Silhouetten von Personen mit Smartphones vor einem Instagram-Logo
Reuters/Dado Ruvic
„Stop trying to be TikTok“

Instagram-Rückzieher nach scharfer Kritik

Nach der lauten Kritik von Nutzerinnen und Nutzern rudert die Fotoplattform Instagram nun zurück. Man wolle den Test beenden, bei dem fremde Inhalte im Feed vorgeschlagen werden, sagte Instagram-Chef Adam Mosseri. Langfristig möchte sich der Mutterkonzern Meta aber wieder mehr an TikTok orientieren – denn er verliert immer mehr junge Nutzerinnen und Nutzer, wie der erste Umsatzrückgang in der Geschichte des Konzerns belegt.

Bislang basierten die Inhalte, die auf Instagram angezeigt wurden, vor allem auf den eigenen Kontakten der Nutzerinnen und Nutzer. Um eine ernstzunehmende Konkurrenz zu der vor allem bei Jüngeren beliebten Videoplattform TikTok darzustellen, hat Instagram das zwischenzeitlich geändert. Anstatt sich im Feed durch Katzen- und Urlaubsfotos von Familie und Freundinnen und Freunden durchzuscrollen, erlebten einige überraschte Userinnen und User in den vergangenen Tagen eine Flut an Clips von fremden Accounts, die sich automatisch abspielten – bei manchen Testnutzern auch im Fullscreen.

Eine Entwicklung, die die Instagram-Community nicht so einfach mitmachen wollte. „Macht Instagram wieder zu Instagram. Hört auf, TikTok sein zu wollen. Ich will nur süße Fotos von meinen Freunden sehen“, schrieb etwa eine Fotografin in einem Posting auf Instagram, das über zwei Millionen Mal geliked und vielfach geteilt wurde.

Unter anderen auch von prominenten Instagram-Userinnen wie den Reality-TV-Stars Kim Kardashian und ihrer Halbschwester Kylie Jenner, die auf Instagram über eine große Reichweite verfügen – und mit der Art und Weise, wie die Plattform bisher funktionierte, unter anderem mit der Bewerbung eigener Kosmetikprodukte viel Geld einnahmen.

Instagram-Chef rudert zurück

Nach einer Woche zunehmender Kritik gab Instagram am Donnerstag in einem Interview mit dem Onlinenewsletter Platformer bekannt, die kürzlich vorgenommen Änderungen wieder zurückzuziehen. Die Testversion der App, die Fotos und Videos im Vollbildmodus anzeigte, werde in den nächsten ein bis zwei Wochen eingestellt, und Instagram werde auch die Anzahl der empfohlenen Beiträge in der App reduzieren, um seine Algorithmen zu verbessern.

„Ich bin froh, dass wir ein Risiko eingegangen sind – wenn wir nicht ab und zu scheitern, denken wir nicht groß genug oder sind nicht mutig genug“, sagte Instagram-Chef Adam Mosseri in dem Interview. Bei den neuen Feed-Designs seien die Leute jedoch frustriert und würden die Plattform weniger verwenden, wie Nutzungsdaten belegen würden.

Empfohlene Beiträge vorübergehend reduzieren

Zudem seien jene Contentproduzentinnen und -produzenten besorgt, die bisher nicht auf Videos, sondern auf Fotos gesetzt hätten. Man arbeite aktuell daran, kleineren Künstlerinnen und Künstlern besser zum Durchbruch zu verhelfen. „Ich denke, wir müssen einen großen Schritt zurück machen, uns neu gruppieren und herausfinden, wie wir weiter vorgehen wollen“, so Mosseri. Unter anderem wolle man vorübergehend die Anzahl der empfohlenen Beiträge und Konten reduzieren. Langfristig möchte das Unternehmen aber wieder dazu übergehen, verstärkt auf empfohlene Beiträge und Videos zu setzen.

Eine Person sieht sich auf einem Smartphone ein Tiktok-Video an
APA/AFP/Money Sharma
Als meist heruntergeladene App der Welt stellt TikTok eine große Konkurrenz für den Meta-Konzern dar

Videos binden Nutzerinnen und Nutzer schlicht länger an ihre Bildschirme – wodurch die Unternehmen mehr Daten sammeln und Werbung verkaufen können. Auch Instagrams Mutterkonzern Meta, zu dem auch Facebook gehört, setzt mittlerweile wie Google mit seinem Videodienst YouTube verstärkt auf kurze Videos, die den Nutzern mithilfe eines leistungsstarken Algorithmus empfohlen werden. YouTube kopiert mit seinen „Shorts“ recht offensichtlich die Methoden des chinesischen Konkurrenten TikTok.

Zuvor hatte Meta-CEO Mark Zuckerberg noch erklärt, dass die empfohlenen Beiträge und Konten in den Feeds derzeit etwa 15 Prozent der Inhalte auf Facebook ausmachen und sich bis Ende des Jahres „mindestens verdoppeln“ würden. Ungeachtet der Kritik an dem chinesischen Unternehmen, das kürzlich etwa wegen bedenklicher Challenges in den Schlagzeilen landete, will der Konzern so sukzessive zu einem TikTok-Klon werden. „Die Leute haben viel Auswahl dabei, wie sie ihre Zeit verbringen wollen. Und Apps wie TikTok wachsen sehr schnell“, sagte Zuckerberg.

Erster Umsatzrückgang seit 2012

Dass die Sorgen des Konzerns wegen der Zukunft seiner Plattformen berechtigt sind, bestätigen die jüngsten Entwicklungen an der Börse. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Meta erstmals seit seinem Börsengang im Jahr 2012, damals noch unter dem Namen Facebook, einen Umsatzrückgang erlitten hat. Im zweiten Quartal von April bis Juni verringerte sich die Summe im Vorjahresvergleich um ein Prozent auf 28,8 Milliarden Dollar (28,3 Milliarden Euro), der Gewinn brach um 36 Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar ein.

Das Onlinenetzwerk Facebook verlor den Angaben zufolge zwei Millionen monatliche Nutzerinnen und Nutzer – die Zahl lag damit bei 2,93 Milliarden Menschen weltweit im zweiten Quartal. Entgegen der Erwartungen von Analystinnen und Analysten konnte Facebook die Zahl der täglichen Nutzerinnen und Nutzer jedoch auf 1,97 Milliarden steigern. Insgesamt besuchten im zweiten Quartal weltweit 3,65 Milliarden Menschen jeden Monat mindestens eine der vier Plattformen des Konzerns, also Facebook, Instagram, WhatsApp oder Messenger.

„Das ist eine Zeit, die mehr Intensität erfordert, und ich erwarte, dass wir mehr erreichen mit weniger Ressourcen“, sagte Konzernchef Mark Zuckerberg. Er will das Investitionstempo verlangsamen, unter anderem durch die „Verringerung des Personalwachstums im kommenden Jahr“. Meta hat weltweit fast 84.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 32 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Apples Datenschutz reduziert Werbeeinnahmen

Die großen Onlineplattformen leiden außerdem unter den Änderungen von Apple an seiner Datenschutzpolitik. Diese Änderungen haben den Spielraum für die Personalisierung von Werbung eingeschränkt. So meldete die Google-Mutter Alphabet am Dienstag ein schwaches Umsatzwachstum. Laut The Verge kostete die Einführung Facebook rund zehn Milliarden Dollar. Der Snapchat-Betreiber Snap gab vergangene Woche einen hohen Quartalsverlust bekannt.

Die Analystin Debra Aho Williamson von Insider Intelligence erklärte, Meta müsse sich wieder auf seine „Grundlagen“ konzentrieren. Zuckerberg sieht die Zukunft des Internets im sogenannten Metaverse, virtuellen Welten, in denen die Nutzerinnen und Nutzer mittels Avataren arbeiten, spielen und kommunizieren. Deshalb nannte er Facebook im Oktober in Meta um.