Papst Franziskus
AP/The Canadian Press/Jason Franson
Missbrauchsfälle in Kanada

Papst Franziskus bittet um Vergebung

Papst Franziskus hat sich am Montag bei den kanadischen Ureinwohnern für die Rolle der Kirche in Schulen entschuldigt, in denen indigene Kinder jahrzehntelang systematisch missbraucht wurden und an Unterernährung und Krankheiten starben. Er forderte zudem, dass die Internatsschulen ernsthaft untersucht werden und die Überlebenden und ihre Nachkommen künftig mehr Hilfe erhalten sollten, um zu heilen.

„Mit Scham und Eindeutigkeit bitte ich demütig um Vergebung für das Böse, das so viele Christen an den indigenen Völkern begangen haben", sagte der Papst bei seinem Besuch in dem kanadischen Ort Maskwacis. Das katholische Kirchenoberhaupt bedauerte die Mitwirkung der Kirche an der „kulturellen Zerstörung“ der indigenen Gesellschaften.

In einer Rede in der Nähe des ehemaligen Schulgeländes entschuldigte sich Franziskus für die christliche Unterstützung der „kolonisierenden Mentalität“ jener Zeit. Er äußerte zudem Bestürzung über die Art und Weise, „in der viele Mitglieder der Kirche und von religiösen Gemeinschaften, nicht zuletzt durch Gleichgültigkeit, an Projekten der kulturellen Zerstörung und erzwungenen Assimilierung mitwirkten“.

Rund 150.000 Kinder von Familien getrennt

Der Papst traf in Maskwacis, rund hundert Kilometer südlich von Edmonton, Vertreter der indigenen Bevölkerung, die sich seit Langem auf den Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes vorbereitet hatten. In Maskwacis befand sich von 1895 bis 1975 das Internat von Ermineskin, eines der größten Internate des Landes.

Er empfinde Schmerz und Reue, sagte der 85-Jährige zu den indigenen Führern der First Nations, Metis und Inuit. Er forderte eine „ernsthafte Untersuchung“ der Internatsschulen und mehr Hilfe für die Überlebenden und ihre Nachkommen, um sie zu heilen.

Papst Franziskus zusammen mit Mitgliedern der indigenen Gemeinschaft in Kanada
APA/AFP/Patrick T. Fallon
Der Papst bat die indigene Bevölkerung „demütig“ um Verzeihung

In Kanada waren seit 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden dort misshandelt und sexuell missbraucht, Tausende starben an Krankheiten und Unterernährung.

Debatte über Umgang mit Kindern läuft seit Jahren

Die Missbrauchstaten geschahen über Jahrzehnte hinweg in staatlichen und von der Kirche geführten Einrichtungen. Kinder starben an den Folgen von Krankheiten, Hunger und im Zusammenhang mit Missbrauch. Die Fälle erlangten international großes Aufsehen, als Experten vor etwas mehr als einem Jahr in der Nähe eines Internates anonyme Gräber von toten Kindern entdeckten.

In der indigenen Bevölkerung Kanadas ahnten Familienmitglieder schon lange, welches Schicksal ihre Verwandten einst in diesen Institutionen ereilte. Den teils ihren Familien entrissenen Kindern sollte dort westliche Kultur beigebracht werden. Die Debatte über den Umgang mit den Ureinwohnerkindern läuft in Kanada schon seit Jahren. Kritik gibt es an der Kirche wegen nicht angemessener Entschädigung für die Überlebenden.

Kanada: Papst entschuldigt sich bei Indigenen

Der Fund der sterblichen Überreste Hunderter indigener Kinder hat vor cirka einem Jahr Kanada und die Welt in blankes Entsetzen versetzt. Die unmarkierten Gräber liegen in der Nähe ehemaliger Umerziehungsheime, einst geführt von der evangelischen und der katholischen Kirche. Nun ist Papst Franziskus nach Kanada gereist um sich bei den Indigenen auf ihrem Land zu entschuldigen.

Papst: Muss auf Reise aufmerksam sein

Papst Franziskus hatte vor seinem Abflug angekündigt, als Büßer in das flächenmäßig zweitgrößte Land der Welt mit rund 38 Millionen Einwohnern zu kommen. Auf dem Flug nach Edmonton sagte er am Sonntag, man müsse auf dieser Reise „aufmerksam“ sein. Auf dem Weg vom Flughafen waren vereinzelt Menschen am Straßenrand, die auf den vorbeifahrenden Papst warteten. An einer Brücke hing aber auch ein Banner mit der Aufschrift „No to apology“ (dt.: „Nein zu einer Entschuldigung“).

Am Montagnachmittag (Ortszeit) wollte Franziskus in Edmonton noch eine katholische Kirche besuchen, die Erzbischof Joseph MacNeil 1991 zu einer Pfarrei für Christen, First Nations, Metis und Inuit machte. Es war das erste Gotteshaus dieser Art in Kanada, in dem der katholische Glaube und die Kultur der Ureinwohner zusammenfließen durften. In Edmonton ist auch eine große ukrainische Diaspora beheimatet. Ob Franziskus, der zuletzt sagte, in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen zu wollen, Vertreter der Gemeinschaft treffen wird, ist offiziell jedoch nicht bekannt.

Am Dienstag will der Papst in einem Stadion in Edmonton eine Messe feiern und einen für Katholiken und Ureinwohner gleichermaßen bedeutsamen See segnen. Der See Sainte-Anne (dt.: Heilige Anna) ist Teil einer wichtigen Pilgerroute.

„Bedeutender erster Schritt in Richtung Versöhnung“

„Das ist ein bedeutender erster Schritt in Richtung Versöhnung und Anerkennung des generationenübergreifenden Traumas, das die Internate bei den indigenen Völkern auf Turtle Island hinterlassen haben“, so der nationale Chef des Kongresses der Ureinwohner, Elmer St. Pierre, nach der Entschuldigung des Papstes. Nach gescheiterten Versuchen und mangelndem Willen sei es an der Zeit, dass die katholische Kirche die notwendigen Investitionen tätige, um sicherzustellen, dass Einzelne und Gemeinschaften heilen können.