Italiens Premier Mario Draghi
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Italien

Draghi verpasst Ziel bei Vertrauensvotum

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat am Mittwoch bei einer Vertrauensabstimmung im Senat zwar die Vertrauensabstimmung gewonnen, doch die von ihm gewünschte breite Zustimmung blieb aus. Der Ball liege nun erneut bei Staatspräsident Sergio Mattarella, heißt es in italienischen Medien am Donnerstag: Es wird allgemein damit gerechnet, dass Draghi noch am Vormittag in der Abgeordnetenkammer seinen Rücktritt ankündigt.

Der 74-Jährige gewann zwar am Mittwochabend in Rom das Votum mit 95 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen, die großen Regierungsparteien Lega, Forza Italia und dieFünf-Sterne-Bewegung stimmten jedoch nicht mit ab.

Außenminister Luigi Di Maio von der Partei Insieme per il futuro (dt.: Gemeinsam für die Zukunft) warf der Politik Versagen vor. „Man hat mit der Zukunft der Italiener gezockt. Die Folgen dieser tragischen Wahl werden in die Geschichte eingehen“, sagte der 36-Jährige. „Von morgen an wird nichts mehr so sein wie davor“, sagte Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi. Heute müsse man aber Draghi danken.

Der Senat in Italien
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95-mal Ja, 39-mal Nein: Am Ende gewann Draghi zwar eine Vertrauensabstimmung, verlor jedoch seine Regierungsmehrheit

Annahme des Rücktritts fraglich

Formell stünde am Nachmittag nun noch eine weitere Vertrauensabstimmung am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer an. Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA werde Draghi aber wohl schon am Vormittag in seiner Ansprache seinen Rücktritt ankündigen und dann zum Quirinalspalast zu Mattarella fahren. Die Frage wäre dann, ob dieser den Rücktritt diesmal annimmt.

Draghi hatte Mattarella bereits am vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt angeboten, den der Staatschef aber abgelehnt hatte. Hintergrund war, dass ihm die Fünf Sterne bei einer Abstimmung das Vertrauen nicht ausgesprochen hatten.

Draghi forderte zuvor „Pakt des Vertrauens“

Draghi forderte am Mittwoch in seiner Rede die Unterstützung der zerstrittenen Regierungsparteien, wenn sie wollten, dass er weitermacht. Draghi sprach von einem „Pakt des Vertrauens“, der am vergangenen Donnerstag gebrochen wurde.

„Seit ihr bereit, diesen Pakt wiederherzustellen?“, fragte er die Senatoren. „Ihr seid es, die entscheidet“, gab er den Politikern und Politikerinnen vor der Abstimmung mit auf den Weg.

Regierungskrise in Italien

Italiens Premier Mario Draghi hat sich nach einem Rücktrittsgesuch bei Präsident Mattarella doch zu einer Fortsetzung der Regierung bereiterklärt und wollte dafür eine breite Mehrheit.

Facettenreiche Regierungskrise

In ihren Reden schoben etwa die rechten Parteien der Fünf-Sterne-Bewegung die Schuld für die Regierungskrise in die Schuhe. Die mitregierenden Mitte-rechts-Parteien, Forza Italia und Lega, wollten eine Regierungsfortsetzung nur unter Ausschluss der Fünf-Sterne-Politiker. Diese sahen weiterhin nicht ihre politischen Forderungen erfüllt, die sie Draghi unlängst in einem Neunpunktepapier überreicht hatten.

Dazu gehörte etwa auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Sie forderten eine Veränderung und konkrete Schritte der Regierung in ihrem Sinne.

Grafik zur Sitzverteilung im italienischen Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Corriere della Sera/Parlament

Wichtiger Garant für Europa

Die Märkte regierten schon tagsüber auf die politische Krise in Italien. Die Börse in Mailand schloss mit einem deutlichen Minus. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen stieg im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen deutlich an.

Mit Draghi könnte Italien ein wichtiger Garant für Stabilität in Europa fehlen. Sollte Mattarella seinen Rücktritt annehmen, droht eine vorgezogene Wahl im Herbst und damit politischer Stillstand mit dem wochenlangen Wahlkampf.

Große Aufgaben noch dieses Jahr

Italien muss im zweiten Halbjahr 2022 noch wichtige Reformen umsetzen, um sich die EU-Gelder des Coronavirus-Wiederaufbaufonds aus Brüssel in Milliardenhöhe zu sichern.

Außerdem muss das Land den Haushalt für 2023 planen und bis Ende des Jahres im Parlament absegnen lassen. Da eine Regierung möglicherweise erst Anfang November steht, bliebe dafür nicht mehr viel Zeit.