Gemälde von Gregor Mendel
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Gregor Mendel 200

Der Priester und die Erbse

Gregor Johann Mendel, Priester und Forscher in Brünn, hat Erbsensamen gekreuzt und die Gene entdeckt. Mit den Mendel’schen Regeln legte er den Grundstein für die moderne Genetik. Sein Vermächtnis prägt die medizinische Genetik bis heute: So haben Menschen die Möglichkeit, ihr Risiko für erblichen Krebs zu bestimmen – und zu handeln. Am 20. Juli wäre Mendel 200 Jahre alt geworden.

Geboren wurde Mendel in Heinzendorf bei Odrau, das im heutigen Tschechien liegt. Nach seinem Schulabschluss studierte er zwei Jahre an der Universität Olmütz Philosophie, aus finanziellen Gründen musste er die Ausbildung aber abbrechen. Im Oktober 1843 trat Mendel in das Augustinerkloster St. Thomas in Brünn ein. Hier wurde ihm der Ordensname Gregor verliehen.

Von der seelsorgerischen Tätigkeit wurde Mendel befreit – laut Aufzeichnungen seines Abts war er „zu zart besaitet“. So konnte sich Mendel seinen vielseitigen wissenschaftlichen Interessen widmen: Als außerordentlicher Hörer studierte er von 1851 bis 1853 an der Universität Wien und besuchte Lehrveranstaltungen in Physik, Chemie, Mathematik und Biologie, unter anderem beim österreichischen Botaniker und Pflanzenphysiologen Franz Unger. Damals lebte Mendel im dritten Wiener Gemeindebezirk, in der Invalidenstraße 13.

Der Garten von Gregor Mendels Anwesen in Brno.
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Der Garten des Augustinerklosters St. Thomas in Brünn war Mendels Versuchslabor für seine Kreuzungsexperimente

Warum Mendel die Erbse wählte

Ab 1856 widmete sich Mendel im Garten des Klosters den Kreuzungsexperimenten an Gartenerbsen, später auch an anderen Pflanzen und sogar Bienenarten. Warum sich die Erbse für die Erforschung der Vererbungsregeln eignet, erklärt der Biologe Johann Vollmann vom Institut für Pflanzenzüchtung der BOKU Wien: „Mendel hatte über 30 verschiedene Sorten gesammelt, die zum Beispiel rot oder weiß blühten, hochwüchsig waren oder kurze, runde oder runzelige Samen enthielten oder sich in der Form der Hülse unterschieden“, erklärt Vollmann.

Diese Merkmalsunterschiede waren für Mendel wichtig, um das zu untersuchen, was er wollte, „nämlich die Informationsübertragung der biologischen Information – für rot oder weiß – von einer Generation auf die nächste“, so Vollmann. Außerdem hätten Erbsen große Blüten, die sich leicht öffnen ließen für die Übertragung von Pollen, etwa von der Vaterpflanze auf die Mutterpflanze.

Mendelsches Gesetz: Kreuzung bei Dominanz (Schematische Darstellung)
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Mendel untersuchte an der Gartenerbse die Vererbung von Merkmalen von einer Generation zur nächsten

Entdeckung der Gene

Die Ergebnisse von Mendels Kreuzungsversuchen erklärt der Humangenetiker Markus Hengstschläger: „Mendel hatte zwei große Erkenntnisse. Erstens, dass Merkmale nicht zufällig, sondern nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten vererbt werden. Und, dass nicht die Merkmale selbst, sondern bestimmte Anlagen, die Gene, zur Ausbildung von Merkmalen von Generation zu Generation vererbt werden“, so Hengstschläger und fügt hinzu: „Nur kannte Mendel das Wort Gene nicht einmal.“ Was Hengstschläger an Mendel fasziniert, ist, „dass er mit relativ einfachen Methoden und mit seiner Interpretation zu so bedeutenden Schlüssen gekommen ist“.

Mendel wurde 1867 zum Abt des Stiftes St. Thomas in Brünn gewählt. Im Frühjahr 1883 erkrankte er an einem Nierenleiden und starb am 6. Jänner 1884 im Alter von 61 Jahren in Brünn. Er wurde in der Augustinergruft am Brünner Zentralfriedhof bestattet. Vergangenes Jahr wurden seine sterblichen Überreste von einem Forschungsteam um die Genetikerin Sarka Pospisilova untersucht.

Vermächtnis in der modernen Genetik

Die Mendelschen Regeln wirken bis heute in der medizinischen Genetik. Mendel habe ein „Fass aufgemacht“, wie man in die Gesundheit und Fortpflanzung eingreifen könne, sagt der Gynäkologe Christian Singer zu ORF.at. Am AKH Wien forscht Singer zu genetisch bedingtem Brust- und Eierstockkrebs. Genetische Erkrankungen würden nach dem Prinzip der Mendelschen Regeln vererbt werden, so Singer und nennt einen weiteren Grund, weshalb die Gesetze für die medizinische Diagnostik von Bedeutung sind: „Aufgrund von genetischen Defekten können wir herausfinden, ob eine Person ein erhöhtes Risiko hat, an Krebs zu erkranken.“

Genmutationen

Nach Angaben von Singer sind für einen Großteil aller erblichen Fälle von Brustkrebs- und Eierstockkrebs Genmutationen der Gene BRCA1 und BRCA2 verantwortlich, es gibt aber noch weitere „Risikogene“, die derzeit erforscht werden.

Mutationen in den Genen können das Krebsrisiko bei beiden Geschlechtern erhöhen, Frauen allerdings sind besonders betroffen: Nach Angaben der MedUni Wien erkranken Frauen mit einer dieser Mutationen mit etwa 78-prozentiger Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs und mit etwa 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit an Eierstockkrebs. Schätzungen zufolge hat eine von 400 bis 700 Frauen in Österreich eine solche Mutation.

Leben mit genetischem Risiko

Wenn in einer Familie Fälle von Brustkrebs und/oder Eierstockkrebs häufig auftreten, stellt sich für die erkrankten, aber auch für die gesunden Familienmitglieder die Frage, ob sie die Anlage zu diesen Erkrankungen geerbt haben. Anhand einer genetischen Untersuchung auf diese Mutation kann das Krebsrisiko bestimmt werden. Eine umfassende Beratung hilft bei der Einschätzung des Risikos, erklärt Singer. Nicole Preiss hat eine BRCA1-Genmutation von ihrer Mutter geerbt und sich für einen Gentest entschieden. Im Video teilt sie ihre Erfahrung und wie sie mit dem Testergebnis umgegangen ist.

Nicole Preiss hat die BRCA1-Genmutation geerbt und teilt ihre Erfahrung mit dem Gentest.

Das Wissen, mit hoher Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, kann für Betroffene aber auch psychisch belastend sein. Wenn eine Genveränderung festgestellt wurde, hat jedes Kind eine etwa 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, das veränderte Gen geerbt zu haben.

Singer sagt im Gespräch: „Ich sage den Frauen immer, die zu mir kommen und die mich fragen, ob sie Kinder bekommen sollen oder lieber nicht, dass sie selbst doch schließlich auch trotz ihrer Prädisposition eine gute Kindheit gehabt hätten. Am Ende sei es immer eine Entscheidung von der Frau oder dem Mann, wie sie damit umgehen“, so der Experte.

Fortschritt wirft ethische Fragen auf

Der technologische Fortschritt in der Gentechnik bringt auch ethische Fragestellungen mit sich. Molekularbiologische Methoden, die Veränderungen im Erbgut von Lebewesen ermöglichen, werden unter dem Begriff „Genome-Editing“ zusammengefasst. Die Genschere CRISPR/Cas9 ist eine der umstrittensten Technologien der vergangenen Jahre, ihre Anwendung wird aktuell diskutiert. Mit der Genschere kann das Erbgut gezielt verändert werden – in menschlichen, tierischen und pflanzlichen Zellen.

Singer sagt zu ORF.at: „Das ist ein substanzieller Eingriff in das Erbgut, der für alle nachkommenden Generationen Auswirkungen hat." Technisch sei vieles möglich, aber die Anwendung bedarf einer ausführlichen ethischen Diskussion“, so Singer und fügt hinzu: „Machbar ist vieles, die Frage ist: Was tun wir damit?“