Der italienische Premierminister Mario Draghi
APA/AFP/Italienische Präsidentschaft
Neuwahl in Italien

Draghis Rücktritt trifft Europa

Die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi ist am Ende. Nach der mangelnden Unterstützung seiner Koalition durch Rechtsparteien und die Fünf-Sterne-Bewegung hat Draghi den Rücktritt eingereicht. Italien wählt nun am 25. September sein neues Parlament. Mitten in der Polykrise ist das Ende der Stabilität im drittgrößten EU-Staat auch für Europa ein schwerer Rückschlag.

Der Wahltermin wurde vom Ministerrat festgelegt, nachdem Premierminister Draghi zurückgetreten ist und Präsident Sergio Mattarella das Parlament aufgelöst hat. Draghi dankte bei der Ministerratssitzung Mattarella und bestätigte, dass seine Regierung bis zur Neuwahl die Amtsgeschäfte weiterführen wird.

Die Neuwahlen drohen nicht nur Italien monatelang in eine Phase zu führen, in der de facto nichts mehr entschieden wird. Denn eine Regierungsbildung dürfte auch danach nicht einfach werden. Draghi wiederum hatte mit seinem Renommee, das er sich als langjähriger Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), der die Euro-Zone souverän durch die Finanzkrise führte, erarbeitet hatte, die parteipolitisch zerklüftete Politik überraschend lange gut geeint. Er erwies sich auch in Rom als erfolgreicher Krisenmanager und schaffte es, dem Land auch international wieder deutlich an Gewicht zu verleihen.

Gefahr für EU-Einigkeit gegenüber Putin

Diese neu gewonnene Bedeutung dürfte ebenso schlagartig wieder verloren sein. Für Europa ist das angesichts der mehrfachen Krisen – Ukraine-Krieg, Teuerung, Klima- und Energiekrise – ein schwerer Schlag. Und sollten Rechtsparteien in Italien künftig den Ton angeben, könnte das die bisher gewahrte einheitliche Front gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin gefährden.

Auch Investoren dürften mit dem Abgang des Ex-EZB-Chefs und einer ungewissen Zukunft italienische Staatsanleihen noch mehr unter Druck bringen. Der Zinsaufschlag – gegenüber den als Richtschnur geltenden deutschen Bundesanleihen – war zuletzt bereits teils stark gestiegen. Eine zusätzliche Belastung der Euro-Zone und eventuell nötige Interventionen auf dem Finanzmarkt würden wohl auf wenig Verständnis in den anderen Ländern stoßen. Das umso mehr, als vor allem parteitaktische Überlegungen der Auslöser für die Krise sind.

Italien: Draghi hat Rücktritt eingereicht

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat am Donnerstag seinen Rücktritt bekanntgegeben. Am Vortag hatte Draghi bei einer Vertrauensabstimmung im Senat das selbst gesetzte Ziel einer breiten Mehrheit verpasst. Italien steuert nun auf eine vorgezogene Neuwahl zu.

Mattarella fügt sich der Situation

„Die politische Situation hat zu dieser Entscheidung geführt“, sagte Mattarella in einer Fernsehansprache. Er rief die Parteien trotz des Wahlkampfes dazu auf, verantwortlich für das Wohl des gesamten Landes zu agieren. Mattarella hatte in der Vorwoche den Rücktritt Draghis zunächst abgelehnt und gehofft, dass die Koalition weiterarbeiten kann. Draghi hatte aber am Donnerstagvormittag angesichts einer tiefen Krise in der Regierungskoalition seinen Rücktritt erklärt. Auslöser für diesen Schritt war die Weigerung von drei Koalitionsparteien, an einer Vertrauensabstimmung teilzunehmen.

Auf die Italiener und auf die Parteien kommen jetzt mitten in der Ferienzeit spannende Wahlkampfwochen zu. Die Koalitionsverhandlungen könnten sich je nach Wahlausgang hinziehen. Fachleuten zufolge könnte möglicherweise erst Anfang November eine neue Regierung an der Macht sein.

Erstmals Wahlkampf im Sommer

Politische Wahlen im Herbst oder sogar am Ende des Sommers wie derzeit in Planung sind ein Novum für Italien. Die Politik muss sich auf einen Wahlkampf im Sommer rüsten, was in Italiens Republik präzedenzlos ist, da Parlamentswahlen bisher stets zwischen Februar und Juni stattgefunden hatten. Die Wahlkampagne wird im August, traditionell ein Urlaubsmonat in Italien, stattfinden.

Rechtsaußen-Partei im Umfragenhöhenflug

Die Rechtsaußenpartei Fratelli d’Italia (dt.: Brüder Italiens) um die Populistin Giorgia Meloni segelt laut Umfragen mit 22 Prozent der Stimmen auf einem Höhenflug und hat damit sowohl die Lega als auch die Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) überholt. Seit Monaten drängt Meloni auf eine Neuwahl. In Rom wird nicht ausgeschlossen, dass sie als erste Frau in Italien zur Premierministerin aufrücken könnte.

Draghi hatte zwar am Mittwoch das Vertrauensvotum im Senat gewonnen, jedoch nicht mit der von ihm erwünschten breiten Mehrheit, denn die drei Regierungsparteien Lega, Forza Italia und die Fünf-Sterne-Bewegung stimmten nicht mit ab. So reichte er am Donnerstag seinen Rücktritt ein.