Autos auf der Autobahn
ORF.at/Christian Öser
Energiekrise

Debatte über Temporeduktion neu entfacht

Die Energiekrise hat die Debatte über eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h auf Autobahnen und Schnellstraßen erneut entfacht. Dafür ausgesprochen haben sich der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Der ÖAMTC verwies auf alternative Lösungsansätze. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) erteilte dem Vorstoß am Freitag eine Absage, die ÖVP übte Kritik an Kaiser.

Es sei eine Maßnahme, mit der sich nicht nur Geld, sondern auch Energie sparen ließe und daher nicht nur in Hinblick auf die Teuerung, sondern auch auf die Klimakrise eine gute Lösung biete, so der Tenor der Befürworter und Befürworterinnen des Tempolimits.

So könnte sich Landeshauptmann Kaiser etwa sehr wohl vorstellen, die Geschwindigkeit auf den Straßen zu beschränken. Dazu gefragt, sagte er in der ZIB2: „Wenn es etwas ist, wo du abwägen musst, habe ich lieber wichtige Industrien, die ich am Laufen halte, und dafür eine Temporeduzierung um einige km/h, dann weiß ich, wofür ich mich entscheide, nämlich für das Tempolimit.“

Landeshauptmann Kaiser kann sich Tempolimit vorstellen

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) schlägt vor, die Geschwindigkeit auf den Straßen zu beschränken. Damit soll weniger Sprit verbraucht werden.

Kritik an Kaisers Aussagen kam von ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. „Tempo 100 auf Autobahnen bringt wenig Nutzen und sorgt nur für Ärger bei den Betroffenen. Als Volkspartei steht für uns die Eigenverantwortung im Vordergrund. Wir sind gegen Verbote und Schikanen für Autofahrer und Pendler“, sagte Sachslehner.

VCÖ: Maßnahme einfach und schnell umsetzbar

Eine Steilvorlage für den VCÖ – der Mobilitätsclub verwies am Donnerstag auf eine Studie des Umweltbundesamtes. Laut der verursacht ein PKW, der statt 130 nur 100 km/h fährt, im Schnitt um fast die Hälfte weniger Stickoxide, ein gutes Drittel weniger Feinstaub und verbraucht rund ein Viertel weniger Sprit.

„Niedrigere Tempolimits sind eine Maßnahme, die einfach und schnell umsetzbar sind, wenig kosten, aber einen sehr großen und vielfachen Nutzen bringen“, so Michael Schwendinger vom VCÖ.

Appell zum Energiesparen, „wo immer es möglich ist“

In der momentanen Situation gehe es darum, Energie zu sparen, wo immer es möglich sei, so Schwendinger. Ein Tempolimit sei hier ein einfacher, aber wirksamer Schritt. Bei einer Reduktion von 130 auf 110 km/h sinke der Verbrauch um 17, bei 100 km/h sogar um 23 Prozent. Für Freilandstraßen spricht sich der VCÖ daher für Tempo 80 statt 100 aus.

Analog dazu sinkt auch der CO2-Ausstoß. Ein Pkw, der bei 130 km/h sieben Liter pro 100 Kilometer verbraucht, benötigt bei 110 km/h nur 5,8 Liter und bei Tempo 100 nur 5,4 Liter. Oder anders formuliert: Mit einer 50-Liter-Tankfüllung kommt dieser Pkw mit Tempo 130 714 Kilometer weit, mit Tempo 100 hingegen 925 Kilometer.

Autos auf der A22
ORF.at/Lukas Krummholz
Laut VCÖ bringt ein Tempolimit einen um 23 Prozent geringeren Spritverbrauch. Laut ÖAMTC sind es nur drei Prozent.

Schon 1973 wurde unter dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky als Reaktion auf die erste Ölkrise ein temporäres Tempolimit von 100 km/h eingeführt. „Wir befinden uns heute in einer noch größeren Energiekrise, gleichzeitig in einer sich verschärfenden Klimakrise. Wir müssen alle Möglichkeiten des Energiesparens nutzen, um die gefährliche Abhängigkeit von fossilen Energieimporten – und dazu zählen auch die Erdölimporte – zu reduzieren“, warnt Schwendinger.

Hohes Reduktionspotenzial in Österreich

Der Sachstandsbericht Mobilität des Umweltbundesamtes habe für das Jahr 2019 bei einer Temporeduktion auf 100 km/h das österreichweite Reduktionspotenzial mit 460.000 Tonnen CO2 angegeben. Das entspreche einer Reduktion des Spritverbrauches um rund 180 Millionen Liter pro Jahr und einer Ersparnis bei heutigen Spritpreisen von 360 Millionen Euro.

Bereits damals war darin zu lesen: „Mit der Reduktion fossiler Energieträgerimporte wird zudem die Versorgungssicherheit Österreichs massiv gestärkt, Kapitalabfluss und Abhängigkeit verringert sowie österreichischen bzw. regionalen Energieproduzenten neue Absatzmöglichkeiten geboten.“ Als „erfolgskritisch“ wird in diesem Zusammenhang vor allem der politische Wille bei der Durchsetzung von Maßnahmen genannt.

Klimaministerium setzt auf Freiwilligkeit

Zumindest, was ein verpflichtendes Tempolimit auf Österreichs Straßen betrifft, gibt man sich im Klimaministerium aber eher defensiv und setzt auf Freiwilligkeit. So heißt es gegenüber ORF.at: „Wer langsamer mit dem Auto fährt, kann damit einen wichtigen Beitrag leisten. Ein bisschen weniger Tempo spart Sprit und Geld. Und schützt dabei unser Klima. Diese Entscheidung können alle Menschen in unserem Land treffen. Und das ist auch gut so.“

Energiekrise: Debatte um Tempo 100

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) legt einen alten Einsparungsvorschlag neu auf den Tisch: Tempo 100 auf den Autobahnen. Der auf Klimaschutz ausgerichtete Verkehrsclub Österreich ist erwartungsgemäß dafür.

Auch auf Nachfrage, ob das Ministerium den Vorschlag Kaisers unterstütze, heißt es lediglich, dass eine Geschwindigkeitsreduktion zwar als „wichtiger Beitrag zum Energiesparen“ erachtet werde – doch „die Entscheidung, ob und wie viel sie langsamer fahren, obliegt den Menschen in Österreich“.

Gewessler erteilt Vorstoß Absage

Auch Klimaministerin Gewessler erteilte den Rufen am Freitag eine Absage. „Langsamer fahren ist ein Beitrag, den jede und jeder leisten kann“, sagte sie am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Gesetzliche Maßnahmen könnten erst im Falle eines Versorgungsnotstandes beschlossen werden, den es derzeit aber noch nicht gebe.

„Ich bin überhaupt nicht zurückhaltend beim Thema Energiesparen“, sagte Gewessler zwar. Die Handlungsmöglichkeit in der Energielenkung gebe es aber nur im Falle eines absoluten Versorgungsnotstandes. „Wir sind derzeit nicht in so einer Situation“, so die Ministerin. Für eine entsprechende Verordnung brauche es als Voraussetzung auch eine Zweidrittelmehrheit im Hauptausschuss des Nationalrats.

ÖAMTC sieht Alternativen

Für Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung, sei ein spritsparender und damit umweltschonender Fahrstil zwar unbestritten sinnvoll, eine generelle Senkung des Tempolimits auf Autobahnen auf 100 km/h spare insgesamt aber nur ein bis drei Prozent Sprit. Die Angabe bezieht sich allerdings auf die gesamte in Österreich verbrauchte Spritmenge.

„Sinnvoller wäre es aus Sicht des ÖAMTC, eine ‚Grüne Welle‘ bei Ampeln in der Stadt oder auf Autobahnen ein Verbot von ‚Elefantenrennen‘ – also ein Lkw-Überholverbot auf zweispurigen Autobahnen – einzuführen. Man muss verhindern, große Massen unnötig abzubremsen und wieder zu beschleunigen. Das spart objektiv am meisten Kraftstoff ein.“

Zusätzlich würden einer Umfrage des ÖAMTC niedrigere Tempolimits bei der Mehrheit der Bevölkerung keine Unterstützung finden. Nur drei Prozent würden langsamer fahren wollen. Im Klimarat sprach sich indes lediglich eine kleine Gruppe der insgesamt 100 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger gegen Tempo 100 auf der Autobahn aus.