Strache-Prozess: Einblick in FPÖ-Aufsichtsratslisten

Am Wiener Landesgericht ist heute der Prozess gegen den ehemaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und den mitangeklagten Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz fortgesetzt worden.

Als Zeuge wurde zunächst Philipp Trattner vernommen, in der ÖVP-FPÖ-Regierung Referent im Kabinett Straches. Zu Trattners Agenden gehörte unter anderem die Betreuung der Aufsichtsratslisten, die er für Strache führte. Der frühere Generalsekretär nahm für die FPÖ an den Koalitionsgesprächen zwischen ÖVP und FPÖ teil und verhandelte den Bereich Sport mit. Nach der Regierungsbildung holte ihn Strache in sein Kabinett.

Listen „ganz üblicher Usus“

Für Strache hatte er Listen für mögliche von der FPÖ zu nominierende Aufsichtsräte in staatsnahen Unternehmen zu führen. Das Auswechseln von Aufsichtsräten unter Türkis-Blau habe „so wie bei der jetzigen Regierung und jeder vorigen Regierung auch“ stattgefunden, das sei „ganz üblicher Usus“, sagte Trattner, der inzwischen Sektionschef im Sportministerium ist.

Frauenquote, Qualifikation, keine Ämterkumulierung

Auf die Frage nach der Qualität dieser Listen meinte Trattner: Es habe auf selbst auferlegte Parameter wie „auf die Frauenquote“ und darauf geachtet, „dass die Qualifikation zum Geschäftsfeld passt“. Außerdem habe man keine „Ämterkumulierung“ haben wollen, da in dieser Hinsicht die zahlreichen Posten des Ex-Wirtschaftsministers Harald Mahrer (ÖVP) damals breit medial erörtert wurden, „der in acht oder neun Aufsichtsräten war“.

Von einem Sideletter zwischen Strache und dem damaligen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz zur Besetzung von Aufsichtsgremien in staatsnahen Betrieben habe er nichts gewusst, sagte Trattner. Auch dass vereinbart war, dass die FPÖ ein Drittel und die ÖVP zwei Drittel der vakant werdenden Posten bekommen sollte, sei ihm nicht bekannt gewesen.

Stieglitz „im Energiebereich qualifiziert“

Stieglitz, den er „heute das erste Mal physisch“ sehe, sei auf einer handschriftlich von ihm geführten DIN-A4-Liste gelandet, legte der Zeuge dar. Er sei aufgrund seiner „Expertise im Immobilien- und Energiebereich“ qualifiziert gewesen. Dass Stieglitz dann bei der ASFINAG zum Zug kam, wo dieser unter dem damaligen Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) in den Aufsichtsrat einzog, habe er erst im Nachhinein erfahren, hielt der Zeuge fest.

Allerdings dürfte Trattner an den Bemühungen Stieglitz’ um Sitze in der ÖBB-Holding und beim Verbund beteiligt gewesen sein oder zumindest davon gewusst haben, wie sichergestellte Chatnachrichten von ihm an Strache nahelegen. „Sigi bekommt den nächsten freien Sitz in der Holding“, hieß es in einer Nachricht, wenig später „Sigi wird in den Verbund entsandt“.

Hinsichtlich der ersten Nachricht sagte Trattner: „Das dürfte zwischen anderen Personen besprochen worden sein. Das wusste ich. Das hatte ich von Dritten mitbekommen.“ Zur zweiten, den Verbund betreffenden Nachricht konnte er nichts sagen. Von Spenden oder Vorteilen im Zusammenhang mit den Vergaben von Aufsichtsratposten habe er nichts mitbekommen.

„Prüfung seiner Qualifikation nicht meine Aufgabe“

Nach Trattner wurde Hartwig Hufnagl vernommen, seinerzeit stellvertretender Kabinettschef im Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie unter Hofer. Seit 1. Februar 2019 ist er ASFINAG-Vorstandsdirektor. Er sei zuvor mit Stieglitz befreundet gewesen, räumte Hufnagl auf Frage der Richterin ein („Wir sind gemeinsam zum Fußballspiel gegangen und haben das eine oder andere Bier getrunken“), habe für ihn aber nicht interveniert.

Hufnagl berichtete in diesem Zusammenhang, er habe von Hofers Kabinettschef eine Liste von möglichen von der FPÖ zu nominierenden Aufsichtsratsstellen bekommen. „Meine Aufgabe war es, den Letztcheck zu machen“, sagte Hufnagl. Der von ihm telefonisch kontaktierte Stieglitz habe großes Interesse am Mandat in der ASFINAG erkennen lassen: „Die Prüfung seiner Qualifikation war nicht meine Aufgabe.“

Liste kreiste

Er habe dessen Namen „ans Beteiligungsmanagement weitergegeben.“ Mit dem Bestellungsvorgang an sich habe er nichts zu tun gehabt. Auf die Frage, wie sich Stieglitz im Aufsichtsrat geschlagen habe, erwiderte Hufnagl: „Er war sehr, sehr gut vorbereitet. Er war sehr engagiert und hat durchaus seine Expertise im Bereich Immobilien aufblitzen lassen.“ Stieglitz sei für das Mandat „durchaus geeignet“ gewesen.

Am Nachmittag folgten dann der Finanzvorstand der ÖBB-Holding, Arnold Schiefer, und Gilbert Trattner, Aufsichtsratsvorsitzender der ÖBB-Holding und Ex-FPÖ-Abgeordneter. Trattner berichtete, Stieglitz sei eines Tages bei ihm erschienen, und zwar „mit der Erwartungshaltung, dass ich ihm bei der Holding etwas zusagen konnte. Ich konnte nichts machen.“ Stieglitz, den er bis dahin nicht kannte, habe „geglaubt, er kommt in den Aufsichtsrat der ÖBB-Holding. Ich hab ihm gesagt, der Aufsichtsrat der Holding ist komplett. Es ist nix frei.“

Postbus für Stieglitz nicht lukrativ genug

Auf Chats zwischen Hofer und Strache über Stieglitz’ Wunsch auf einen Posten bei der ÖBB angesprochen, sagte Trattner, er habe – entgegen Hofers Nachrichten – nichts davon gewusst. Ein freies Mandat im Postbus habe Stieglitz nicht wollen, „er war ganz versessen auf die Holding“. Stieglitz sagte im Gerichtssaal, die Postbus AG sei eine „Unterorganisation der ÖBB“, da könne „das Monetäre nicht Schritt halten“ mit dem Aufwand.

Auf die Frage, ob er sich für Stieglitz eingesetzt habe, erwiderte Schiefer: „Beim Thema ASFINAG sicher nicht. Höchstens die Staatsanwältin findet wieder eine SMS.“ Aus Stieglitz’ Ambitionen, bei den ÖBB zu landen, sei nichts geworden, weil Trattner „lieber einen Steuerberater“ wollte. Auf die Frage nach Stieglitz’ Qualifikation sagte er: „Wenn jemand in der Privatwirtschaft erfolgreich ist, wird er nicht ganz patschert sein.“ Außerdem sei Stieglitz „reicher als ich“.

Strache wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Bestechlichkeit, Stieglitz Bestechung vorgeworfen. Laut Anklage soll Strache Stieglitz für in mehrere Tranchen gestückelte Spenden an den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ einen ASFINAG-Aufsichtsratsposten verschafft haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.