Herbert Diess
Reuters/Albert Gea
Überraschung bei VW

Diess geht, Porsche-Chef folgt nach

Beim deutschen Autohersteller Volkswagen gibt es an der Spitze einen für Außenstehende überraschenden Wechsel: Herbert Diess tritt als Vorstandschef zum 1. September ab. Nachfolger soll Porsche-Chef Oliver Blume werden. Diess stand immer wieder in der Kritik, auch im Zuge des Abgasskandals.

Die Entscheidung sei „einvernehmlich“ gefallen, ließ Volkswagen am Freitag ausrichten. „Herr Dr. Oliver Blume wird den Vorstandsvorsitz übernehmen und daneben seine Funktion als Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG fortführen“, so der Konzern in einer Mitteilung. Blume soll also Porsche parallel und langfristig weiterführen, hier bereitet er derzeit den Börsengang im Herbst vor. Zudem sei beschlossen worden, dass VW-Finanzchef Arno Antlitz Blume „im operativen Tagesgeschäft“ unterstützen soll.

Der ehemalige BMW-Manager Diess führt Volkswagen seit April 2018. Volkswagen sprach von einem Generationswechsel – Blume ist neun Jahre jünger. Der Anstoß für den Wechsel dürfte von den Eigentümerfamilien Porsche und Piech gekommen sein. Die Familienvertreter hätten die Notwendigkeit für einen Führungswechsel gesehen, sagten zwei Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Dem entsprach auch eine Mitteilung der Familien am Freitag: „Oliver Blume genießt seit vielen Jahren unser ausdrückliches Vertrauen“, so die Familiensprecher Wolfgang Porsche und Hans Michel Piech. „Wir sind überzeugt, dass er die erfolgreiche Entwicklung des Volkswagen-Konzerns fortsetzen und die dafür erforderlichen Maßnahmen kraftvoll umsetzen wird.“

Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch dankte Diess. Dieser habe „sowohl in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen als auch des Konzerns die Transformation des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben“.

Blume in den Startlöchern

Blume galt bereits länger als möglicher Nachfolger. Sein Name war hinter den Kulissen mehrmals gefallen, als sich zwischen dem VW-Chef und dem mächtigen Betriebsrat ein Konflikt um mögliche neue Sparprogramme im vergangenen Jahr hochschaukelte. Diess waren von den Arbeitnehmervertretern immer wieder Alleingänge vorgeworfen worden.

Bereits davor hatte es beim größten Autohersteller Europas mit Teilen des Aufsichtsrats heftige Meinungsverschiedenheiten über die weitere Strategie und einen möglichen drastischen Arbeitsplatzabbau gegeben.

Oliver Blume
Reuters/Andreas Gebert
Blume soll die VW-Tochter Porsche parallel weiterführen

Diess hatte den Umbau von VW in der E-Mobilität maßgeblich vorangetrieben, aus Sorge, Tesla könnte den Konzern abhängen. Der deutsche Multimarkenkonzern sollte in den kommenden Jahren unter Diess zu einem auf Softwareplattformen aufbauenden und nach Markengruppen gegliederten Unternehmen werden.

Allerdings gab es zuletzt auch etliche Probleme, vor allem bei der stockenden und sich nochmals verteuernden Entwicklung eigener Software- und IT-Systeme. Besonders rund um die konzerninterne Tochter Cariad hatte es Probleme gegeben. Volkswagen hatte zuletzt wegen Chipknappheit und Lieferkettenproblemen einen Absatzeinbruch zu verkraften.

Nachwehen von „Dieselgate“

Die Aktionärinnen und Aktionäre hatten auch immer noch die Folgen des Abgasskandals zu verkraften. 2015 war bekanntgeworden, dass VW illegale Abschalteinrichtungen in Dieselautos verbaut hatte, um Abgasnormen zu umgehen. Auch Diess soll davon gewusst haben. Gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn laufen Verfahren, auch gegen Diess wurden Vorwürfe des strafbaren Unterlassens erhoben. Das Verfahren wurde gegen die Zahlung von 4,5 Mio. Euro eingestellt – wobei der Deal mit Gericht und Staatsanwaltschaft auch auf Kritik stieß.

Nach wie vor gibt es bei manchen Anteilseignern auch Irritationen darüber, dass mit Winterkorn und weiteren hohen Ex-Managern 2021 ein interner, teils als intransparent empfundener Vergleich über Schadenersatz geschlossen wurde. Die Gesamtkosten von „Dieselgate“ liegen seit dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 inzwischen bei über 33 Milliarden Euro. Ein Sonderausschuss des Aufsichtsrats wurde Ende 2021 aufgelöst. Nach Angaben von Rechtsvorstand Manfred Döss gibt es weltweit rund 60.000 einzelne Dieselzivilverfahren.

Arbeitnehmervertreter erfreut

Der Chefwechsel stieß am Freitag bei den VW-Arbeitnehmervertretern auf Zustimmung. Volkswagen müsse neben seiner technologischen Favoritenrolle auch der sozialen Vorbildrolle gerecht werden, so IG-Metall-Chef und Volkswagen-Aufsichtsratsvize Jörg Hofmann. „Die heute getroffenen Entscheidungen erlauben es, das Tempo hochzuhalten und den herausgearbeiteten Vorsprung zu nutzen.“ Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte, Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit müssten gleichrangige Unternehmensziele bleiben.