FFP2-Maske
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„Neuland“

Quarantäne-Aus birgt noch offene Fragen

Mit 1. August fällt mit der bisherigen Quarantäneregelung eine der letzten tiefgreifenden Coronavirusmaßnahmen. Die Vorgangsweise zeichnete sich zuletzt bereits ab – das am Mittwoch auch offiziell erlassene Aus der bisher verpflichtenden Quarantäne bei einer CoV-Infektion birgt aber weiter offene Fragen. Von einem „arbeitsrechtlichen Neuland“ ist etwa bei der Arbeiterkammer Wien die Rede. Bedenken gibt es wegen nun wohl ausbleibender Ersatzzahlungen vonseiten der Arbeitgeber. Noch Aufklärungsbedarf gibt es in Schulen und Spitälern. Auf einen zentralen Punkt verweist zudem die Ärztekammer.

Zur Umsetzung der neuen Verordnung, mit der die Quarantäne bei CoV-Infizierten in einen herkömmlichen Krankenstand übergeleitet wird, sei es demnach noch „dringend notwendig, dass die Sozialversicherung Covid in den Sozialversicherungsbetrieb übernimmt“, heißt es in einer Aussendung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, Johannes Steinhart. Nur dann sei auch „eine entsprechende Krankschreibung möglich“.

Betont zurückhaltend zeigt sich die Ärztekammer mit Blick auf die nun auf niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wartende neue CoV-Aufgabe – konkret die Entscheidung über Krankenstand und Bewegungseinschränkungen bei CoV-infizierten Patientinnen und Patienten. Der Ärztekammer-Aussendung zufolge nehme man die Änderungen bei den derzeit gültigen Bestimmungen zu den Quarantäne-Regeln „zur Kenntnis“. Auf ORF.at-Nachfrage verweist die Ärztekammer auf die Wiedereinführung der telefonischen Krankmeldung und der damit erwarteten „deutlichen Vereinfachung“ des anstehenden neuen CoV-Regimes.

Großteil der Spitäler noch abwartend

Während Ärztekammer-Chef Steinhart für die Lockerung der Quarantäneregel begleitende Maßnahmen wie etwa ein Wiederhochfahren des Testregimes in Ordinationen einfordert, stellt das Quarantäne-Aus nicht zuletzt die Spitäler vor eine neue Herausforderung. Bei den Salzburger Landeskliniken müssen symptomlos infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die keinen Kontakt zu Patientinnen und Patienten haben, mit 1. August mit FFP2-Maske regulär zum Dienst erscheinen. In den anderen Bundesländern wartet man noch ab.

Die Virologin Dorothee van Laer hält den Einsatz von infiziertem Spitalspersonal in der Pflege vulnerabler Menschen „aus medizinischer Sicht nicht für verantwortbar“. Die für positiv Getestete im Umgang mit anderen vorgeschriebenen FFP2-Masken würden nur einen „gewissen Schutz“ bieten, betonte sie in der ZIB2. Und hob hervor, dass CoV-Infizierte zwei bis drei Tage bevor Symptome ausbrechen, besonders ansteckend sind.

Expertinnen zum Ende der CoV-Quarantäne

Das Ende der CoV-Quarantäne wird heftig diskutiert. Viele praktische Fragen sind weiterhin ungeklärt. Im Studio sind dazu Virologin Dorothee von Laer und Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak zu Gast.

„Arbeitsrechtliches Neuland“

Geht es nach dem Arbeitsrechtsexperten Philipp Brokes von der Arbeiterkammer (AK) Wien, gelte es unterdessen auch noch abzuklären, ab wann künftig überhaupt eine Krankmeldung für Coronavirus-Infizierte ausgestellt werden könne. Es sei „weitestgehend unklar, ab wann infizierte Personen nun zu Hause bleiben können“, so Brokes, der per Aussendung anmerkt: „Arbeitsrechtlich betritt man auf vielen Ebenen absolutes Neuland.“

Außer Frage stellte der Arbeitsrechtsexperte, dass die Maßnahmen keine Aufweichung des Krankenstandes bewirken dürfen. „Wer sich krank fühlt, hat sich zu schonen und darf nicht in den Betrieb zitiert werden“, so Brokes, der „mangels klarer Vorgaben“ für Betriebe, wie Arbeitsstätten in diesen Fällen zu gestalten sind, dennoch „großes Konfliktpotenzial“ befürchtet.

Vor Inkrafttreten der Verordnung müsse die Regierung etwa noch klären, inwieweit der Arbeitgeber die Belegschaft über CoV-Positive im Betrieb informieren müsse. „Vor allem Mitarbeiter mit Vorerkrankungen oder in einem Großraumbüro seien darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber seiner Schutzpflicht nachkomme“, wie Brokes hier anmerkt. Weitere offene Fragen ergeben sich für die AK auch im Zuge einer Betreuungspflicht für positiv getestete Kinder, nachdem die Regelung für die Sonderbetreuungszeiten mit Juli ausgelaufen ist.

„Völlig unklar“

„Völlig unklar“ ist es aus Sicht des Lehrergewerkschaftschefs Paul Kimberger (Fraktion Christlicher Gewerkschafter, FCG), wie es nach dem Ende der Quarantäne an den Schulen weitergeht. Dass künftig wissentlich infizierte und potenziell ansteckende Menschen in Schulen zugelassen werden würden, sieht Kimberger im APA-Gespräch kritisch: „Es ist nur schwer vorstellbar, dass infizierte Kinder neben ihren Schulkollegen sitzen und dass infizierte Lehrer unterrichten“, so Kimberger.

Auch Natascha Taslimi, Vorsitzende des Netzwerks Elementare Bildung, betont gegenüber der APA, dass infizierte Kindergartenpädagogen und -pädagoginnen in die Arbeit zu schicken keine gute Idee sei. Coronavirus-positives Personal hätte im Kindergarten nicht die Möglichkeit zu essen oder zu trinken, da viele Einrichtungen keine Nebenräume haben, in die das Personal gehen kann, und gleichzeitig die Kinder nicht unbeaufsichtigt gelassen werden dürfen.

Datenschutz verletzt?

Jutta Brandhuber von der Gewerkschaft der Privatangestellten in Kärnten verweist indes auf eine drohende Diskriminierung. Die Frage sei, wie es mit Masken im Großraumbüro, im Tourismus, im Handel aussehe. Dadurch könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diskriminiert werden, weil anzunehmen sei, die Person mit Maske habe Covid. Auch der Datenschutz sei verletzt, denn man müsse dem Dienstgeber ja nicht sagen, welche Krankheit man habe – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Wirtschaftskammer Wien: „Wird richtig teuer“

Die Wirtschaftskammer Wien (WKW) warnt indes vor hohen Mehrkosten durch künftige Coronavirus-Krankenstände. „Für die Wiener Unternehmen wird der Entfall der Quarantäne richtig teuer. Aus Sicht der Wirtschaft ist diese Maßnahme nicht wirklich zu Ende gedacht“, so WKW-Präsident Walter Ruck. Aus heutiger Sicht sei ein Coronavirus-Fall ab 1. August als Krankenstand wie jeder andere zu behandeln, so die WKW per Aussendung. Das bedeute, dass der Bund die Ersatzzahlungen für coronavirusbedingte Ausfälle von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr übernehme und die Entgeltfortzahlung durch die Arbeitgeber greife – mehr dazu in wien.ORF.at.

Nachdem fast alle Gesundheitsexperten von einer weiteren CoV-Welle im Herbst ausgingen, würden die Wiener Unternehmen mit zusätzlichen Kosten von fast 100 Mio. Euro durch CoV-bedingte Krankenstände im Herbstquartal konfrontiert sein. „Die Auswirkungen sind ähnlich einer permanenten Grippewelle“, so Ruck, der hier von den politisch Verantwortlichen rasch eine Lösung einfordert.

Verweis auf Kontrollpflicht

Auch der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) Österreich kritisiert, dass keine Kosten ersetzt werden, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine Covid-Infektion ausfallen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber seien zudem künftig verantwortlich, dass mit Covid infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Maske tragen und müssten das auch kontrollieren, andernfalls könnte es in Richtung Strafrecht gehen. „Diese Verantwortung darf nicht auf den Einzelnen übertragen werden“, so SWV-Vizepräsidentin Katarina Pokorny in einer Aussendung.

Um eine Haftungsvermeidung bei der Beschäftigung von CoV-positiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, etwa in der Gastronomie, Hotellerie oder im Handel, zu erreichen, müsste der Betrieb das nach Ansicht der Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak schließlich auch gegenüber Kundinnen und Kunden kommunizieren. Das könnte etwa so ausschauen: „Heute bedient Sie eine covidpositive Person“, so Körber-Risak gegenüber dem Landesstudio Wien – mehr dazu in wien.ORF.at.