Demonstranten unter brasilianischer Flagge
APA/AFP/Mauro Pimentel/Mauro Pimentel
Lula gegen Bolsonaro

Duell um Brasiliens Weg in die Zukunft

Rund zweieinhalb Monate vor der Präsidentenwahl ist der amtierende Präsident Jair Bolsonaro offiziell erneut als Kandidat nominiert worden. Der Rechtspopulist tritt damit gegen den linken Ex-Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva an. Die Unterschiedlichkeit der Kandidaten spiegelt die Spaltung der Gesellschaft wider.

Rund 10.000 Anhängerinnen und Anhänger fanden sich am Sonntag im Maracanazinho-Stadion in Rio ein, um bei Bolsonaros Nominierung dabei zu sein. Sie waren aufgefordert worden, in den Nationalfarben grün und gelb zu erscheinen, die sich Bolsonaros Liberale Partei (PL) mehr oder weniger angeeignet hat.

Der 67-Jährige hatte sich erst Ende vergangenen Jahres der Liberalen Partei angeschlossen, um überhaupt an der Wahl teilnehmen zu können. Ein Kandidat für das Präsidentenamt darf im größten Land Lateinamerikas nicht ohne Partei antreten. Bolsonaro wurde 2018 als Mitglied der rechtsgerichteten Partido Social Liberal gewählt. Die Gründung einer eigenen Partei nach seinem Austritt 2019 kam nicht über die Phase des Unterschriftensammelns hinaus. Als Vizepräsidentschaftskandidaten nominierte die PL am Sonntag den General und ehemaligen Verteidigungsminister Walter Souza Braga Netto.

Jair Bolsonaro bei einer Wahlkampfveranstaltung
Reuters/Ricardo Moraes
Wahlkampf im Stadion: Bolsonaro wurde am Sonntag offiziell nominiert

Es wird noch ein langer Wahlkampf werden, und ein schmutziger, so die Befürchtung. Die Wahl findet am 2. Oktober statt, erst ab 16. August ist der Wahlkampf in Brasilien offiziell erlaubt. In den Wochen bis dahin dürfte sich das ohnehin schon angespannte Duell zwischen Bolsonaro und Lula weiter verschärfen. Bolsonaro war schon vor seiner Nominierung etliche Angriffe auf die Zuverlässigkeit des elektronischen Wahlsystems gefahren. Bei seinen Kritikern erweckt das die Sorge, dass Bolsonaro – nach dem Vorbild des früheren US-Präsidenten Donald Trump – eine Wahlniederlage nicht akzeptieren könnte.

Vom Gefängnis in den Wahlkampf

Da Silva, in Brasilien Lula genannt, war bereits am Donnerstag in Sao Paulo als Kandidat der linken Arbeiterpartei PT nominiert worden. Es ist mittlerweile sein sechstes Rennen um die Präsidentschaft Brasiliens, zweimal gewann er. Von Anfang 2003 bis Ende 2010 wurde Brasilien von ihm regiert. Mit Sozialprogrammen holte Lula Millionen Menschen aus der Armut. Auch wirtschaftlich boomte Brasilien während seiner Amtszeit. Allerdings verbreitete sich die Korruption. 2018 wurde Lula selbst wegen Korruption und Geldwäsche zu einer fast zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Deshalb konnte er in dem Jahr nicht antreten, als Bolsonaro Präsident wurde.

Im vergangenen Jahr hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf. Lula erhielt seine politischen Rechte zurück – und betrat bald darauf auch wieder die politische Bühne. Seine zweite Amtszeit als Staatsoberhaupt hatte Lula Ende 2010 mit mehr als 80 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung beendet.

„Ich müsste nicht noch einmal Präsident werden. Ich hätte meinen Titel als bester Präsident der Geschichte bewahren und die letzten Jahre meines Lebens ruhig leben können“, schrieb der 76-jährige Lula auf Twitter. „Aber ich habe gesehen, wie dieses Land zerstört wird. Also habe ich beschlossen zurückzukehren.“

Präsidentschaftskandidat Lula am 13. Juli
Reuters/
Lula da Silva war schon zwei Amtszeiten lang Präsident. Nun fordert er Bolsonaro heraus.

Lula derzeit weit vorne

In manchen Umfragen liegt Lula um bis zu 20 Prozent vor Bolsonaro. Den Amtsinhaber bringt auch die globale Wirtschaftslage ins Wanken, die hohe Inflation macht auch den Menschen in Brasilien zu schaffen. Doch Bolsonaro hofft auf Rückenwind, nachdem der Kongress der Regierung im Wahljahr mehr Sozialausgaben gestattet hat. Am Sonntag versprach er sogleich die Fortsetzung eines Wohlfahrtprogramms für untere Einkommensschichten.

Die Spaltung in Brasilien wurde in den vergangenen Jahren weiter vorangetrieben. Bolsonaro sorgte dabei wiederholt mit populistischen oder auch ultrarechten Aussagen für Spannungen. Er ist dafür bekannt, dass er gegen Frauen, Homosexuelle und Minderheiten hetzt und die Militärdiktatur (1964–1985) verherrlicht. Immer wieder schockiert er mit verbalen Entgleisungen. Viele tragen ihm auch nach, dass er Brasiliens Regenwald ausbeute, so die Kritik. Fachleute werfen seiner Regierung vor, illegale Rodungen zu dulden. Unter seiner Präsidentschaft erreichte die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes neue Rekordwerte.

Sorge vor Gewalt

Zudem wächst die Sorge, der Wahlkampf könne in Gewalt umschlagen. Kürzlich wurde ein Funktionär der PT von einem Anhänger Bolsonaros erschossen, Bolsonaro war im Jahr 2018 selbst Opfer einer Messerattacke. „Die Erwartungen, die ich habe, sind alles andere als gut. Ich erwarte, dass die politische Gewalt vor der Wahl von jetzt an zunimmt“, so der Politikwissenschaftler Felipe Borba von der Universität Unirio in Rio de Janeiro zur dpa. Er stellte in einer Studie einen deutlichen Anstieg von Drohungen, Angriffen und Morden von Politikern fest, seit Bolsonaro im Präsidentenamt ist. „Diese Gewalt bereitet Sorgen, auch weil sie vom Hassdiskurs angespornt wird, besonders von Präsident Bolsonaro“, so Borba.