Strand in Italien
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„Dolce Vita in Gefahr“

Ausverkauf von Italiens Stränden befürchtet

Am Montag stimmen in Italien die Abgeordneten im Parlament über eine Neuregelung im Bereich der Lizenzvergabe ab. Was auf den ersten Blick eher trocken klingen mag, könnte das Erscheinungsbild italienischer Strände für immer verändern. Befürchtet wird ein Ausverkauf an internationale Konzerne – und damit etwa das Ende der „Dolce Vita“ mit kleinen familiengeführten Eisständen, authentischen Strandbars und lokalen Strandliegen – und Bootsverleihen.

„Verabschieden Sie sich von Ihrem Lieblingsstrandurlaub in Italien“, schrieb CNN am Samstag. Denn ab 31. Dezember 2023 werden staatliche Strandkonzessionen wohl öffentlich ausgeschrieben werden müssen – was nach Ansicht von Branchenvertretern die „Dolce Vita“ gefährde. Statt denjenigen, die seit Generationen die Strandbars und -restaurants führen, könnten dadurch große Investoren und multinationale Konzerne zum Zug kommen.

Auch der „Standard“ schreibt, dass es derzeit vor allem kleine Unternehmen seien, die die „stabilimenti balneari“, die beliebten Badestränden inklusive dazugehöriger Infrastruktur, betreiben würden. Die Ausschreibung könnte dazu führen, „dass ein Lido-Betreiber seinen Platz für einen anderen Mitbieter räumen muss – möglicherweise für einen großen ausländischen Tour-Operator oder einen Finanzinvestor“.

Strand in Italien
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Ob die Strände Italiens auch in Zukunft noch so aussehen werden, bleibt abzuwarten

Längst ausstehende Angleichung an EU-Recht

Dabei handelt es sich bei dieser Neuregelung eigentlich nur um eine längst fällige Angleichung an EU-Recht. Konkret: an die Bolkestein-Richtlinie, erlassen im Jahr 2006. Durch die wurden öffentliche Dienstleistungen liberalisiert und für private Anbieter geöffnet.

„Für die italienischen Lidos bedeutete die Richtlinie: Die staatlichen Konzessionen für die von ihnen belegten Strandabschnitte müssten in regelmäßigen Abständen neu ausgeschrieben werden. Weil es sich bei den Stränden ja mehrheitlich um öffentlichen Grund handelt“, ist im „Standard“ zu lesen. Trotz der Anweisung aus Brüssel seien die Konzessionen „stillschweigend und ohne Ausschreibung“ verlängert worden.

2018 wurden die Konzessionen sogar bis 2033 verlängert. Im CNN-Artikel heißt es dazu: „Den Inhabern – die möglicherweise Darlehen oder Hypotheken auf ihre Unternehmen aufgenommen haben – wird nun jedoch ihre Lizenz ein Jahrzehnt früher entzogen.“ Die Begründung der Regierung: Man müsse die Wettbewerbsgesetze überarbeiten, um von den Geldern des Pandemiewiederaufbauplans der EU profitieren zu können. Die kleinen Unternehmen würden jedoch eine „Enteignung“ durch die Regierung kritisieren.

Eiswagen auf einem Strand in Italien
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Noch sind die beliebten Badestrände mit allem, was dazu gehört, meist in der Hand kleiner Unternehmer

„Schwierigkeiten zu einer Chance werden lassen“

Befürworter und Befürworterinnen der Neuregelung verweisen indes auf das Potenzial einer „Neuentwicklung“ ganzer Regionen. Zitiert wird von CNN etwa Alessandro Berton, der als Präsident der „Unionmare“ die Betreiber in der nördlichen Region Venetien vertritt.

Hier gelte bereits ein ähnliches Lizenzvergabegesetz wie jenes, das nun in ganz Italien kommen solle. Bereits jetzt gebe es große Betreiber der Strandabschnitte, in Bibione etwa seien lediglich zwei Betreiber für einen Strandabschnitt von acht Kilometern zuständig.

„Das Gesetz von Venetien hat uns geholfen zu verstehen, dass Schwierigkeiten zu einer Chance werden können“, sagte Berton. „Man kann das Gebiet neu entwickeln. Wir haben Grundstücke bekommen, die vor 50 Jahren nichts wert waren. Und wir haben ein BIP von 10,5 Mrd. Dollar aufgebaut.“

Strand in Italien
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Nicht nur Strandliegen, sondern ein Lebensgefühl – auch die Betreiber selbst machen sich große Sorgen

Höhere Preise als mögliche Folge

Übernehmen große Konzerne das Geschäft, könnten aber auch höhere Preise für Urlauberinnen und Urlauber eine Folge sein. Nicht zuletzt sei aber auch das typische italienische Urlaubsgefühl in Gefahr, heißt es bei CNN weiter.

So meint etwa Maurizio Rustignoli Präsident des Verbandes der Strandgeschäfte: „Wir verkaufen nicht nur Strandliegen, wir verkaufen einen Lebensstil.“ Es sei eben etwas anderes, in einem kleinen Geschäft einzukaufen als in einem großen Shoppingcenter.

Und: „Im Tourismus geht es um Emotionen. Die Dolce Vita setzt sich aus vielen Dingen zusammen: Essen und Wein, menschliche Beziehungen, Wellness. Wenn man überall das Gleiche macht, verliert man viel.“