerpräsidenten. Die Polizei habe den Befehl, gegen die Demonstranten vorzugehen.

Parlamentspräsident Yapa Abeywardana sagte am Mittwoch in einer kurzen Fernsehansprache, dass Präsident Rajapaksa ihm wegen seiner Abwesenheit gesagt habe, dass er „gemäß der Verfassung den Ministerpräsidenten zum amtierenden Präsidenten ernannt hat“.

Generalstreik droht

Die Demonstrierenden wollten zuletzt mit aller Macht verhindern, dass Premier Wickremesinghe gemäß der Verfassung übergangsweise als amtierender Präsident übernimmt. Premier Wickremesinghe hatte sich am Wochenende eigentlich – wie auch Präsident Rajapaksa – zum Rücktritt bereiterklärt. Am 20. Juli will das Parlament einen neuen Staatschef wählen. Im Vorfeld wurde die Bildung einer Einheitsregierung versprochen.

Der Präsident von Sri Lanka, Gotabaya Rajapaksa
Reuters/Andy Buchanan
Präsident Gotabaya Rajapaksa setzte sich auf die Malediven ab

Die Demonstrierenden sehen in Wickremesinghe einen Verbündeten des Staatschefs und sind dagegen, dass er dessen Amt vorübergehend übernimmt. Für den Fall, dass er nicht aufgibt, drohten sie mit einem Generalstreik. Bereits vor der offiziellen Mitteilung, dass Wickremesinghe nun an der Spitze des Staates steht, stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge den Amtssitz des Ministerpräsidenten. „Geh nach Hause, Ranil! Geh nach Haus, Gota!“, riefen die Demonstranten. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Menge vor.

Jubel und Chaos

Die neuesten Ereignisse setzten sich in Gang, nachdem bekanntgeworden war, dass Präsident Rajapaksa das Land verlassen hat. Eine Militärmaschine mit dem 73-Jährigen und seiner Ehefrau an Bord landete am Mittwochmorgen auf dem Hauptstadtflughafen der Malediven in Male, wie die dortigen Behörden bestätigten.

Sri Lankas Luftwaffe teilte mit, ein Flugzeug bereitgestellt zu haben. Es wird vermutet, dass Rajapaksa mit der Ausreise als amtierender Präsident einer Festnahme entgehen wollte. Als Präsident genoss er Immunität, die er nach seinem Rücktritt verloren hätte. Er hatte das Amt Ende 2019 angetreten.

Demonstration vor dem Präsidentenpalast in Sri Lanka
AP/Eranga Jayawardena
Unter den Demonstrierenden sorgte die Nachricht über Rajapaskas Ausreise für Jubel

Nach Bekanntwerden der Ausreise von Rajapaksa versammelten sich zunächst Tausende Menschen auf den Straßen der Hauptstadt Colomobo. Es kam zu Jubel, auch flammende Protestreden wurden laut BBC gehalten. Einmal mehr wurde Stimmung gegen die Regierung gemacht.

Demonstrierende stürmten Präsidentenpalast

Am Wochenende hatte eine aufgebrachte Menschenmenge den Präsidentenpalast sowie ein Bürogebäude des Staatschefs gestürmt und besetzt. Die Demonstranten erstürmten nicht nur den Präsidentenpalast, sondern auch andere Amtssitze und Residenzen, machten Selfies im Privateigentum verscheuchter Politiker und ärgerten sich über den Luxus dort. Sie hatten auch die private Residenz von Premier Wickremesinghe in Brand gesteckt.

Demonstration im Präsidentenpalast in Sri Lanka
Reuters/Dinuka Liyanawatte
Demonstranten erstürmten neben dem Präsidentenpalast auch die Residenz Rajapaksas

Die Rajapaksa-Dynastie regierte Sri Lanka in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Neben dem Präsidenten waren seine Brüder Mahinda und Basil bis zu ihren Rücktritten im Frühjahr Premier- beziehungsweise Finanzminister. Ebenso hatten eine Reihe weiterer Mitglieder des Clans hohe Regierungsposten inne.

Mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 2015 und 2019 regierten die Rajapaksas seit 2005 das Land. Es überrascht daher nicht, dass zuletzt auch Basil Rajapaksa aus dem Land geflohen ist. Es wird spekuliert, dass sich dieser auf den Weg in die USA gemacht hat.

Sri Lanka leidet unter schwerer Wirtschaftskrise

Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen durchlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1948. Die Wut der Menschen speist sich unter anderem aus dem seit Monaten bestehenden Mangel an Treibstoff und Gas zum Kochen, aber auch aus fehlenden Medikamenten und Lebensmitteln.

Auch die hohe Inflation und stundenlange Stromausfälle sorgen für großen Unmut. Ein Grund dafür ist, dass Einnahmen aus dem wichtigen Tourismus im Zuge der Coronavirus-Pandemie eingebrochen sind. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.

Nach Präsidentenflucht: Palast besetzt

Nach der Flucht von Sri Lankas Staatschef Gotabaya Rajapaksa auf die Malediven sind Einheimische weiter in Scharen in den besetzen Präsidentenpalast geströmt. Nun wurde ein landesweiter Notstand ausgerufen. Der Inselstaat südlich von Indien durchlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1948.

Angesichts der Krise hat die Regierung unter anderem den Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie Indien, China, Russland und andere Länder um Hilfe gebeten. Das UNO-Nothilfebüro warnte im Juni, die schwere Wirtschaftskrise könne eine sich anbahnende Hungerkrise in Sri Lanka verschärfen. Das Land war zuvor zehn Jahre lang auf einem guten Entwicklungsweg und kam ohne humanitäre UNO-Hilfe aus.