Menschen zünden Kerzen an
APA/Tobias Steinmaurer
Von CoV-Gegnern bedroht

Bestürzung und Appelle nach Tod von Ärztin

Tiefe Betroffenheit hat der Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ausgelöst. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich „zutiefst bestürzt“. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach sich gegen Hass und Intoleranz aus. Kellermayr hatte sich zuletzt Morddrohungen von CoV-Maßnahmengegnern ausgesetzt gesehen und ihre Praxis geschlossen. Auch viele internationale Medien berichteten über das Ableben der Ärztin.

„Sie ist als Ärztin dafür eingestanden, Menschen zu heilen und vor Krankheiten zu beschützen. Sie hat sich für die Wissenschaft starkgemacht. Für Impfungen und für einen vorsichtigen Umgang mit der Pandemie“, schrieb Van der Bellen auf Twitter. „Aber manche Menschen hat das in Wut versetzt. Und diese Menschen haben ihr Angst gemacht, sie bedroht, zuerst im Internet und dann auch persönlich, direkt in ihrer Praxis.“

„Beenden wir dieses Einschüchtern und Angst machen. Hass und
Intoleranz haben in unserem Österreich keinen Platz. Finden wir am Ende immer einen Weg, friedlich miteinander zu leben. Stärken wir den Zusammenhalt“, so Van der Bellen. Seine Gedanken seien jetzt bei Kellermayrs Familie und Freunden. „Sie sind nicht allein. Wir alle sind bei Ihnen.“

Rauch: Drohungen „brutale Realität“

Sie habe „ihr Leben der Gesundheit und dem Wohlergehen anderer gewidmet. Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität. Hass gegen Menschen ist unentschuldbar. Dieser Hass muss endlich aufhören“, schrieb Rauch auf Twitter. „Meine Gedanken sind bei der Familie und den Angehörigen von Dr. Kellermayr.“

Am Freitagnachmittag versammelten sich Trauernde vor dem Gesundheitsministerium in Wien, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken. Am Montag ist eine Gedenkveranstaltung für Kellermayr in Wien geplant. Daniel Landau, Organisator und Initiator von „#YesWeCare“, gab auf Twitter bekannt, eine Veranstaltung für 20.00 Uhr auf dem Stephansplatz angemeldet zu haben.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) reagierte ebenfalls per Tweet auf den Tod der Ärztin, dieser zeige uns, „dass wir Hass und Intoleranz in unserer Gesellschaft keinen Raum geben dürfen. Das respektvolle Miteinander und der soziale Zusammenhalt müssen einmal mehr angesichts dieses tragischen Ereignisses im Vordergrund stehen.“ Tief betroffen zeigte sich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, selbst Medizinerin, auf Twitter: „Sie vertrat einfach ihren ärztlichen Standpunkt u. wurde Opfer von Hass. ÄrztInnen, wie sie es war, brauchen Schutz u. Unterstützung.“

Auch die oberösterreichische Gesundheitslandesrätin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bekundete nicht nur ihr Beileid, sondern forderte auch rasche Schritte, „denn Hass, Intoleranz und Gewalt sind nie die Antwort, sondern stets die hässliche Seite der Gesellschaft. In einem vereinten Europa sollte auch eine Strafverfolgung für Delikte dieser Art grenzüberschreitend möglich sein. Vielmehr noch, sie müssen möglich sein.“

Ärztekammer „zutiefst schockiert“

„Zutiefst schockiert“ zeigt sich die Österreichische Ärztekammer von der Nachricht des Ablebens der Kollegin. Dieses tragische Ereignis würde in erschreckender Weise zeigen, welche Folgen Hass im Netz haben können, sagte Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart. Schon seit Längerem sei das medizinische Personal in Spitälern und Ordinationen einer stetig steigenden Gewalt ausgesetzt.

Bedrohte Ärztin gestorben

Eine oberösterreichische Ärztin, die seit Monaten von CoV-Leugnern bedroht wurde, ist in ihrer Praxis tot aufgefunden worden. Die Staatsanwaltschaft schließt Fremdverschulden aus.

Der aktuelle tragische Fall zeige einmal mehr die Notwendigkeit von Unterstützung für die im Gesundheitswesen Tätigen, sowohl was den direkten Schutz betrifft als auch Angebote von Supervision und Krisenbewältigung im Falle von Bedrohungen, so Steinhart. Er werde alle Wiener Ärztinnen und Ärzte bitten, an der von Landau organisierten Gedenkveranstaltung am Montag teilzunehmen.

Abschiedsbriefe hinterlassen

Kellermayr wurde am Freitag tot in ihrer Ordination im Bezirk Vöcklabruck aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft Wels bestätigte einen Suizid. Es seien Abschiedsbriefe gefunden worden, zu deren Inhalt man nichts sagen wollte. Eine Obduktion wurde nicht angeordnet.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Kellermayr hatte unter anderem auf ihrer Homepage berichtet, dass sie monatelang in unregelmäßigen Abständen Repressalien bis hin zu Morddrohungen „aus der Covid-Maßnahmengegner- und Impfgegner-Szene“ ausgesetzt gewesen sei. Das bestätigte die Polizei damals auch, Ermittlungen dazu wurden eingeleitet. Die Medizinerin hatte nach eigenen Angaben selbst rund 100.000 Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben.

Äußerungen als CoV-Expertin

Kellermayr hatte zu Beginn der Pandemie Menschen, bei denen der Verdacht einer Coronavirus-Infektion bestand, aufgesucht und sie versorgt. Seit Frühjahr 2021 trat sie verstärkt öffentlich auf und gab immer wieder Interviews zu den Themen Coronavirus-Erkrankung und -Impfung. Unter anderem machte sie auf die positiven Effekte von Budesonid, einem Steroid in Asthmasprays, aufmerksam, das Patientinnen und Patienten mit Covid-19-Symptomen hilft.

Im November 2021 kritisierte sie CoV-Demonstranten dafür, vor einem Krankenhaus eine Rettungszufahrt blockiert zu haben. Heuer im Juni schloss Kellermayr die Ordination zunächst vorübergehend, schließlich verkündete sie die endgültige Schließung. Man könne Arbeitsbedingungen, „wie wir sie die letzten Monate erlebt haben“, niemandem zumuten, begründete sie den Schritt.

Menschen trauern
APA/Tobias Steinmaurer
Trauernde gedenken der verstorbenen Ärztin vor dem Gesundheitsministerium in Wien

Droh-E-Mails aus Deutschland?

Die Staatsanwaltschaft Wels hatte im Juni das Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Verdächtigen eingestellt – mit der Begründung, man sei nicht zuständig, sondern deutsche Behörden. Eine Hackeraktivistin machte allerdings zwei Deutsche ausfindig, die Droh-E-Mails verfasst haben sollen.

In Österreich ermittelt die Polizei weiter gegen unbekannte Täter, weil davon auszugehen sei, dass die Vorwürfe mehrere Personen betreffen, wie es seitens der Ermittler heißt. An diesen Ermittlungen ändere auch der Tod der Frau nichts, man warte nach wie vor auf den Abschlussbericht der Polizei, so eine Staatsanwaltschaftssprecherin.

Polizei: „Alles getan“

Die Journalistin Ingrid Brodnig twitterte neben Beileidswünschen: „Auch die Exekutive soll das eigene Handeln oder Nicht-Handeln in diesem Fall aufklären müssen.“ Die Polizei war im Zuge der Ermittlungen in die Kritik geraten, zu wenig getan zu haben. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich wies dies gegenüber der APA zurück: Man sei seit November in ständigem Austausch mit der Ärztin gewesen und habe versucht, ihr Schutz zu bieten. Man habe „alles getan, was möglich ist“, sowohl was Sicherheit als auch was die Ermittlungen betreffe. Letztere seien noch im Laufen, bestätigte er.