Mann hält Kind am Arm
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Sonderbetreuungszeit

Ruf nach Wiedereinführung

CoV-positive Kinder dürfen nach den aktuellen Vorgaben nicht in Schule oder Kindergarten. Eltern ist es gestattet, in diesem Fall zu Hause bleiben, um den Nachwuchs zu betreuen, teilte das Arbeitsministerium mit. Die Gewerkschaft forderte am Donnerstag die Rückkehr des Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungszeit. Aus der Wirtschaftskammer hieß es, die Wiedereinführung wäre „anzudenken“, sollte es im Herbst eine stärkere CoV-Welle geben.

„Wir fordern, dass die vom ÖGB durchgesetzte Sonderbetreuungszeit, die mit Beginn der Sommerferien ausgelaufen ist, wiedereingeführt wird“, sagte die Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Korinna Schumann.

Mit der neuen Verordnung und dem Quarantäne-Aus brauche es auf jeden Fall wieder den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit. „Ohne diesen Rechtsanspruch, um Kinder daheim betreuen zu können, werden vor allem Arbeitnehmerinnen sonst wieder zu Bittstellerinnen“, so Schumann weiter.

Rechtsanspruch ausgelaufen

Die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, bezeichnete die Verordnung zum Ende der CoV-Quarantäne als „nicht zu Ende gedacht“. „Die Sonderbetreuungszeit wurde abgeschafft, ohne eine Alternative zu schaffen“, so Teiber.

Aus der Wirtschaftskammer hieß es gegenüber ORF.at, eine CoV-Erkrankung des Kindes stelle berufstätige Eltern vor Herausforderungen, gleichzeitig fordere die Pandemie die Arbeitgeber. „Sollte es daher im Herbst wieder zu einer stärkeren Corona-Welle kommen, die viele Eltern aufgrund von Betreuungspflichten betrifft, wäre aus Sicht der WKÖ die Wiedereinführung der Corona-Sonderbetreuungszeit anzudenken“, hieß es.

Der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit ist mit Ende des Schuljahres ausgelaufen. Ob sie mit dem Schulstart wieder eingeführt wird, werde derzeit geprüft, hieß es am Donnerstag aus dem Arbeitsministerium gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Dienstfreistellung für Eltern möglich

Laut der Verordnung, die am Montag in Kraft treten soll, gilt für infizierte Kinder Betretungsverbot für Kindergarten und Schule. Eine Ausnahme gibt es nur für Beschäftigte. Wie das Arbeitsministerium nun klargestellt hat, dürfen Eltern in diesem Fall zu Hause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung und Fortzahlung des Entgelts.

In einem Statement des Arbeitsministeriums gegenüber Ö1 hieß es: „Zur notwendigen Betreuung von positiv getesteten Kindern haben Eltern einen Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung und Fortzahlung des Entgelts. Die Dauer dieser Dienstfreistellung beträgt höchstens eine Woche. Diese Dienstfreistellung steht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern pro Anlassfall zu.“

Rechtliche Basis seien dabei jene Bestimmungen im Angestelltengesetz und im bürgerlichen Gesetzbuch, die auch unabhängig von der Pandemie gelten: Laut diesen gibt es einen Anspruch auf Freistellung, wenn man ohne Verschulden aus wichtigen persönlichen Gründen vorübergehend nicht arbeiten kann.

Das trifft auf jeden Anlassfall zu. Muss das Kind ein paar Wochen später erneut zu Hause bleiben, besteht laut Arbeitsministerium ein neuerlicher Anspruch. Voraussetzung ist allerdings, dass die Betreuung durch die Eltern unbedingt erforderlich ist, etwa weil sonst keine anderen zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten zu finden waren.

Ärztliches Personal in Spitälern fordert Klarheit

Die Verordnung werfe noch viele Fragen auf, „zu viele, um einen Spitalsbetrieb ordentlich planen zu können“, kritisierte am Donnerstag auch Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Ungeklärt sei etwa noch die Frage, wer die Zutrittsregelungen zu den Spitälern kontrolliert und wer überwacht und wer unter welchen Umständen arbeiten darf.

Personalmangel in Spitälern

Die Personalsituation in den Spitälern ist derzeit aufgrund der CoV-Sommerwelle angespannt. Nach dem Aus der Quarantäne könnte nun auch infiziertes Spitalspersonal arbeiten. Die Regierung hat das auch als Argument gegen Personalnot genannt.

Genauso sei noch offen, wer unter welchen Voraussetzungen Patientenkontakt haben darf. „Es muss ganz klar sein, wer was wo und wann überprüft“, forderte Mayer: „Sicher ist auf jeden Fall, dass das nicht die Spitalsärztinnen und Spitalsärzte machen können und werden. Wir sind dazu da, unsere Patientinnen und Patienten zu behandeln, und nicht, um die Polizisten der Nation zu spielen.“ Es brauche maximale Sicherheit – sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Ärztinnen und Ärzte.

Warnung von Krankenpflegeverband

Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) warnte davor, CoV-positive Pflegepersonen einzusetzen. Mit dieser neuen CoV-Regel gefährdet die Regierung die Patientinnen und Patienten, Bewohnerinnen und Bewohner und das Pflegepersonal, so ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann.

Dass Pflegepersonen nun CoV-positiv patientennah eingesetzt werden dürfen, sei unverständlich. „Gerade in Spitälern, Langzeitpflegeeinrichtungen und in der Hauskrankenpflege werden die vulnerabelsten Menschen der Gesellschaft betreut. Diese über ganze Schichten bewusst CoV-positiven Personen auszusetzen, ist verantwortungslos“, warnte Potzmann.

GECKO: Konsequenzen von Quarantäne-Aus unklar

Die gesamtstaatliche Krisenkoordination (GECKO) ist nicht ganz glücklich mit dem Aus für die verpflichtende Quarantäne nach einer CoV-Infektion. Aktuell sei der Schritt mit einigen Risiken verbunden, heißt es in einem Bericht. Welche Konsequenzen er bringt, lasse sich schwer sagen. Und nicht zuletzt: Der mehrfach gezogene Vergleich mit anderen Ländern hinke nicht nur an einem Punkt.

In der aktuellen Situation, heißt es in dem Bericht zur letzten Sitzung der Kommission am Montag konkret, sei der Wegfall der Quarantäne für positiv Getestete „mit einer Reihe von unkalkulierbaren Risiken verbunden". Das könne zum Kontrollverlust über das Infektionsgeschehen bei gleichzeitig steigenden Infektionszahlen führen.

Wie sich der Verzicht auf die Quarantäne auswirke, könne man „derzeit nicht präzise angeben“. Aber angesichts der aktuellen SARS-CoV-2-Varianten (mit erhöhter Übertragbarkeit bei verminderter Pathogenität) rechnen sie mit einer „sehr labilen Ausgangssituation“ für den Spätsommer bzw. Frühherbst. Vieles sei noch unklar, etwa die Eigenschaften von BA.4/5 bzw. Dauer und Effizienz des Impfschutzes dagegen.

Contact-Tracing wird eingestellt

Mit dem Ende der CoV-Quarantäne wird auch das Contact-Tracing eingestellt. Da es ab August für Kontaktpersonen positiv Getesteter keine Verkehrsbeschränkungen mehr gibt, ist auch ein Kontaktpersonenmanagement nicht mehr nötig, erläuterte das Gesundheitsministerium am Donnerstag. Damit wird auch die Kostenrefundierung des Bundes an die Länder für das Contact-Tracing eingestellt.

Bund und Wien streiten über Spitalsdaten

Zwischen Bund und Stadt Wien tobt unterdessen ein Streit über das neue Covid-19-Register. Es soll einen besseren Überblick geben, wer in den Spitälern wegen des Coronavirus liegt. Wien liefere als einziges Bundesland keine Daten, lautet der Vorwurf. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bezeichnete das als lächerlich – mehr dazu in wien.ORF.at.

SPÖ-Kritik an Rauch

Die SPÖ übte am Donnerstag scharfe Kritik an Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). Das Ende der Quarantäne mache Rauch zum „Gefährdungsminister“, sagte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. „Was ist das für eine Regierung, die erstmals auch Kranke und Infizierte in die Arbeit schicken will?“, fragte sich Deutsch. Die Entscheidung, alle Kontrollinstrumente abzuschaffen, sei eine rein politische vor der Landtagswahl in Tirol, so Deutsch. „Man merkt mittlerweile auch keinen Unterschied mehr, ob da ein grüner oder ein FPÖ-Gesundheitsminister sitzt.“