Italiens Premierminister Minister Mario Draghi
Reuters/Guglielmo Mangiapane
„Vertrauenspakt“

Draghi will bleiben – unter Bedingungen

Italiens Premier Mario Draghi strebt eine Fortsetzung seiner bisherigen Regierung an – unter Bedingungen: Als Voraussetzung forderte er am Mittwoch in einer Rede vor dem Senat in Rom einen neuen „Vertrauenspakt“ unter den Parteien. Das sei der „einzige Weg, um zusammenzubleiben“, sagte er. Am Abend ist im Senat eine Vertrauensabstimmung über Draghis Regierung angesetzt.

Vergangene Woche hatte die bisher an der Mehrheit hinter Draghi beteiligte Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) eine Regierungskrise ausgelöst, indem sie ein Vertrauensvotum für Draghi boykottierte. Draghi überstand zwar die Abstimmung, reichte aber seinen Rücktritt ein, weil er die Einheitsregierung ohne Unterstützung der M5S nicht weiterführen wolle. Staatspräsident Sergio Mattarella wies das Rücktrittsgesuch allerdings ab.

In seiner Rede am Mittwoch äußerte Draghi harsche Kritik an den politischen Parteien. Italien brauche nicht nur ein „Scheinvertrauen“ in die Regierung. „Sind Sie bereit, die Anstrengungen zu bestätigen, die Sie in den ersten Monaten unternommen und dann abgeschwächt haben?“, fragte der parteilose Ökonom die Abgeordneten. Er ergänzte: „Die Antwort auf diese Frage müssen Sie nicht mir geben, sondern allen Italienern.“

Draghi betonte „noch nie da gewesene Unterstützung“

Der Premierminister hob vor dem Senat die Mobilisierung seitens Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Wirtschaftsfachleuten und der Bevölkerung für den Amtsverbleib der Regierung hervor und sprach von einer „noch nie da gewesenen Unterstützung“. Laut Umfragen steht auch die Mehrheit der Italienerinnen und Italiener weiterhin hinter dem 74-Jährigen, dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).

Italiens Premierminister Mario Draghihält Rede im Senat
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Mittwochabend steht im Senat eine Vertrauensabstimmung über Draghis Regierung an

Italien sei stark, wenn es geschlossen sei. Den bisherigen Zusammenhalt der Mehrparteienkoalition, die ihn bisher unterstützt habe, bezeichnete er im Senat als „Wunder“, auf das er stolz sei. Draghi sagte, die Bedingungen für den Erhalt der bisherigen Koalition seien vorhanden, wenn die Parteien Einigkeit demonstrierten. Um im Amt zu bleiben, benötigt der Regierungschef neben einer Mehrheit im Senat auch die Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Die Abstimmung dort soll am Donnerstag stattfinden.

Komplizierte Ausgangslage

Der M5S-Vorsitzende und frühere Regierungschef Giuseppe Conte hatte im Vorfeld verlangt, dass die Prioritäten seiner Partei – insbesondere ein landesweit gültiger Mindestlohn – berücksichtigt werden. Draghi ging in seiner Rede am Mittwoch direkt auf diese Forderung ein. Er sagte, die Regierung müsse sich „in diese Richtung bewegen, gemeinsam mit den Sozialpartnern“. Zudem verteidigte Draghi die unter der ersten von Conte geleiteten Regierung eingeführte und von der M5S verteidigte Mindestsicherung als „wichtig zur Armutsbekämpfung, auch wenn sie verbessert werden muss“.

Grafik zur Sitzverteilung im italienischen Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Corriere della Sera/Parlament

In italienischen Medien waren zuletzt Spekulationen aufgekommen, dass der ehemalige EZB-Chef im Amt bleiben wolle, falls ihn ausreichend viele Fünf-Sterne-Abgeordnete unterstützen sollten. Und das auch, falls deren Parteichef Conte ihm die Gefolgschaft verweigern würde. Die Bewegung ist innerlich zerstritten. Außenminister Luigi Di Maio trat jüngst aus der Partei aus und will seine eigene Liste gründen.

Allerdings erschien die Lage für Draghi zuletzt kompliziert: So schlossen die Konservativen eine weitere Regierungsbeteiligung aus, sollte die Fünf-Sterne-Bewegung daran beteiligt bleiben. Eine Alternative zur Fortsetzung der Koalition wäre aus Sicht der konservativen Forza Italia und der rechtspopulistischen Lega eine Neuwahl im Herbst.

Regulär endet die Legislaturperiode erst nächstes Jahr. Von einer vorgezogenen Wahl profitieren könnte die rechtsextreme Partei Fratelli d’Italia, die Draghis Koalition nicht angehört und zuletzt in der Wählergunst zugelegt hat.

Fünf-Sterne-Bewegung beklagt fehlende Antworten

Nach Draghis Rede erklärten Vertreterinnen und Vertreter der Mitte-links-Parteien im Parlament ihre Unterstützung für den Ministerpräsidenten. „Wir sind nun noch stärker davon überzeugt“, Draghi erneut das Vertrauen auszusprechen, schrieb der Vorsitzende der Demokratischen Partei (PD), Enrico Letta, auf Twitter. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der kleinen Mitte-Partei Italia Viva, Matteo Renzi. Außenminister Di Maio nannte Draghis Worte an die Abgeordneten „tadellos, konkret und weitsichtig“.

Die Fünf-Sterne-Bewegung warf Draghi vor, keine Antworten auf ihre Forderungen gegeben zu haben. Die Partei hatte vom Regierungschef Zugeständnisse für ein Neunpunkteprogramm gefordert, das unter anderem die Einführung eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns und weitere Finanzierungen für ein Grundeinkommen für Einkommensschwache vorsieht. „Aus Draghis Rede haben wir verstanden, dass es immer noch keine Antwort auf unsere Forderungen gibt“, sagte Ettore Licheri, Fraktionschef der Fünf-Sterne-Bewegung im Senat.

Draghi bleibt unter Bedingungen

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat sich am Mittwoch an den Senat gewandt. Er werde nur im Amt bleiben, wenn seine Bedingungen erfüllt werden, sagte der Premier.

Keine Erklärungen gab es von der Forza Italia des ehemaligen langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und von der Lega von Matteo Salvini. Aus beiden Parteien hatte es in den vergangenen Tagen geheißen, sie wollten in keiner Regierung bleiben, an der auch die M5S beteiligt sei.