Die Kindeswohlkommission – die vor allem den Stellenwert von Kinderrechten im Bereich Asyl- und Bleiberecht untersucht hat – legte vor einem Jahr ihren Abschlussbericht vor. Viele darin enthaltenen Empfehlungen sind aber noch immer nicht umgesetzt, wie die Vorsitzende der Kommission, die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), Irmgard Griss, heute beklagte. Griss ist nun Teil des von ihr und einigen Mitgliedern gegründeten Bündnisses „Gemeinsam für Kinderrechte“.
Das Berichtsjahresjubiläum ist für deren Proponenten offenbar kein großer Grund zum Feiern. Denn tatsächlich realisiert wurde wenig, wie Griss in einer Pressekonferenz sagte.
Manches ist laut Griss auch nicht in der gewünschten Form Wirklichkeit geworden – etwa die Schulungen für Richterinnen und Richter. Diese könnten sich nun freiwillig im Rahmen von Fortbildungen mit der Materie beschäftigen. Die Kommission habe aber verpflichtende Kurse empfohlen.
Erfreut zeigte sie sich darüber, dass es nun auch für Kindeswohlprüfungen und Kinderrechte Ansprechrichterinnen bzw. -richter gebe. Auch den vor wenigen Tagen vom Justizministerium veröffentlichten Leitfaden für Bundesverwaltungsgericht lobte sie.
Keine Änderung bei Asylgesetzgebung
Anderes sorgt hingegen für wenig Begeisterung. So wurde etwa gefordert, dass das Kindeswohl eine wesentlichere Rolle in der Asylgesetzgebung erhalten solle. Hier kenne sie jedoch keine entsprechenden Initiativen: „Mir ist nichts bekannt.“ Auch in der Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge würden Lücken klaffen – da es diese ab dem ersten Tag aktuell nur in Tirol gebe. Gespräche über eine bundesweite Lösung würden stocken.
Bei Abschiebungen gebe es weiter eine oft nicht kindgerechte Behandlung der Betroffenen, bemängelte sie. Griss wiederholte die Forderung, Abschiebungen während des Schuljahres jedenfalls zu vermeiden. Das Bündnis bekräftigt generell die Empfehlung, bei Verfahren mehr auf das Umfeld der Personen einzugehen und diese vor allem anzuhören.
Griss will ständiges Kinderrechtemonitoring
Besonders wichtig wäre laut Griss: „Es muss ein ständiges Kinderrechtemonitoring geben.“ Dabei solle es sich um eine Anlaufstelle für alle Fragen des Kindeswohls handeln – nicht notwendig nur für den Asylbereich. Die Stelle solle auch mit einem eigenen Budget ausgestattet werden.
Dass etwa das Innenministerium betont, man habe schon zahlreiche Empfehlungen umgesetzt, sorgt bei den Bündnismitgliedern insofern für Unmut, weil eine konkrete Auskunft darüber vermisst wird. Die Richtlinien seien nur für den internen Gebrauch, sei ihr von dort beschieden worden, berichtete Griss.
SPÖ mit scharfer Kritik
„Kinderrechte sind der türkis-grünen Regierung lästig. Anders kann man die nur zögerliche bis verweigernde Haltung der Regierung zu den Empfehlungen der Kindeswohlkommission nicht bewerten“, so SPÖ-Kinder- und Jugendsprecherin Eva-Maria Holzleitner in einer Reaktion.
Ins selbe Horn stieß auch die Bundesjugendvertretung. Deren Vorsitzende Fiona Herzog verwies via Aussendung darauf, dass Verstöße gegen das Kindeswohl besonders schwerwiegend seien: „Junge Menschen haben weniger Möglichkeiten, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren, und sind stärker verwundbar.“