gestrandetes Boot in ausgetrockneten Lake Mead
AP/John Locher
Millionen abhängig

Colorado River schwindet im Zeitraffer

Satellitenbilder der NASA zeigen den starken Schwund des Colorado River, der rund 40 Millionen Menschen in sieben US-Bundesstaaten versorgt. Für ein Gegensteuern bleibt kaum mehr Zeit. Fachleute sprechen von einer Klimakatastrophe für die USA.

Der Colorado ist der größte Fluss im Südwesten der USA und füllt die beiden wichtigsten Wasserreservoirs der Region: die Stauseen Mead und Powell. Davon wird nicht nur das Trinkwasser für sieben Bundesstaaten und auch einen Teil Mexikos gezogen, der Fluss ist auch lebenswichtig für die Landwirtschaft und Energieversorgung. Die Trockenheit und das Missmanagement der vergangenen Jahrzehnte brachten den Fluss inzwischen dazu, stark auszudünnen.

Das NASA Earth Observatory veröffentlichte kürzlich dazu Satellitenbilder, die die dramatische Entwicklung der vergangenen 22 Jahre zeigen. Das sei wohl die erste große Folge der Klimakrise, „die das Land buchstäblich nicht ignorieren kann“, schreibt das US-Nachrichtenportal Grid News. „Die sogenannte Millennium-Dürre, die sich jetzt in ihrem 23. Jahr befindet, hat Niederschlag und Schneeabfluss in den Fluss und die Seen derart dramatisch reduziert, dass nun einem riesigen Teil des Landes eine wahre Wasserkatastrophe droht.“

Satellitenbild Lake Mead
Satellitenbild Lake Mead
NASA NASA

Im Jahr 2000 waren der Lake Mead und der Lake Powell noch zu etwa 95 Prozent gefüllt. Nun nähert sich der Lake Mead den 27 Prozent an, der Powell-Stausee liegt bei etwa 22 Prozent, wie das US-Onlinemagazin The Hill meldet. Bald sei nicht mehr genug Wasser vorhanden, um die Turbinen des Hoover Damms, der Strom produziert, optimal zu betreiben.

Sparmaßnahmen eingeleitet

Am Ufer des angrenzenden Lake Mead bildeten sich inzwischen deutlich sichtbare Anzeichen, die die Anrainer „Badewannenring“ nennen. Die Ablagerungen an den Felswänden zeigen, wo das Wasser einst stand. In den ausgetrockneten Stellen offenbarten sich im Lauf der vergangenen Jahre Hinterlassenschaften wie von den Klippen gestürzte Autos oder sogar Leichen, die in Fässern „entsorgt“ worden waren, wie CNN berichtete.

Die Trockenheit führte bereits zu größeren Sparmaßnahmen, die Bundesbehörde Bureau of Reclamation wies die sieben betroffenen US-Bundesstaaten an, einen Plan zur Wasserreduktion zu erstellen. Kommendes Jahr sollen um mindestens 2.500 Millionen Kubikmeter Wasser weniger verbraucht werden. Und es könnten noch strengere Kürzungen kommen. Wenn der Wasserstand am Lake Mead so bleibt, würde das ab dem Jahreswechsel rechtlich eine neue Stufe von Beschränkungen in Arizona, Nevada, Mexiko und wahrscheinlich Kalifornien auslösen.

Niedriger Wasserstand im Lake Mead
APA/AFP/Patrick T. Fallon
Anhand des „Badewannenrings“ kann der frühere Wasserstand erahnt werden

Ob das reicht, daran zweifelt John C. Schmidt, Direktor des Center for Colorado River Studies der Universität Utah. In der Fachzeitschrift „Science“ modellierten Schmidt und seine Kollegen verschiedene Szenarien zur Reduzierung des Verbrauchs. Sie stellten fest, dass die Art von Einschränkungen, die erforderlich sind, um den Fluss und die Stauseen zu stabilisieren, „undenkbar erscheinen mögen“. Dennoch seien diese Änderungen notwendig und dringend. Die Forscherinnen und Forscher sprechen sich neben drastischem Wassersparen dafür aus, die Speicherung in den beiden Stauseen neu zu kombinieren. Auch müssten die vielen zwischenstaatlichen und internationalen Vereinbarungen zur Nutzung des Flusses – sie sind zum Teil hundert Jahre alt – neu verhandelt werden.

Volle Pools, leere Stauseen

Denn vieles deutet darauf hin, dass der aktuelle Zustand des Flusses auch auf Managementfehler der Vergangenheit zurückzuführen ist. „Es ist eine Krise, die sich über eine lange Zeit entwickelt hat“, zitiert Grid News John Fleck, Professor an der University of New Mexico.

„Wir haben den Fluss vor einem Jahrhundert überlastet, dann haben eine ganze Reihe von Gemeinden nach Treu und Glauben Entscheidungen getroffen, Städte und Farmen in der Wüste zu bauen“, so Fleck. Die Verträge seien in einer sehr feuchten Klimaperiode geschlossen worden, im Glauben, das Wasser bleibe ewig verwendbar. „Und der Klimawandel hat dieses Problem nur noch verschlimmert.“

Wohnhaus mit Pool in Las Vegas
AP/John Locher
Voller Pool in der Wüste von Las Vegas: Auch das Missmanagement beim Wasserverbrauch hat zum jetzigen Zustand beigetragen

Umweltorganisationen machen schon seit Jahren auf die Austrocknung des Colorado River aufmerksam und rufen die Politik zum Handeln auf. Die politische Großwetterlage sorgt allerdings für Schwierigkeiten, im Kongress stockt die Klimaagenda von US-Präsident Joe Biden. Im Juni schränkte außerdem der Oberste Gerichtshof den Handlungsspielraum der Regierung drastisch ein. Dabei ist Eile geboten.

Der Autor Jonathan P. Thompson schrieb auf der Plattform The Land Desk, diese Herausforderung könne „nicht mit Maschinen oder Technologie oder Milliarden von Dollar bewältigt werden. Der einzige Ausweg ist Einschränkung, aber dafür ist es vielleicht schon zu spät“.