Grafik über Klimabewusstsein
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Klimabewusstsein in Krisenzeiten

Wirtschaftstätigkeiten und Verkehr sind durch die Pandemie zumindest zeitweise gebremst worden. Ob die Coronavirus-Krise auch die Einstellung der Österreicherinnen und Österreicher zur Klimakrise beeinflusst, kann unter anderem aus Umfragedaten des Austrian Corona Panel Project (ACPP) gelesen werden. Politikwissenschaftler Robert Huber von der Universität Salzburg hat diese für ORF.at analysiert.

„Es gibt in Österreich allgemein wenige Menschen, die den Klimawandel komplett leugnen“, erklärt Huber. In allen analysierten Daten – also Umfragen des European Social Survey (ESS) aus 2016, Befunden der Austrian National Election Study (AUTNES) 2019 und 2020 sowie Ergebnissen des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) 2020 und 2021 – zeigt sich klar: Personen, welche die Erderhitzung komplett abstreiten, gibt es vergleichsweise wenig. In den vergangenen Jahren hat sich dieser Trend auch nur wenig geändert.

Grundsätzlich lässt sich Klimaskepsis in drei Gruppen gliedern: Trend-, Folgen- und Ursachenleugnung. Die Trendleugnung – also das Abstreiten der Erderhitzung selbst –, ist in Österreich im Vergleich zu den anderen Gruppen seltener. Häufiger ist das Leugnen der Ursachen oder Folgen – also die Vorstellung, die Erderhitzung sei nicht menschengemacht oder habe keine gesellschaftlichen und ökologischen Probleme zur Folge.

FPÖ- und Grünen-Klientel mit ausgeprägten Einstellungen

Bei den Anhängerinnen und Anhängern fast aller Parteien hat sich die Wahrnehmung der Klimakrise mit der Zeit zumindest ein wenig verändert. Der Anteil jener Personen, die zustimmen, dass sich das Klima ändert, hat sich von 2016 auf 2019 bei allen Parteien verringert. Am deutlichsten war der Rückgang bei der Wählerschaft der FPÖ.

Da für die Analyse unterschiedliche Datensätze mit zum Teil unterschiedlichen Fragestellungen und Befragten vorliegen, handelt es sich bei den Ergebnissen um einen annähernden Vergleich, der Trends aufzeigt. Von einem direkten, zeitlichen Grafikvergleich wurde daher abgesehen.

Positionierung in der Folge von „Fridays for Future“

In Hinblick auf die Besorgnis aufgrund der Klimakrise wird deutlich, dass einzig Befürworterinnen und Befürworter der Grünen und der FPÖ mit sehr deutlichen Überzeugungen (0 und 10, siehe Grafik weiter unten) hervorstechen – wenn auch mit gegengleichen Trends.

Bei der FPÖ hat sich die Besorgnis zwischen 2016 und 2019 sehr deutlich dezimiert. Bei den Grünen ist die Tendenz zwar ungefähr auf gleichem Niveau geblieben, allerdings fällt die Ausprägung „sehr besorgt“ deutlich höher aus als noch 2016. Bei den anderen Parteien hält sich die Sorge eher im mittleren Bereich, mit nur kleinen Unterschieden zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS.

Als einen Grund für die deutliche Positionierung bei FPÖ und Grünen sieht Huber das Aufkommen der Klimabewegung rund um „Fridays for Future“. Seit 2018 mobilisiere die FPÖ hier mit Gegenpositionen, und „vor allem bei konkreten Maßnahmen stechen die Grünen deutlich hervor“, so Huber.

Hinweis zur Grafik

Zustimmung gegenüber einer Partei ist auch stark von Faktoren wie etwa Bildung oder Einkommen abhängig. Das erklärt wiederum, wieso Personen politische Maßnahmen – besonders jene, die das tägliche Leben oder die finanzielle Situation betreffen – befürworten oder ablehnen.

Eigenverantwortung versus Regulierung

Auch in Bezug auf Zustimmung und Ablehnung konkreter Maßnahmen zeigt sich die gegensätzliche Ausrichtung der Grünen und der FPÖ. „Bei der Herangehensweise setzen die FPÖ-Wählerinnen und -Wähler eher auf Eigenverantwortung. Bürgerinnen und Bürger sollen selbst entscheiden, während Wählende der Grünen eher auf Regulieren setzen“, so Huber. Daher seien Grün-Wählerinnen und -Wähler weniger abgeneigt, Verbote zu akzeptieren. Das zeigt auch eine entsprechende Frage zur Bereitschaft der Menschen, ihren persönlichen Lebensstil für den Klimaschutz zu ändern (siehe Grafik).

Grundsätzlich zustimmend eingestellt sind Personen – so gut wie über alle Parteien hinweg – gegenüber positiven Maßnahmen. So ist etwa das Klimaticket nicht nur bei den Grünen auf hohe Zustimmung gestoßen. Die Zustimmung liegt bei allen Parteien außer der FPÖ über 50 Prozent, bei NEOS und Grünen sogar bei beziehungsweise über 80 Prozent.

Die Zustimmung gegenüber Verboten ist – außer bei den Grünen – wiederum sehr gering. Vor allem Einschnitte, die Unternehmen betreffen, sind besonders bei der ÖVP nicht beliebt, aber auch NEOS und SPÖ unterscheiden sich nicht viel. „Das Argument der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit ist vor allem bei ÖVP, FPÖ und teilweise NEOS stark“, so Huber. Das sei auch in der Regierung ein Konfliktpunkt mit den Grünen – etwa beim Thema CO2-Preis.

Hinzu kommt, dass besonders Autofahren in Österreich ein politisch heikles Terrain ist. „Die Individualmobilität will niemand anrühren – außer den Grünen und vielleicht noch NEOS“, so der Politikwissenschaftler. Allerdings schwankt etwa die Zustimmung und Ablehnung einer CO2-Steuer je nach tatsächlicher Ausgestaltung relativ stark.

Kaum Veränderung durch Coronavirus-Krise

Sowohl für konkrete Maßnahmen als auch die allgemeine Einstellung zur Klimakrise sei klar: „Durch Corona hat sich nicht viel geändert“, fasst Huber zusammen. Die Befunde scheinen „stabil“ zu sein: „Die Skepsis ist in Österreich nach wie vor niedrig, und manche Maßnahmen sind durchaus populär.“

Allerdings lasse sich im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise beobachten, dass die Wissenschaft politisierter sei als früher. „Die Parallele zwischen Impfgegnerinnen und -gegnern sowie Klimakrisenleugnerinnen und -leugnern ist der Populismus.“ Es gehe daher auch darum, wie Maßnahmen gestaltet und kommuniziert werden. „Es müsste stärker die Betroffenheit betont werden, und etwa die CO2-Steuer könnte sozial treffsicherer sein.“

Schwierige Datenlage

Es gelte etwa zu eruieren, ob es einen Mittelweg gibt – zum Beispiel mit Hilfe von Testphasen oder besserer Einbindung von Expertinnen und Experten. „In Österreich ist die Datenlage schwierig“, kritisiert Huber: Wie ökosozial die CO2-Steuer sei und ob es noch weiter in die Richtung gehen könne, „da fehlen uns die Daten“. Dass Österreich ein Klimakonzept fehle, zeige sich auch jetzt im Zuge der Gaskrise. „Zumindest kurzfristig steht der Ersatz von russischem Gas im Vordergrund und nicht unbedingt der Wechsel von Energieträgern“, erläutert der Politikwissenschaftler.

Laut Huber hängt es von der Koalitionskonstellation ab, ob und inwieweit Kompromisse für den Klimaschutz gefunden werden können. Im Fall von ÖVP und SPÖ sei zu beobachten, dass Klimamaßnahmen stets mit den Grundwerten der Parteien – also etwa Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen oder Arbeitnehmerinnen und -nehmerschutz – einhergehen müssen. Huber sieht darin eine mögliche Erklärung, wieso Österreich die letzten 40 Jahre klimapolitisch recht wenig erreicht habe.

Klimakrise weltweit als wichtiges Problem empfunden

Dass die Klimakrise zwar großteils als Problem wahrgenommen wird, gegen das es Maßnahmen zu setzen gilt, aber Unterstützung für konkrete Maßnahmen trotzdem oft fehlt, ist kein österreichspezifisches Phänomen. In einer Studie mit Beteiligung zahlreicher renommierter Universitäten und Wirtschaftsforschungsinstitute haben Forscherinnen und Forscher mittels einer Umfrage unter 40.000 Menschen ähnliche Befunde eruiert. Dabei wurden Personen aus 20 Ländern mit hohen CO2-Emissionen (unter anderem Australien, Spanien, Großbritannien, USA und China) befragt.

„Zumindest drei Viertel der Befragten in jedem Land stimmen zu, dass die Klimakrise ein wichtiges Problem ist. Trotzdem übersetzt sich diese Zustimmung nicht in Unterstützung konkreter Klimamaßnahmen“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Laut der Studie hängt die Unterstützung für bestimmte klimapolitische Maßnahmen von „drei Schlüsselüberzeugungen“ ab: Effektivität, Ungleichheitsbedenken und Eigeninteresse.

Wunsch nach effektiven Maßnahmen ohne Benachteiligung

Die Befragten seien daher von Maßnahmen leichter zu überzeugen, die Emissionen wirksam reduzieren und keine nachteiligen Verteilungseffekte haben. Etwa wenn Haushalte mit geringerem Einkommen und oftmals auch weniger klimaschädlichem Verhalten benachteiligt werden, sinkt die Zustimmung. Aber auch bei Nachteilen für den eigenen Haushalt stimmen Befragte weniger zu.

Konkret bevorzugten die Befragten etwa Vorschriften (wie zum Beispiel das Verbot von klimaschädlichen Fahrzeugen) gegenüber Steuermaßnahmen, weil sie als effektiver und fairer wahrgenommen werden. Auch fällt die Zustimmung zu kollektiven Maßnahmen deutlich höher aus als bei individuellen Verhaltensänderungen. „Stärkere Bedenken oder besseres Wissen“ über die Klimakrise seien wiederum weniger ausschlaggebend für die Unterstützung von Maßnahmen, so die Forscherinnen und Forscher.