Wolfgang Sobotka (ÖVP) beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Sobotka befragt

U-Ausschuss wurde selbst zum Thema

Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss hat am Mittwoch seinen Ausschussvorsitzenden befragt. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) musste in erster Linie Fragen zu seiner Zeit als Innenminister beantworten. Wenig überraschend standen Postenbesetzungen, Studien und Inserate auf der Tagesordnung – doch zu Beginn waren Vorgänge im U-Ausschuss selbst Thema.

Die Befragung von Sobotka startete mit einer Verspätung, weil die Abgeordneten mit dem Vorsitz und dem Verfahrensrichter über eine Causa sprechen mussten, die sich vor zwei Wochen im Zuge einer anderen Befragung zugetragen hatte. Die Diskussion war vertraulich, doch im Zuge der anschließenden Sobotka-Befragung machte Grünen-Mandatarin Nina Tomaselli die Sachlage, die bereits zuvor im Parlament ventiliert wurde, öffentlich. Sie zitierte aus einem Schreiben von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl an Sobotka.

Darin schilderte Pöschl, dass Verfahrensanwältin Barbara Weiß vergangene Woche bei einer Befragung ein von der SPÖ vorgelegtes Dokument mit persönlichen Daten Dritter an die ÖVP weitergegeben haben soll – obwohl die SPÖ noch versucht hatte, die versehentlich verteilten Papiere wieder einzusammeln, weil diese wegen geheimer Informationen nicht für die anderen Parteien bestimmt gewesen seien.

Wolfgang Sobotka (ÖVP) beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
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Sobotka dürfte mehrere Brillen besitzen, da er diese immer abgestimmt zur Farbe der Krawatte auswählt

Fragen nicht zulässig

Anstatt das Dokument an die SPÖ zurückzugeben, wurde dieses an die ÖVP übergeben, wie ein Referent des Verfahrensrichters während der Befragung bemerkt hatte. Damit habe die Verfahrensanwältin „die für ihre Funktion erforderliche Äquidistanz nicht eingehalten“, so Pöschl in seinem Schreiben. Gleichzeitig forderten er und seine Stellvertreterin, Christa Edwards, Konsequenzen.

In einer Reaktion an Sobotka rechtfertigte Weiß hingegen, dass es eine Frage der Fairness sei, dass alle Abgeordneten das Dokument einsehen könnten. Denn alle brauchten denselben Wissensstand, um ihre Fragen stellen zu können. Sie blieb bei ihrer Rechtsansicht. Außerdem, so die Juristin, hätte die SPÖ die Möglichkeit gehabt, für eine entsprechende Klassifizierung zu sorgen.

Gegenüber ORF.at betonten die Fraktionen und Pöschl, dass ihr von Ausschussmitgliedern der Rücktritt nahegelegt wurde. Da die Verfahrensordnung keine Abberufung bzw. Abwahl vorsieht, ist eben nur ein Verzicht möglich. Der Schritt ist bisher aber nicht erfolgt. Dass Weiß nochmals zu einer Befragung eingeladen wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich, wie es aus der Parlamentsdirektion gegenüber ORF.at hieß – gibt es doch noch einen Stellvertreter, der die Funktion auch bei der Sobotka-Befragung ausübte. Fragen zu dieser Causa wurden nicht zugelassen.

Keine „Freunderlwirtschaft“

Dafür wurde Nationalratspräsident Sobotka zu allen Causen, die in den vergangenen Monaten die Öffentlichkeit beschäftigt hatten, befragt. Wie erwartet war die Befragung von Debatten zur Geschäftsordnung und Stehungen (Beratungen ohne Medienöffentlichkeit) geprägt. Die ÖVP war gleich zu Beginn mit den Übersichtsfragen von Pöschl nicht ganz einverstanden und sorgte für die erste Stehung. Danach erfolgte gleich eine zweite Stehung wegen der Debatte um die Verfahrensanwältin. So ging es über die gesamte Befragung hinweg.

Dennoch zeigte sich Sobotka redselig und antwortete auf Fragen. So konzentrierte sich die Opposition hauptsächlich auf Inseraten-, Auftrags- und Postenvergaben im Innenministerium unter der Ägide von Sobotka, die sie als rein parteipolitisch motiviert ansieht. Dazu stand etwa die in Chats thematisierte „Interventionsliste“ des Innenressorts im Fokus. „Freunderlwirtschaft“ habe es unter seiner Amtszeit nicht gegeben, alle Bestellungen seien „lege artis“ erfolgt, sagte Sobotka.

Doris Bures (SPÖ) beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
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Weil Sobotka verhindert war, übernahm die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) den Vorsitz

Man habe sich bei Postenbesetzungen im Innenministerium immer an den Besetzungsvorschlag bzw. an die Reihung von den für Personal zuständigen Kommissionen gehalten. Dass es diverse Listen, in denen Wünsche und Begehren vermerkt wurden, gegeben habe, stellte er nicht in Abrede, er sagte allerdings, dass dahinter lediglich ein „Dienstleistungsgedanke“ gestanden sei. Sobotka wird in einer Causa bezüglich einer Postenbesetzung als Beschuldigter geführt – seines Wissens laufen die Ermittlungen noch, so die Auskunftsperson.

Mit Inseraten will Sobotka nichts zu tun gehabt haben

Anlass für das Verfahren ist eine Postenbesetzung aus dem Jahr 2017. Damals wurde die Stelle der Wiener Vizelandespolizeidirektion neu besetzt. Andrea Jelinek hatte sich für den Posten beworben, die ÖVP soll sie allerdings verhindert haben. Ein Chatverlauf, der am Handy von Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller gefunden wurde, hat die Ermittlungen ausgelöst. Von seinem Entschlagungsrecht machte Sobotka nicht Gebrauch, stritt aber den Vorwurf, mögliche Absprachen gegen Jelinek getroffen zu haben, ab.

Wolfgang Sobotka (ÖVP) beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
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Vor der kurzen U-Ausschussunterbrechung lauschten wieder mehr Medienvertreter der Befragung

Eine weitere Postenbesetzung – allerdings im Kabinett von Sobotka – betraf auch Katharina Nehammer, Ehefrau des heutigen Kanzlers Karl Nehammer (ÖVP). Die FPÖ wollte unter Verweis auf einen Zackzack-Artikel wissen, warum Sobotka Nehammer als Sprecherin holte, obwohl eine Sicherheitsprüfung im Außenressort, wo sie zuvor in der Zeit des damaligen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP) gearbeitet hatte, „nicht vorteilhaft“ ausgefallen sei. Sobotka habe dazu keine Wahrnehmungen, gehe aber davon aus, dass die spätere Anstellung im Innenministerium „ihre Richtigkeit“ gehabt habe.

Mit Studien und den in seiner Zeit geschalteten Inseraten (etwa im „Ybbstaler“) habe er nichts zu tun gehabt. Das sei im Aufgabenbereich der Öffentlichkeitsarbeit in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung gelegen. Dass eine ÖVP-nahe Kommunikationsabteilung in seiner Zeit zahlreiche Aufträge bekommen habe, rechtfertigte Sobotka damit, dass es eine Vielzahl an Agenturen gegeben habe, „das war nicht die einzige“.

Blümel-Akten zwei Tage später angenommen

Die SPÖ belebte einen Aufreger des „Ibiza“-U-Ausschusses wieder: die verspätete Aktenlieferung aus dem Finanzministerium unter dem damaligen Ressortchef Gernot Blümel (ÖVP). Dieser lieferte trotz eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zunächst gar nicht, dann zu hoch klassifiziert und am Ende laut Opposition zu wenig. Erst nach einer von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Auftrag gegebenen Exekution wurden die Akten vom Landesgericht für Strafsachen Wien ordnungsgemäß geliefert.

Wolfgang Sobotka (ÖVP) beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss
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Gut aufgelegt betrat Sobotka das Ausschusslokal, in der Befragung war er konzentriert

Dennoch fand die SPÖ nun ein weiteres Detail: Sobotka soll zwei Tage vor der endgültigen Aktenlieferung einen USB-Stick des Gerichts, auf dem die Akten gespeichert waren, „verweigert“ haben. So seien dem U-Ausschuss die geforderten Unterlagen weitere 48 Stunden vorenthalten worden. Sobotka ließ diesen Vorwurf nicht gelten. Wegen der mangelnden Klassifizierung habe es eine „Klärung zwischen dem Landesgericht und der Parlamentsdirektion“ gegeben, betonte der Nationalratspräsident.

Sobotka im ÖVP-U-Ausschuss

Am Mittwoch ist Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss befragt worden. Neben den bekannten Themen wurde der U-Ausschuss selbst zum Thema.

Die Stelle, die die Akten übermittelt, müsse die Geheimhaltungsstufen definieren, nicht die annehmende Stelle, so Sobotka sinngemäß. Nach einem Gespräch mit Van der Bellen wurde eine Übereinkunft getroffen. Die Akten wurden ohne Klassifizierung zwei Tage später angenommen. Sobotka sprach von einem „gemeinsamen Gesprächsergebnis“, die SPÖ nannte den Vorgang „Verzögerung“, weil „zwei wertvolle Tage verloren gegangen sind“, so Fraktionschef Kai Jan Krainer. Die Auskunftsperson widersprach Krainers Ausführungen.