VwGH: Rechtsverletzungen bei Bestellung in Sozialversicherung

Die Arbeitnehmervertreter in der Selbstverwaltung sehen sich durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) in ihrer Kritik an der Bestellung zweier Spitzenpositionen im Dachverband der Sozialversicherungsträger bestätigt.

Der VwGH kritisierte bei der Besetzung 2019 unter Türkis-Blau etwa, dass Einladungen nicht rechtzeitig erfolgten und dass den Gewerkschaftern relevante Unterlagen nicht übermittelt wurden.

Bei der türkis-blauen Reform wurden die 21 Krankenkassen auf fünf zusammengelegt und der Dachverband der Sozialversicherungen neu aufgestellt. An die Stelle der früheren Generaldirektionen wurden Büroleiter gesetzt.

Im Frühjahr 2019 kam es dann zur Bestellung von Büroleiter Martin Brunninger auf einem blauen Ticket und dessen Stellvertreter Alexander Burz auf einem türkisen. Damals wetterten die Gewerkschafter gegen die ihrer Meinung nach von Türkis-Blau überhastet durchgedrückte Besetzung und gingen rechtlich dagegen vor.

VwGH: Gewerkschafter nicht zeitgerecht eingeladen

Der VwGH kritisierte nun, dass die Gewerkschafter damals in der Überleitungskonferenz nicht zeitgerecht zu Sitzungen eingeladen wurden. Ingrid Reischl, Leitende ÖGB-Sekretärin und derzeit Vorsitzende der Trägerkonferenz, sei gar nicht eingeladen worden, obwohl das nötig gewesen wäre. Außerdem seien die Arbeitnehmervertreter in ihrem Recht auf Erhalt relevanter Unterlagen mit der Einladung verletzt worden.

Überhaupt hätten sie für die Beschlussfassung relevante Unterlagen nicht rechtzeitig bzw. keine Einsicht in alle Unterlagen zu Entscheidungsgegenständen erhalten. Auch der Umstand, dass für die Kür zwei Sitzungen unmittelbar hintereinander angesetzt wurden, um die beiden Kandidaten auch ohne Einstimmigkeit abzusegnen, erkannte der VwGH in einem der APA vorliegenden Urteil als rechtswidrig an.

Arbeitnehmervertreter sehen Sozialministerium gefordert

Die Arbeitnehmervertreter, neben Reischl auch der ÖGK-Vorsitzende Andreas Huss, folgern aus dem Erkenntnis, dass die Bestellungen nicht rechtmäßig gewesen seien. Daher sei nun das Sozialministerium als Aufsichtsbehörde gefordert.

Die Büroleitung muss ohnedies nach Brunningers Rücktritt vergangene Woche und dessen Suspendierung wegen des Verdachts der Dienstpflichtverletzung neu ausgeschrieben werden. Selbiges könnte gleichzeitig mit dem Stellvertreterposten erfolgen.

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner sieht das einstige türkis-blaue Projekt trotz aller aufgekommenen Vorwürfe nicht als gescheitert an, wie sie am Rande einer Pressekonferenz klarmachte.

Brunninger: „Nicht auf blauem Ticket“ in SV

Brunninger ließ über seine Anwältin ausrichten, dass er damals nicht „auf einem blauen Ticket“ bzw. aus politischen Gründen als Büroleiter berufen wurde. Schließlich sei er unter der Expertenregierung der Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein durch die damalige Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl bestellt worden. Die Entscheidung der Überleitungskonferenz fiel über einen Monat nach dem „Ibiza“-Skandal.

Diese Zuschreibung diene ausschließlich, ihn „nachträglich zu diskreditieren“ und passe in das „Narrativ der politischen Erzählung eines Umbaus der Sozialversicherung“, hieß es in einer Aussendung von Brunningers Anwältin Katharina Körber-Risak. Grund für die Bestellung ihres Mandanten sei seine „ausgewiesene Expertise in den Bereichen Finanzen, Gesundheitsökonomie und in der Pharmabranche“ gewesen.

Die Entscheidung des VwGH treffe auch keinerlei Aussage über die Bewertung Brunningers als „bestqualifizierter Bewerber“ und sage auch nicht, dass diese ungültig war, sondern zeige Formalfehler bei der Einberufung der Überleitungskonferenz auf. Über den „auffälligen zeitlichen Zusammenhang“ zwischen Dienstfreistellung und Zustellung des VwGH-Erkenntnisses könne sich jeder selbst ein Bild machen, hieß es.