Anlage an einer Gas-Pipeline
Reuters/Kacper Pempel
Gasnotfallplan

EU-Staaten erzielen offenbar Einigung

Wenige Stunden vor einem Treffen der Energieministerinnen und Energieminister haben sich die EU-Staaten in der Nacht auf Dienstag Berichten zufolge auf einen Notfallplan zum Gassparen geeinigt. Die Vorlage der EU-Kommission wurde offenbar deutlich verwässert. So sind etwa mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen, auch die Hürde für die Einführung verpflichtender Ziele wurde erhöht.

EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte vor dem Sondertreffen in Brüssel, sie rechne mit einer politischen Einigung. Ähnlich äußerten sich der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela, dessen Land derzeit den Ratsvorsitz innehat, und seine polnische Amtskollegin Anna Moskwa. Sie betonte, für ihr Land wären verpflichtende Sparvorgaben nicht akzeptabel gewesen.

Kommissarin Simson kritisierte zugleich die von Gasprom angekündigte Kürzung der Gaslieferungen. Diese sei „politisch motiviert“. Die Ankündigung von Gasprom Montagnachmittag unterstützte freilich indirekt die EU-Kommission, die für ihren Gasnotfallplan in der Vorwoche viel Kritik wegen voreiliger Panikmache einstecken musste.

Deutschland muss wohl mehr sparen

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte beim Eintreffen, Europa sei ein „komplexes Gebilde“, dem es aber oft gelinge, „erstaunlich stark aus einem Geist der Gemeinsamkeit heraus zu handeln“. Durch die zahlreichen Ausnahmen in dem Notfallplan muss Deutschland in diesem Winter voraussichtlich deutlich mehr einsparen als andere Länder. „Wenn Deutschland mehr macht als 15 Prozent, dann ist es ja auch keine Schande“, so Habeck.

Gewessler: „Braucht starkes Signal“

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte unmittelbar vor Beginn des Treffens, dass es eine „deutliche Annäherung“ gegeben habe, nun gehe es „um eine politische Einigung“. „Es braucht dieses starke Signal“, so Gewessler, die darauf verwies, dass Russlands Präsident Wladimir Putin erst tags zuvor neuerlich bewiesen habe, dass er Gas als Waffe einsetzt. Sein Ziel sei es, „die Preise zu treiben, Europa zu verunsichern und Europa zu spalten“, es sei ein „gefährliches Spiel“ bei dem man nicht mitspielen dürfe.

Im Hinblick auf die Situation in Österreich sagte Gewessler, dass man im Vergleich zum Vorjahr bereits zehn Prozent des Gasbedarfs eingespart habe. Zwar sieht der EU-Vorschlag vor, den Bedarf im Vergleich zum Fünfjahresschnitt zu reduzieren, doch die bereits gemachten Einsparungen würden zeigen: „Sparen ist möglich“, auch wenn es ein „Kraftakt“ sei. Gewessler sagte, es sei wichtig, dass der Kommissionsvorschlag nun „nicht weiter verwässert wird“.

Freiwillige Reduktion des Gaskonsums

Der Plan sehe wie von der EU-Kommission vorgeschlagen vor, den nationalen Konsum im Zeitraum 1. August bis 31. März freiwillig um 15 Prozent zu senken, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Mithilfe des reduzierten Konsums soll die EU auch bei einem kompletten Gaslieferstopp aus Russland durch den Winter kommen. Der Plan sieht laut dpa auch die Möglichkeit vor, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Deutlich mehr Ausnahmen vorgesehen

Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen, und auch die Hürden für die verpflichtende Einführung der Ziele wurden erhöht. Letztere sollen nur vom Rat der Mitgliedsstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können. Konkret bedeutet das, dass ein Kommissionsvorschlag für verbindliche Einsparziele die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Länder braucht. Zudem müssten diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedsstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

Ursprünglicher Plan deutlich strenger

Der ursprüngliche Plan hatte vor allem in Südeuropa für Aufregung gesorgt. Nach dem Wunsch der EU-Kommission hätte jedes Land seinen Gasverbrauch bis März um 15 Prozent senken sollen, gemessen am Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Für den Fall, dass der Konsum nicht schnell genug zurückgehe, wollte Brüssel verpflichtende Sparziele vorgeben.

Einige Länder sahen die EU-Pläne vor allem als Absicherung für Deutschland, das besonders von russischem Gas abhängig ist. Nicht alle Länder wollten bei der Verpflichtung zur Solidarität mitspielen und teilten vergangene Woche ihren Unmut über den Vorschlag mit. Diplomaten sprachen schon von einer „Mission Impossible“.

Vier Staaten mit größeren Vorbehalten

Das Beschlussverfahren für den überarbeiteten Plan soll am Dienstag bei einem Sondertreffen der für Energiefragen zuständigen Ministerinnen und Minister eingeleitet werden. Dafür ist ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit notwendig.

Europaratgebäude in Brüssel
ORF.at/Florian Bock
In Brüssel werden die Energieministerinnen und -minister über die Vorschläge der Kommission beraten

Bei den Beratungen der ständigen Vertretungen der Mitgliedsstaaten habe sich gezeigt, dass ein Großteil der Länder Solidarität für äußerst wichtig halte und Gas einsparen wolle, hieß es aus diplomatischen Kreisen zur dpa. Neben Ungarn hätten nur noch drei andere Mitgliedsstaaten größere Vorbehalte geäußert.

Gasprom reduziert Liefermenge

Der russische Gaskonzern Gasprom kündigte am Montag an, die Lieferungen durch die Ostseepipeline „Nord Stream 1“ weiter zu senken. Ab Mittwoch 6.00 Uhr werden laut Gasprom noch 20 Prozent oder 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es vom Unternehmen. Ministerin Gewessler sagte dagegen in der ZIB2 unter Verweis auf die Regulierungsbehörde E-Control, es gebe „keinen technisch nachvollziehbaren Grund für diese Ankündigung“. Man müsse von einer „politischen Ankündigung“ ausgehen, so die Ministerin.