Passaggiere warten auf Züge
APA/AFP/Justin Tallis
Großbritannien

Extremhitze legt Bahnverkehr lahm

Die Hitzewelle, die weite Teile West- und Mitteleuropas erfasst hat, breitet sich zunehmend nach Norden aus. Großbritannien verzeichnete von Montag auf Dienstag die heißeste Nacht seit Beginn der Aufzeichnungen. Die extremen Temperaturen setzen der Infrastruktur zu, Bahn- und Flugverkehr mussten mancherorts ausgesetzt werden. In den Niederlanden werden Straßen und Brücken mit Wasser und Streusalz gekühlt.

Wie der TV-Sender Sky News Dienstagmittag meldete, ist auch der bisherige Tageshöchstwert in Großbritannien eingestellt worden. In Charlwood in Surrey wurden laut Sky 39,1 Grad Celsius gemessen. Der bisherige Temperaturhöchstwert in Großbritannien lag bei 38,7 Grad und wurde 2019 in Cambridge gemessen. Erwartet wird, dass der in Surrey gemessene Spitzenwert noch am Dienstag übertroffen wird. Laut Prognosen könnten die Temperaturen mancherorts auf bis zu 42 Grad steigen.

„Wir werden wahrscheinlich den heißesten Tag erleben, der jemals aufgezeichnet wurde“, sagte Transportminister Grant Shapps. Die Regierung in London hat angesichts der Hitze den Notstand ausgerufen. Der britische Wetterdienst Met Office hatte Ende vergangener Woche erstmals eine rote Wetterwarnung wegen Hitze ausgegeben.

Hitze und Brände in Europa

Nach der andauernden Hitzewelle kämpfen die Feuerwehren im Süden Europas mit Waldbränden. Tausende Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Ausfälle im Bahnverkehr, Landebahnen „geschmolzen“

Extreme Temperaturen legten am Dienstag den Bahnverkehr in Teilen Großbritanniens lahm. Wie der Streckennetzbetreiber Network Rail mitteilte, wurde der Betrieb auf den Hauptbahntrassen entlang der englischen Ostküste und in die Midlands komplett eingestellt. Die Menschen wurden aufgerufen, ihre Reisepläne zu ändern.

„Wir treffen diese Entscheidungen nicht leichtfertig. Unsere Techniker arbeiten sehr hart daran, die Infrastruktur auf ihre Widerstandsfähigkeit angesichts dieser Rekordhitze zu prüfen, und wir haben beschlossen, dass wir keine andere Wahl hatten, als sie zu sperren“, so der zuständige Network-Rail-Manager Jake Kelly zur BBC.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Erhebliche Störungen gab es auch im Flughafen Luton nördlich von London. Durch die hohen Temperaturen sei die Oberfläche des Rollfeldes beschädigt worden, teilte der Flughafen am Montag mit. Mehrere Flüge mussten gestrichen oder umgeleitet werden. Sky News zufolge soll auch der Militärflughafen Brize Norton am Montag Flüge ausgesetzt haben. Die Landebahn sei „geschmolzen“, sagte eine Militärquelle dem Sender.

Französische Region schränkt Autoverkehr ein

Verkehrseinschränkungen löste das Wetter auch in Frankreich aus. Wegen einer durch Sonne und Hitze verursachten Luftverschmutzung verhängte die Region Grand Est im Osten des Landes Einschränkungen für Autofahrerinnen und Autofahrer. Zu den Maßnahmen zählt eine Temporeduzierung um 20 Stundenkilometer auf Autobahnen und Straßen mit zwei Richtungsfahrbahnen.

Kinder kühlen sich in Brunnen ab, Nizza, Frankreich
Reuters/Eric Gaillard
Nicht nur in Nizza in Südfrankreich suchen die Menschen nach Abkühlung – auch der Nordosten des Landes ist von Hitze betroffen

Angesichts sehr hoher Temperaturen und einer großen Waldbrandgefahr wegen der Trockenheit sind die Menschen in Deutschland zu besonderer Vorsicht aufgerufen. In der Westhälfte Deutschlands kann am Dienstag die 40-Grad-Marke überschritten werden. Der Hitzeschwerpunkt liegt dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge im Bereich vom Saarland über Rheinland-Pfalz bis nach Nordrhein-Westfalen, besonders betroffen seien tiefe Lagen am Rhein und Ballungsräume wie das Ruhrgebiet.

NL: Straßen werden mit Streusalz gekühlt

In den Niederlanden erwartete der Wetterdienst am Dienstag Höchsttemperaturen von mehr als 40 Grad. Es gilt „Code Oranje“: Das heißt, Menschen sollen körperliche Anstrengungen vermeiden, viel trinken und möglichst nicht in die Sonne gehen. Eigentlich sollte Europas größtes Wanderereignis – die „Vierdaagse“ von Nimwegen – am Dienstag starten. Doch der erste Tag des vier Tage dauernden Wandermarathons von täglich mehr als 50 Kilometern wurde mit Blick auf die hohen Temperaturen gestrichen.

Wegen der Hitze liefert die größte niederländische Supermarktkette Albert Heijn keine Einkäufe mehr aus. Bei erwarteten Höchsttemperaturen von bis zu 40 Grad sei es nicht zu verantworten, die Fahrerinnen und Fahrer auf die Straße zu schicken, teilte das Unternehmen mit.

Wegen der hohen Temperaturen müssen außerdem viele Straßen und Brücken gekühlt werden. Ein ungewohntes Bild bei der Rekordhitze sind Streuwagen auf den Straßen. Das Salz aber wird nicht wegen Glätte gestreut, sondern um den Asphalt zu kühlen, teilte etwa die Kommune Hardenberg mit. Das Salz entzieht der Luft Feuchtigkeit, und diese wiederum kühlt den Asphalt ab. Auf diese Weise sollen Schäden und das Kleben der Straßenoberfläche verhindert werden. In Amsterdam wurden die beweglichen Brücken extra mit Wasser gekühlt.

Person sprüht Wasser auf Straße in Amsterdam
APA/AFP/Anp/Ramon van Flymen
In den Niederlanden werden Straßen mit Wasser und Streusalz gekühlt

Hohe Waldbrandgefahr

In Italien sind von hohen Temperaturen und schwüler Luft unter anderem Bozen, Brescia, Florenz und Perugia betroffen. Zudem sind die Feuerwehren weiter in Alarmbereitschaft und kämpfen landesweit gegen Wald- und Buschbrände. Der Zivilschutz auf Sizilien sprach für Dienstag in einigen Gegenden die höchste Gefahrenstufe für Waldbrände aus. Auch für Teile Deutschlands war das am Dienstag der Fall.

Grafik zur Waldbrandgefahr
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EFFIS

Weiterhin brannte es auch in Teilen Spaniens, Portugals und Frankreichs. Die seit etwa zehn Tagen wütenden Brände zerstörten in Spanien bisher nach amtlichen Schätzungen insgesamt 25.000 Hektar Wald sowie Dutzende Häuser, Geschäfte und Fabriken. Hier gab es aber eine gute Nachricht: Die Hitzewelle, die Spanien schon seit dem 9. Juli im Griff hat, werde am Dienstag zu Ende gehen, versicherte der dortige Wetterdienst AEMET. Auch im Westteil Frankreichs dürfte es gebietsweise abkühlen.

Die EU will angesichts der Häufung von Waldbränden Löschflugzeuge kaufen. Es würden Gespräche mit mehreren Herstellern geführt, sagte EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarcic. „Die Flugzeuge werden von den Mitgliedsstaaten beschafft, aber zu 100 Prozent von der Europäischen Union finanziert.“ Welche Hersteller beauftragt werden, sagte Lenarcic nicht, da die Verträge noch nicht unterschrieben sind. Derzeit koordiniert und finanziert die EU den Einsatz von zwölf Löschflugzeugen sowie einem Hubschrauber, die von den Mitgliedsstaaten eingesetzt werden können.

Italiens Landwirtschaft geht das Wasser aus

Wegen einer seit Monaten anhaltenden Trockenheit in Norditalien wird Wasser für die Landwirtschaft zur Mangelware. „Leider haben wir eine solche Dürre erreicht, dass das Wasser für die Landwirtschaft knapp wird“, sagte Attilio Fontana, Präsident der Region Lombardei. „Der Lago Maggiore, der Gardasee und der Comer See verfügen über Wasserreserven, die eine landwirtschaftliche Nutzung noch für einige Tage ermöglichen. Die Situation ist sehr besorgniserregend: Wenn es in den nächsten Tagen nicht regnet, wird es schwierig sein, Wasserressourcen für die Landwirtschaft zu finden“, so Fontana.

EU-Klimadienst warnt vor Ozonbelastung

Der EU-Klimawandeldienst Copernicus warnte indes vor einer gesundheitsschädlich hohen Ozonbelastung. In den derzeitigen extrem heißen Tagen könne es auch im Nordwesten Europas zu Ozonwerten kommen, die als gefährlich für die Gesundheit gelten, hieß es in einer Mitteilung. In Südeuropa – etwa Portugal, Spanien und Italien – seien kürzlich bereits Werte von mehr als 200 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen worden. Das gilt als deutlich zu hoch für Menschen und Umwelt.