Martin Kocher (ÖVP) und Johannes Rauch (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Coronavirus

Details zu Quarantäne-Aus präsentiert

Die Quarantäne bei Infektionen mit dem Coronavirus fällt bundesweit mit dem 1. August. Das hat Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Dienstagnachmittag nach einem Treffen mit den Bundesländern bestätigt. Bereits zuvor war eine entsprechende Verordnung kursiert. Dieser zufolge können positiv Getestete künftig mit einigen Einschränkungen das Haus verlassen, wenn sie sich nicht krank fühlen. Rauch betonte, man müsse in eine neue Pandemiephase eintreten.

Ab August sollen positiv Getestete lediglich noch Verkehrsbeschränkungen unterworfen sein. So muss etwa eine FFP2-Maske getragen werden, wenn man sich anderen Menschen auf weniger als zwei Meter nähert. Zudem gibt es Betretungsverbote. Das betrifft Krankenanstalten ebenso wie Pflege-, Behinderten- und Kuranstalten, Kinderbetreuungseinrichtungen, Volksschulen und Horte. Wer dort arbeitet, darf die Einrichtungen auch mit einem positiven Test betreten.

Ohnehin ist Arbeiten mit positivem Test künftig wieder möglich, wenn eine Maske angelegt ist. Keine Beschränkungen gibt es, wenn am Arbeitsplatz nur aktuell infizierte Personen zusammentreffen. In vulnerablen Settings wie Krankenhäusern ist eine Maske zu tragen. Zu beachten ist, dass die Verkehrsbeschränkungen nicht erst nach einem positiven PCR-Test laufen, sondern bereits nach einem Antigen-Test gelten.

Grafik zum Aus der Coronavirus-Quarantäne
Grafik: APA/ORF.at

Comeback für telefonische Krankschreibung, Risikogruppen

Die Lockerung wird an mehrere Begleitmaßnahmen gekoppelt. So wird einerseits die telefonische Krankmeldung wieder aktiviert, andererseits tritt die Risikogruppenverordnung wieder bundesweit in Kraft. Durch letztere sollen besonders Gefährdete unter anderem am Arbeitsplatz geschützt werden. Betroffen sind Personen, die trotz Impfung schwere Verläufe zu befürchten haben oder nicht geimpft werden können.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher führte aus, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf Basis eines Covid-Risikoattests betroffenen Beschäftigten Schutzmaßnahmen wie Einzelbüros oder Homeoffice zur Verfügung stellen müssen. Können solche nicht gewährt werden, gibt es einen Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung.

Verwiesen wurde bezüglich des Quarantäne-Aus darauf, dass Bevölkerung und Unternehmen verantwortungsbewusst handeln müssten: „Wer krank ist, soll nicht arbeiten gehen.“ Man werde jedenfalls nicht „flächendeckend Polizisten aufstellen“, um den Gesundheitszustand von Menschen zu kontrollieren.

Verweis auf andere Staaten

Rauch verwies erneut auf die Devise: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ und die vielfältigen psychosozialen Auswirkungen der Krise. Die Situation sei eine andere als 2020, wo man einem unbekannten Virus mit einem „leeren Werkzeugkoffer“ gegenüber gestanden sei. Mittlerweile kursiere nicht nur eine Variante mit milderen Vorläufen, man verfüge auch über Gegenmaßnahmen wie die Impfung und Medikamente. Entsprechend gehe man „gut vorbereitet in eine neue Phase der Pandemiebekämpfung“.

Aus für Quarantäne besiegelt

Die CoV-Quarantäne fällt wie erwartet.

Man habe sich an Staaten wie Dänemark, Norwegen, Großbritannien, Spanien und der Schweiz orientiert, wo die Quarantäneregeln teils schon lange abgeschafft sind. Hier habe es insgesamt keine deutlichen Auswirkungen auf die Spitalsbelegung gegeben.

Reich: Coronavirus „langfristige Sache“

Zur Lage in den österreichischen Krankenhäusern äußerte sich Chief Medical Officer Katharina Reich. Das neue Covid-19-Register zeige, dass „mit Omikron die Lage verändert ist“. Die Covid-Betten seien derzeit etwa zur Hälfte tatsächlich wegen Covid-Fällen belegt, bei der anderen Hälfte seien die Betroffenen wegen einer anderen Hauptdiagnose im Spital und im Zuge dessen auf Covid-19 getestet worden.

Angesichts der Lage seien die Lockerungen aktuell „der richtige Weg“. Das Coronavirus sei eine „langfristige Sache“, die nicht nach dem Winter vorbei sein werde. Man müsse damit leben. „Die Verkehrsbeschränkung ist der erste Schritt weg vom Krisenmodus zum Akzeptanzmodus“, so Reich. Man könne die Pandemie nicht für beendet erklären, sich aber langfristig rüsten.

Hoffen auf mehr Testbereitschaft

Reich betonte, dass Covid-19 deswegen auch weiterhin eine meldepflichtige Krankheit bleiben soll, damit der Überblick aufrecht bliebe. Entsprechend wurde auch auf den Variantenplan für den Herbst verwiesen, der verschiedene Szenarien und entsprechende Maßnahmen berücksichtigt.

Die verfügbaren Medikamente seien zudem ein „deutliches Sicherheitsnetz“, hier soll der Zugang niederschwelliger werden. Zudem werde die Maske nun „wichtiger denn je“. Reich äußerte auch die Hoffnung, dass sich durch die neuen Maßnahmen die Testbereitschaft wieder erhöhen lasse: „Viele Leute sind ja nicht mehr testen gegangen, weil sie sich nicht absondern lassen wollen.“

Heftiger Widerstand aus roten Ländern

Heftigen Widerstand gegen die Lockerungen hatte es zuvor in den SPÖ-geführten Bundesländern gegeben. Sowohl Wien als auch das Burgenland und Kärnten sind damit nicht einverstanden. Wiens SPÖ-Stadtrat Peter Hacker sagte etwa gegenüber der APA: „Spätestens im September fliegen uns die Zahlen um die Ohren.“ Er ortete weiters mangelhafte Kommunikation. Auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sieht einen Schritt in die falsche Richtung – mehr dazu in wien.ORF.at.

Neue Regeln präsentiert

Einige der neuen CoV-Regelungen erscheinen durchaus sehr speziell. Wird das so in der Praxis funktionieren? Gernot Rohrhofer berichtet.

Kritik übte auch Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) an zu wenig Abstimmung. Die Maßnahme sei als fix präsentiert worden – mehr dazu in noe.ORF.at. Ähnliche Kritik kam aus Kärnten. Das Thema sei „in 20 Minuten abgehandelt worden“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Zustimmung von ÖVP-Seite

Rundum Zustimmung kam von ÖVP-Seite. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sieht im Aus für die Quarantäne ein wichtiges Signal, dass die Pandemie endemisch wird. Tirols Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP) zeigte sich auf APA-Anfrage überzeugt, dass die „gegenwärtigen milden Varianten“ die „jüngsten Entscheidungen“ zuließen. Auch die steirische Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) hält die Maßnahme derzeit für vertretbar, bei einer Änderung der Lage müsse diese evaluiert werden – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Bergthaler: GECKO überwiegend skeptisch

Bei Fachleuten fiel das Urteil über die Entscheidung gemischt aus. Aus Sicht der Wissenschaft sei es „schwierig, diesen Schritt zu unterstützen“ – wenngleich freilich die Politik anders entscheiden könne, sagte der Virologe Andreas Bergthaler in der Zeit im Bild.

Experten gegenüber Lockerungen reserviert

Das Lockern der Isolierungspflicht sei eine rein politische Entscheidung, betonen Mitglieder der die Regierung beratenden GECKO-Kommission.

Bergthaler ist Mitglied im von der Regierung eingesetzten Krisenstab GECKO, und dort habe bei der Sitzung am Montag die Skepsis überwogen. Die Entscheidung für das Quarantäneende falle zum falschen Zeitpunkt. Denn aus den Abwasseranalysen wisse man, dass die Dunkelziffer weiter im Steigen sei. Bergthaler warnte auch vor dem „Trugschluss“, dass Menschen mit milden Symptomen nicht ansteckend seien.

Für Gartlehner und Klimek vertretbar

Epidemiologe Gerald Gartlehner hingegen hält die Lockerung angesichts der Infektiösität und der damit eingeschränkten Wirksamkeit der Quarantäne für vertretbar. Der Komplexitätsforscher Peter Klimek sieht das ähnlich, er verwies in der „Presse“ dabei auch auf wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Überlegungen. Beide verwiesen auf die internationalen Vorbilder.

Den falschen Zeitpunkt sieht hingegen laut „Falter“ der Virologe Norbert Nowotny. Die Zahl der Infizierten sei derzeit zu hoch. Der Molekularbiologe Ulrich Elling sprach sich auf Twitter ausdrücklich gegen das Ende der Quarantäne aus. Es gehe nicht darum, den Winter oder eine letzte Welle durchzutauchen, sondern sich an die bis auf Weiteres neue Realität zu adaptieren.

Arbeitsrechtliche Bedenken

Bedenken bezüglich der Konsequenzen für Unternehmen und Beschäftigte kamen von der Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak. „Jeder vernünftige Arbeitgeber lässt Covid-Positive daheim“, so die Anwältin – mehr dazu in wien.ORF.at.

Die Ärztekammer forderte begleitende Maßnahmen und sprach sich für ein Wiederhochfahren des Testregimes in Ordinationen auf. Die Gewerkschaft pocht auf den Schutz der Beschäftigten, die Wirtschaftskammer wiederum forderte klare Rahmenbedingungen für Unternehmen.

Opposition mit Kritik

Bereits am Vormittag hatte die Bundes-SPÖ Kritik an den Plänen geübt. Die Regierung betrete beim CoV-Management konsequent den falschen Weg und taumle aus politisch motivierten Gründen von einer Welle in die nächste. Wichtig wäre es stattdessen, „das Infektionsgeschehen weiterhin kontrollieren zu können, Vorbereitungen für den Herbst zu treffen und dabei vor allem Aspekte wie die Erhöhung der Impfbereitschaft oder die Teststruktur einzubeziehen“, so Klubobmann Jörg Leichtfried.

Der FPÖ geht all das Geplante nicht weit genug. Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sah auch keinen Anlass mehr für Verkehrsbeschränkungen. Die Erkrankungsschwere und das Hospitalisierungsrisiko lägen inzwischen unter jenem der Grippeviren, welche ja auch nicht im Epidemiegesetz erfasst seien.

NEOS begrüßte die Maßnahme: „Man darf nicht vergessen, dass Österreich über weite Strecken die strengsten und teuersten Regeln hatte, ohne daraus einen Vorteil in der Pandemiebekämpfung zu ziehen, was ein Vergleich mit unseren westeuropäischen Nachbarn belegt“, so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Gerald Loacker. Er sah aber noch viele arbeitsrechtlich ungeklärte Fragen und beklagte Dilettantismus.