Liz Truss und Rishi Sunak
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Truss und Sunak

Kandidaten für Johnson-Nachfolge fix

Der frühere Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss gehen in Großbritannien in die Stichwahl um die Nachfolge von Premierminister Boris Johnson. Das gab am Mittwoch die konservative Tory-Partei bekannt. Die Entscheidung, wer in Downing Street 10 einzieht, fällt am 5. September.

Handelsstaatssekretärin Penny Mordaunt erhielt die wenigsten Stimmen und schied mit nur acht Stimmen weniger als Truss aus dem Rennen aus. Nun entscheiden die Mitglieder der Tory-Partei in einer Stichwahl. Die Abstimmung war nötig geworden, weil Amtsinhaber Johnson vor zwei Wochen unter hohem Druck aus seiner Fraktion als Parteichef zurückgetreten war.

Für Sunak stimmte in allen Abstimmungsrunden in der Fraktion die größte Zahl an Abgeordneten. Allerdings ist der 42-Jährige, der auch die Mitte der Partei anspricht, intern umstritten. Vor allem der rechtskonservative Flügel um Truss wirft Sunak vor, für die größten Steuererhöhungen der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich zu sein.

Boris Johnson nach seiner letzten Ansprache
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Die Nachfolge Johnsons wird sich zwischen Ex-Finanzminister Sunak und Außenministerin Truss entscheiden

Der amtierende Premier Johnson gilt ebenfalls als Gegner Sunaks: Sein Umfeld beschuldigt den früheren Schatzkanzler, den Regierungschef verraten zu haben, indem er mit seinem Rückzug den Sturz Johnsons eingeleitet habe. Das weist Sunak zurück. Schlechte Nachrichten brachte ihm zudem das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter Tory-Parteimitgliedern am Dienstag. Demzufolge dürfte er bei der Stichwahl Truss unterliegen.

Truss bei Umfragen in Stichwahl vorn

Außenministerin Truss galt von Beginn als eine der Favoritinnen. Allerdings landete sie in den ersten Wahlrunden stets auf Platz drei hinter der früheren Entwicklungshilfe- und Verteidigungsministerin Mordaunt, die lange als Liebling der Parteibasis galt.

Sie hatte sich als vehemente Verfechterin des Brexits einen Namen gemacht und erhält viel Zustimmung von der Parteibasis. Dennoch war Mordaunt den Torys am rechten Rand ein Dorn im Auge, die ihr zu liberale Ansichten in Genderfragen und mangelnde Kabinettserfahrung vorwerfen.

Als einzige verbliebene Vertreterin des rechten Flügels konnte die 46-jährige Truss aber offenbar viele Abgeordnete überzeugen, die bisher für die ebenfalls rechtskonservative Ex-Staatssekretärin Kemi Badenoch gestimmt hatten.

In Thatchers Fußstapfen?

Beide versuchten, sich in die politische Tradition von Ex-Premierministerin Margaret Thatcher (1979–1990) zu stellen: Sunak mit der Ankündigung, fiskalisch verantwortliche Entscheidungen zu treffen, Truss mit einer harten außenpolitischen Linie gegenüber Russland und zahlreichen Fotoshootings, in denen die 46-Jährige berühmte Aufnahmen der „Eisernen Lady“ geradezu nachstellte.

Nun haben die Parteimitglieder das Wort. Wie viele das derzeit sind, ist aber unklar. Bei der vorigen Parteichefwahl 2019, als sich Johnson durchsetzte, waren es rund 160.000 Mitglieder. Anfang der kommenden Woche will die BBC ein TV-Duell der beiden letzten Kandidaten übertragen, zu dem sich die Bewerber schon bereiterklärt haben.

Johnson verabschiedet sich vom britischen Parlament

Johnson hatte sich am Mittwoch mit einem lautstarken Auftritt bei seiner letzten Fragestunde im Parlament verabschiedet. „Wir haben unsere Demokratie umgebaut und unsere Unabhängigkeit wiederhergestellt“, sagte Johnson am Mittwoch im Hinblick auf sein politisches Vermächtnis mit dem Brexit.

Er endete mit einem Zitat aus der „Terminator“-Filmreihe: „Hasta la vista, baby“ (dt.: „Auf Wiedersehen, Baby“), bevor er mit tosendem Beifall von seinen Parteifreunden gefeiert wurde. Unklar war, ob er mit dem Filmzitat eine mögliche Rückkehr in die Politik andeuten wollte.

Boris Johnson
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„Hasta la vista, baby“ – so verabschiedete sich Johnson am Mittwoch

Labour-Chef Keir Starmer hatte Johsnon hingegen ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. „Die Inflation ist wieder gestiegen heute Morgen, und Millionen kämpfen mit der Krise der Lebenshaltungskosten, und er hat sich entschlossen, ein letztes Mal aus seinem Bunker mit Goldtapete zu kommen und uns zu erzählen, alles wäre in Ordnung“, sagte Starmer, der Johnson zuvor zudem als „Bullshitter“ bezeichnet hatte.

Tipps für Nachfolger

Zuvor hatte der Premier seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger noch einige Ratschläge an die Hand gegeben: „Halten Sie sich eng an die Amerikaner, stehen Sie ein für die Ukrainer, halten Sie Demokratie und Freiheit überall hoch, senken Sie Steuern und deregulieren Sie, wo Sie können (…)“, so der konservative Politiker. Johnson will noch bis zum 5. September im Amt bleiben.

Dem Applaus für den Premier nicht angeschlossen hatte sich Johnsons Vorgängerin Theresa May. Sie stand mit verschränkten Armen unter den jubelnden Tory-Abgeordneten.

Viele Herkulesaufgaben für Nachfolger

Auf den Johnson-Nachfolger warten unterdessen zahlreiche Herkulesaufgaben. Vor allem der Druck durch die stark steigende Inflation ist immens. Die Teuerungsrate liegt mit 9,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren, für den Herbst wird erneut ein deutlicher Anstieg der Heizkosten erwartet.

Das künftige Kabinett wird keine Zeit zum Einarbeiten haben, zumal aktuell keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Ausgerechnet inmitten einer Lebenskostenkrise werde Großbritannien von einer „Zombieregierung“ geführt, klagte die Vizeoppositionschefin Angela Rayner von der Labour-Partei.

Noch schwerer wiegen die Sorgen der Partei. Zwar gilt der populistische Charakterkopf Johnson vielen Mitgliedern noch immer als einziger Politiker, der die Torys zu Wahlsiegen führen kann. Doch in den Augen der meisten Britinnen und Briten hat der scheidende Premier das Image der Torys an die Wand gefahren. In Umfragen liegt die größte Oppositionspartei Labour in Führung.