Zwei Freundinnen gehen auf Straße
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„MBTI“

Persönlichkeitstest erobert die Dating-Welt

ISFP, INTP, ESTJ, ENFJ – was für die meisten Menschen wohl eine wahllose bis irritierende Aneinanderreihung von Buchstaben ist, stellt für manche den entscheidenden Code auf der Suche nach der großen Liebe dar. Denn hinter der vierstelligen Buchstabenkombination versteckt sich ein detailliertes Persönlichkeitsprofil, basierend auf dem Meyers-Briggs-Typentest. Erfunden im Zweiten Weltkrieg, feiert er sein großes Comeback in der (Online-)Dating-Welt – derzeit vor allem in Südkorea.

„Es ist, als ob ganz Seoul verknallt wäre. Wenn man durch die südkoreanische Hauptstadt schlendert, sieht man in dem Meer von traditionellen Hangul-Zeichen immer wieder die gleichen vier Buchstaben des lateinischen Alphabets: MBTI“, schrieb CNN. Auf Werbeplakaten, in Computerspielen, auf Spotify-Playlists, Bierdosen und natürlich Dating-Apps.

Für die junge Generation scheinen die Viererkürzel ein bisschen das zu sein, was früher Sternzeichen waren. Fisch und Skorpion? Keine Chance. ENFJ und INTP? Besser nicht. „Ich glaube nicht, dass ich jemanden treffen würde, dessen Typ nicht mit meinem kompatibel ist“, wurde bei CNN etwa eine junge südkoreanische Studentin zitiert.

Ein Paar in einem Park in Korea
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Statt nach dem Sternzeichen fragt man heutzutage wohl nach dem „MBTI“-Ergebnis

„Jobmatching“ für Frauen im Zweiten Weltkrieg

Doch nicht nur in Südkorea, auch hierzulande haben die Persönlichkeitscodes, die das „Matchmaking“ erleichtern sollen, längst Eingang in die Dating-Welt gefunden. Ursprünglich ging es bei der Typologie jedoch nicht darum, den richtigen Partner oder die richtige Partnerin zu finden, sondern den richtigen Job.

„Der Test wurde von zwei Amerikanerinnen entwickelt, die darin eine Möglichkeit sahen, Frauen während des Zweiten Weltkriegs einen Arbeitsplatz zuzuweisen“, schrieb CNN. Dabei handelte es sich um die Schriftstellerin Katherine Cook Briggs und ihre Tochter, die Politikwissenschaftlerin und Krimiautorin Isabel Myers. Zusammen veröffentlichten sie den Myers-Briggs-Typenindikator („MBTI“) im Jahr 1944.

16 Persönlichkeitstypen

Der Test beruht auf einer Theorie des Psychologen Carl Gustav Jung, einstiger Schüler von niemand Geringerem als Sigmund Freud. Dieser teilte die Menschen in 16 verschiedene Persönlichkeitstypen ein – je nach ihrem Umgang mit der Welt.

Myers und Briggs leiteten daraus vier Persönlichkeitsdimensionen ab: Verstand, Energie, Natur und Taktik. Diese versahen sie mit den Attributen introvertiert (I) vs. extrovertiert (E), intuitiv (N) vs. realistisch (S), logikfokussiert (T) vs. prinzipienfokussiert (F) sowie planend (J) vs. suchend (P).

16 Persönlichkeitstypen, 16 Buchstabenkombinationen, so die Idee. Dadurch entstehen Profile wie jene der strategischen Denkerin, des ruhigen Idealisten, der hingebungsvolle Beschützerin und des charmanten Künstlers.

Frau mit einer Dating-App
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„Hot or not?“ Für manche spielen bei der Frage nicht nur das Aussehen, sondern auch die 16 Persönlichkeitsprofile eine Rolle

Beliebt wegen Einfachheit

Es sei vor allem seine „Einfachheit“, die den Test so beliebt werden ließ, schrieb CNN und verwies auf den großen Erfolg, den er nicht nur bei Eignungstests für Unternehmen, sondern auch für Colleges hinlegte. Höhepunkte habe der Test etwa in den 1960er und 1980er Jahren erreicht, davor, dazwischen und danach sei er abwechselnd immer in und wieder aus der Mode gekommen.

Vertrieben wird der offizielle Test nach wie vor durch die Myers-Briggs Company. Ein Unternehmen, das laut einem Artikel der „Financial Times“ („FT“) damit einen Umsatz von 20 Millionen Dollar im Jahr macht. Die Konkurrenz ist jedoch hoch: Mittlerweile finden sich unzählige kostenlose „MBTI“-Tests im Internet.

Aufstieg des Tests in Zeiten der Pandemie

„Der Aufstieg des ‚MBTI‘ in den vergangenen zwei bis drei Jahren fiel mit der Covid-19-Pandemie zusammen“, wurde die südkoreanische Psychologieprofessorin an der renommierten Dankook University, Lim Myoung Ho, zitiert. „Die Menschen sind wahrscheinlich ängstlicher geworden und brauchen daher einen Ort, an den sie sich psychologisch gesehen anlehnen können“, analysierte Lim.

„Es ist klar, dass Menschen weniger Angst haben, wenn sie in einer Gruppe vereint sind“, verwies die Psychologin auf Gruppenpsychologie. Und: „In dieser Gesellschaft wird es als effizienter angesehen, wenn man den Typ, der zu einem passt, schon im Voraus kennt“, sagte Lim.

Gleich und Gleich gesellt sich gern?

Alle mit Großmüttern werden wohl jedoch nicht nur den Spruch „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ kennen, sondern auch das Pendant dazu: „Gegensätze ziehen sich an“. Ähnlich verhält es sich mit dem Test: Wer von vornherein potenzielle Partnerinnen und Partner aufgrund von vier Buchstaben ausschließt, wird möglicherweise eine „aufregende Beziehung mit einer wunderbaren Person verpassen“, so CNN.

Screenshot von „16personalities.com/“
ORF.at/16personalities.com
Simplifizierend, oberflächlich, unzuverlässig, unwissenschaftlich – die Kritik am dem „MBTI“-Test ist mindestens so alt wie der Test selbst

„Einer der schlechtesten Persönlichkeitstests, die es gibt“

Das ist bei Weitem aber nicht die einzige Kritik an der Typologie. In einem Artikel des „Scientific American“-Magazins hieß es dazu etwa, dass der „MBTI“-Test „einer der schlechtesten Persönlichkeitstests ist, die es gibt, und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen.“ Die Fragen seien verwirrend und schlecht formuliert. Und er sei unzuverlässig, da sich das Ergebnis von Tag zu Tag ändern könne.

Kritiker und Kritikerinnen bemängeln zudem die Simplifizierung. Statt nur 16 gebe es eine Fülle verschiedenster Persönlichkeitstypen auf dieser Welt. Durch die starke „Schwarz oder Weiß“-Struktur sei er oberflächlich und nichtssagend.

Kritik an wissenschaftlich unfundierten Methoden

Dass sich viele in den Ergebnissen erkennen würden, liege vor allem am „Barnum-Effekt“. Dieser besagt, dass sich Personen durch ihre individuelle Interpretation in vagen und allgemein gehaltenen Aussagen wiederfinden.

Dazu komme: Weder die Methodik noch die Ergebnisse selbst würden einer empirischen Überprüfung standhalten und entsprechen auch keinen zeitgemäßen wissenschaftlichen Standards, so Kritiker. Inwieweit wissenschaftliche Standards bei so etwas Irrationalem wie Liebe helfen können, bleibt aber ohnehin fraglich. Das würden zumindest ENFPs meinen.