„Natürlich werden wir alle unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Partnern erfüllen, aber die Entscheidung über den Ausstieg aus dieser Station nach 2024 ist gefallen“, sagte Borissow, der von Putin kurz zuvor als Nachfolger von Dmitri Rogosin eingesetzt worden war. „Ich denke, dass wir zu diesem Zeitpunkt mit dem Aufbau einer russischen Raumstation beginnen werden“, fügte Borissow hinzu. Dies sei die „oberste Priorität“ des nationalen Raumfahrtprogrammes.
Rogosin hatte die Zusammenarbeit mit den USA auch angesichts politischer Spannungen zwischen Moskau und Washington im Zuge des Krieges in der Ukraine zuletzt immer wieder infrage gestellt. Seit dem Beginn der russischen Offensive gegen die Ukraine veröffentlichte Rogosin regelmäßig polarisierende Erklärungen in Onlinediensten. Im Mai schrieb er etwa, Russland benötige nur eine halbe Stunde, um die NATO-Länder in einem Atomkrieg zu „vernichten“.
Der neue Roskosmos-Chef Borisow war als Vizeministerpräsident bisher für den militärisch-industriellen Komplex zuständig, zu dem in Russland auch die Raumfahrt gehört. Borisow sagte, dass bis zum Ausstieg mit dem Bau einer russischen Raumfahrtstation begonnen werden solle. Die ISS war zuletzt in die Jahre gekommen und hatte immer wieder wegen Pannen für Aufsehen gesorgt.

Borissow: Werde Messlatte höher legen
Mit dem ersten bemannten Weltraumflug im Jahr 1961 und dem Start des ersten Satelliten einige Jahre zuvor hatte das damals sowjetische Raumfahrtprogramm große Erfolge erzielt. In den vergangenen Jahren musste die russische Raumfahrtbehörde aber eine Reihe von Rückschlägen hinnehmen. Unter anderem machten ihr Korruptionsskandale und der Verlust von Satelliten und Raumfahrzeugen zu schaffen.
Borissow sagte, die russische Raumfahrtindustrie befinde sich in einer „schwierigen Situation“. Er werde sich darum bemühen, „die Messlatte höher zu legen“ und die russische Wirtschaft mit raumfahrtbezogenen Dienstleistungen wie Navigation, Kommunikation und Datenübertragung zu versorgen. Rogosin hatte zuvor nicht ausgeschlossen, das russische Modul von der ISS abzukoppeln und eigenständig weiterzubetreiben. Dabei deutete er auch eine mögliche Nutzung der Station zur militärischen Erdbeobachtung an.
USA müssen nun Aufgaben Russlands übernehmen
Die ISS, die seit 1998 die Erde umkreist, ist in ein russisches und ein US-Segment unterteilt. Sie ist ein gemeinsames Projekt der USA, Kanadas, Japans, der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) und Russlands. Auch die Volksrepublik China sprach bereits den Wunsch einer Beteiligung an der ISS aus, scheiterte aber am Veto der USA. Der Betrieb der ISS war ursprünglich bis 2024 vorgesehen, jedoch will die US-Raumfahrtbehörde NASA sie nun erst 2030 außer Dienst stellen.

Russland ist unter anderem dafür zuständig, die ISS auf Kurs zu halten, und meistens auch die Besatzung zur Erde hin und zurück zu transportieren. Die USA könnten diese Aufgabe theoretisch auch ohne russische Hilfe übernehmen, hätten dafür aber wohl auf absehbare Zeit nicht ausreichend Kapazitäten, so der „Spiegel“. Laut „Frankfurter Rundschau“ („FR“) arbeitet die NASA bereits daran, die Korrektur der Flugbahn mit eigenen Raumschiffen durchführen zu können.
Rogosin: US-Astronauten sollen Trampoline benutzen
Die russisch-westliche Zusammenarbeit im Bereich der Raumfahrt hat durch den Angriff Russlands auf die Ukraine stark gelitten. Als Moskau 2014 die Krim annektierte, verhängten die USA Sanktionen auch gegen den Roskosmos-Chef. Rogosin sagte damals, US-Astronauten sollten anstelle russischer Raketen Trampoline benutzen, um zur ISS zu gelangen.
Trotz der neuen politischen Spannungen hatte die NASA vor Kurzem angekündigt, die Kooperation mit Russland bei Flügen zur ISS wieder aufnehmen zu wollen. Aus Sicherheitsgründen und um „die US-Präsenz im Weltraum“ zu sichern, werde es ab September wieder gemeinsame Flüge von NASA-Astronauten mit russischen Kosmonauten in russischen Sojus-Raketen geben, hieß es Anfang des Monats. Russische Raumfahrer sollen erstmals auch die im Auftrag der USA fliegenden Raketen des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX nutzen.