Bayreuther Festspielhaus
APA/Martin Fichter-Wöss
Medienberichte

Vorwürfe sexueller Übergriffe in Bayreuth

Die Bayreuther Festspiele sind eine kulturelle Institution. Seit 1876 zieht es die wirtschaftliche, kulturelle und politische Elite auf den „Grünen Hügel“, um Richard Wagners Monumentalwerke zu erleben. Kurz vor dem Start der diesjährigen Ausgabe wurden in Medienberichten Vorwürfe sexueller Übergriffe gegenüber Frauen erhoben – betroffen sei auch Leiterin Katharina Wagner.

Der „Nordbayerische Kurier“ berichtete von körperlichen Übergriffen auf Frauen, von Beleidigungen und sexistischen Sprüchen. Einer der Mitwirkenden habe „einfach seine Hand auf das Gesäß einer Frau gelegt“ oder ungefragt die nackten Schultern einer anderen Frau „massiert“. Auch verbale Übergriffe und zweifelhafte SMS seien zu beklagen. Die Berichterstattung habe die Festspielleitung „sehr bewegt und tatsächlich überrascht, da betriebsintern keine Informationen zu eventuellen Übergriffen bekannt sind“, sagte Festspielsprecher Hubertus Herrmann der dpa am Freitag.

„Wir werden den Vorwürfen umgehend nachgehen und bitten Betroffene, sich direkt bei der Geschäftsführung zu melden.“ Er betonte: „Es werden keinerlei Beleidigungen oder tätliche Übergriffe geduldet.“ Die Zeitung berichtete, dass auch Festspielchefin Wagner selbst von einem Übergriff betroffen war. „Das entspricht der Wahrheit“, sagte sie der Zeitung.

„Touchy touchy“ als Alltag

Auch andere Frauen werden mit ihren negativen Erfahrungen zitiert: „Touchy touchy“, sagte eine der Zeitung: „Für manche von uns ist das Alltag.“ Wegen seines Umgangstons steht laut der Zeitung auch der frühere Musikdirektor der Festspiele, Christian Thielemann, in der Kritik. Er soll Musiker angeschrien und beleidigt haben – ein Vorwurf, den der Stardirigent vehement zurückweist: „Da ist überhaupt nichts dran“, sagte er der dpa und sprach von einem „Missverständnis“.

Katharina Wagner
APA/dpa/Nicolas Armer
Von anzüglichen SMS und körperlichen Übergriffen ist die Rede. Auch Festspielleiterin Katherina Wagner ist betroffen.

Derzeit müssten alle Mitarbeiter im Festspielhaus nach wie vor Masken tragen, um sich vor einer CoV-Infektion zu schützen. „Da kommt es vor, dass man Dinge, die andere gesagt haben, nicht versteht. Da wäre ich vorsichtig, wenn ich was aufschnappe.“

Thielemann: „Harmonische, traumhafte Arbeit“

Der „Nordbayerische Kurier“ berichtet auch von frauenfeindlichen Äußerungen und von einer Mail, in der es darum gegangen sein soll, dass es zwei Bassistinnen im Orchester gebe. „Eine reicht“, soll darin gestanden sein. „Es gibt gar keine Mail“, sagte Thielemann dazu der dpa. Die Atmosphäre bei den Festspielen sei hervorragend, so der Dirigent, der in diesem Jahr beim „Lohengrin“ am Pult stehen soll. Er sprach von „ganz harmonischer, traumhafter Arbeit“ und zeigte sich betroffen davon, dass diese jetzt möglicherweise von der Berichterstattung über die Vorwürfe „in Vergessenheit gerät“.

Christian Thielemann
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Auch Stardirigent Christian Thieleman steht in der Kritik, er dementiert und fühlt sich missverstanden.

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte, dass man die Vorwürfe ernst nehmen müsse. „Ich gehe davon aus, dass die Leitung der Bayreuther Festspiele den Vorgängen mit Nachdruck nachgehen und die notwendigen Konsequenzen ziehen wird. Sexuelle Übergriffe, egal ob verbal oder körperlich, sind absolut inakzeptabel und dürfen nicht ungeahndet bleiben“, so Roth am Freitag in Berlin.

Festspielausgabe voller Neuinszenierungen

Die Festspiele starten am Montag mit einer Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“, außerdem steht ein neuer „Ring des Nibelungen“ auf dem Spielplan. Den neuen „Tristan“ hatte Festspielchefin Wagner quasi in letzter Minute, erst im Dezember, bei Regisseur Roland Schwab in Auftrag gegeben – aus Angst, CoV-Erkrankungen im Chor könnten die großen Choropern „Lohengrin“, „Holländer“ und „Tannhäuser“ kurzfristig vom Spielplan fegen.

Alle Augen ruhen dennoch auf „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz, der das Mammutwerk mit einer Art „Netflix“-Serie verglichen hat. „Es geht hier nicht um die Ästhetik einer Fernsehserie. Was ich mit Netflix beschreiben wollte, das ist diese intensive Seherfahrung, die man in Bayreuth hat“, sagte er dem „Münchner Merkur“.

„Binge-Watching“ in Bayreuth

„In einer Woche alles hintereinander anschauen, das erinnert mich tatsächlich an Binge-Watching. Die andere Parallele: Wir haben hier ein Familienepos, in dem wir alle Figuren über Jahre hinweg begleiten dürfen.“ Nach dem bildgewaltigen, aber von vielen als nicht genug durchdacht kritisierten „Ring“ von Frank Castorf wird mit Spannung erwartet, wie sich der junge Regisseur Schwarz schlägt.

Nach zwei Jahren Coronavirus-Ausnahmezustand sollen die Festspiele, die bis 1. September dauern, erstmals wieder vor (fast) vollem Haus stattfinden. 1.771 Plätze stehen zur Verfügung – wegen Umbaumaßnahmen rund 200 weniger als üblicherweise.