Herzförmiger Ballon in Regenbogenfarben vor dem Parlament in Budapest
Reuters/Marton Monus
LGBTQ und Medien

EU klagt Ungarn gleich zweimal

Die EU-Kommission klagt Ungarn gleich zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Brüsseler Behörde sieht die Minderheitenrechte sowie die Medienfreiheit in dem Land verletzt. Zum einen geht es um ein Anti-LGBTQ-Gesetz, zum anderen um den Entzug der Sendelizenz für den Sender Klubradio.

Das Anti-LGBTQIA-Gesetz trat im Juli 2021 in Kraft. Es verbietet Publikationen, die Kindern zugänglich sind und nicht heterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.

Bereits einen Monat nach dem Inkrafttreten des Gesetzes leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. „Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen damals. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte machte deutlich, dass er für Ungarn keinen Platz mehr in der EU sieht, wenn die Regierung in Budapest so weitermacht.

Diskrimierung von Minderheiten

Der rechtsnationale Regierungschef Viktor Orban wies jede Kritik an den neuen Regeln zurück und behauptete, er verteidige vielmehr die Rechte von Homosexuellen. Die regierende FIDESZ-Partei sieht die Entscheidung über LGBTQ-Rechte als Sache einzelner Länder an. Das Gesetz solle Kinder schützen, nicht die Community angreifen.

Die EU-Kommission ist jedoch vielmehr der Ansicht, dass das Gesetz unter anderem Minderheiten auf Grundlage ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminiert sowie gegen Grundrechte und EU-Werte verstößt. Deshalb leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. Budapest räumte die Bedenken derweil jedoch nicht aus.

Entzogene Sendelizenz für Klubradio

Gleiches gilt für das Vorgehen gegen Klubradio, den wohl letzten professionellen unabhängigen Radiosender des Landes. Der Sender musste im Februar 2021 den UKW-Sendebetrieb einstellen, weil die regierungsabhängige Medienbehörde die Sendelizenz nicht verlängert hatte. Seit dem Amtsantritt von Orban 2010 war der private Sender regelmäßig Repressionen seitens der Medienbehörde ausgesetzt. Unter anderen durfte er vor dem Lizenzentzug nur noch im Großraum Budapest senden.

EU-Kommission klagt Ungarn

Die EU-Kommission reicht beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen Ungarn ein – und zwar wegen Verletzung der Minderheitenrechte und der Medienfreiheit.

Derzeit verbreitet Klubradio sein Programm nur noch über das Internet – allerdings mit deutlich geringerer Reichweite. Die EU-Kommission begründete die EuGH-Klage am Freitag damit, dass Ungarn die Regeln zur Verlängerung der Sendefrequenz in einer unangemessenen und diskriminierenden Weise angewendet habe.

Ungarn drohen hohe Geldstrafen

Die EU-Kommission überwacht die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Staatengemeinschaft. Sollte Ungarn sich nicht an die nun zu erwartenden EuGH-Urteile halten, drohen hohe Geldstrafen. Kritiker werfen Orban schon lange vor, neben den Rechten von Minderheiten auch demokratische Institutionen und die Pressefreiheit auszuhöhlen, sich die Justiz Untertan gemacht zu haben und Ressentiments gegen Ausländer zu schüren.

Vertragsverletzungsverfahren wegen Tankrabatts

Außerdem leitete die EU-Kommission am Freitag ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Benachteiligung von Haltern von Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen an Tankstellen ein. Diese sind von staatlichen Zuschüssen auf Sprit ausgeschlossen. Der Kommission zufolge zahlen Halter ungarischer Fahrzeuge dadurch um 60 bis 70 Prozent weniger an den Tankstellen. Die Orban-Regierung hatte den Rabatt vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise eingeführt.

Die Kommission rief Ungarn dazu auf, sich an die Regeln für den freien Verkehr von Waren und Personen innerhalb der EU zu halten, auch in Bezug auf Verkehrsdienstleistungen. Besonders in der gegenwärtigen Situation sei es wichtig, dass der Binnenmarkt funktioniere, um die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine für die Wirtschaft abzufedern. Einzelgänge auf nationaler Ebene und diskriminierende Regeln seien keine Lösung, hieß es.