Antony Blinken
AP/Tom Brenner
Blinken spricht mit Lawrow

Erstes Telefonat seit Ukraine-Kriegsbeginn

Erstmals seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben US-Außenminister Antony Blinken und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow miteinander telefoniert. Es sei ein „offenes und direktes Gespräch“ über die Freilassung zweier in Russland inhaftierter US-Amerikaner gewesen, sagte Blinken. Außerdem habe er Lawrow deutlich gemacht, russische Annexionen in der Ukraine nicht zu akzeptieren.

Die US-Regierung hatte am Mittwoch bekanntgeben, Russland ein Angebot zur Freilassung der inhaftierten US-Basketballerin Brittney Griner und des US-amerikanischen Staatsbürgers Paul Whelan gemacht zu haben. Details zu dem Vorschlag gab sie aber nicht bekannt. „Ich habe den Kreml gedrängt, den substanziellen Vorschlag zu akzeptieren, den wir (…) gemacht haben“, sagte Blinken nach dem Telefonat. Er habe ein Angebot bereits vor Wochen auf den Tisch gelegt.

Die Entscheidung zu dem Angebot sei nicht leicht gefallen, hatte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, betont. Medien hatten zuvor berichtet, dass ein Gefangenenaustausch mit dem in den USA inhaftierten russischen Waffenhändler Viktor Bout Teil des Angebots sei. Moskau fordert seit Jahren die Auslieferung des früheren Sowjetoffiziers, der Regime und Rebellen in zahlreichen Ländern illegal mit Waffen ausgerüstet haben soll. Bout war als „Händler des Todes“ berüchtigt.

Blinken: Hatte „offenes“ Gespräch mit Lawrow

Erstmals seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar haben die Außenminister der USA und Russlands direkt miteinander gesprochen. „Wir hatten ein offenes und direktes Gespräch“, erklärte US-Außenminister Antony Blinken in Washington. Er habe dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gesagt, dass die Welt „niemals“ eine Annexion ukrainischer Gebiete akzeptieren werde.

Ukraine-Annexionen nicht akzeptabel

Lawrow hatte seine Bereitschaft erklärt, mit seinem US-Kollegen Blinken über einen Gefangenenaustausch und die Wiederaufnahme der ukrainischen Getreideexporte zu sprechen. Blinken betonte nun auch, Lawrow deutlich gesagt zu haben, dass die USA russische Pläne, weiteres Territorium der Ukraine zu annektieren, nicht akzeptieren würden.

„Die Welt wird Annexionen nicht anerkennen. Wir werden Russland weitere erhebliche Kosten auferlegen, wenn es mit seinen Plänen fortfährt“, so Blinken. Nach Angaben des russischen Außenministeriums beklagte Lawrow bei dem Gespräch, dass die an die Ukraine gelieferten schweren Waffen des Westens Kinder im Kriegsgebiet töten würden.

In Russland inhaftierte US-Amerikaner

Die US-Basketballerin Brittney Griner war am 17. Februar auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo wegen eines Drogendelikts festgenommen worden. Bei der Kontrolle ihres Gepäcks im Februar soll sie sogenannte Vape-Kartuschen und eine geringe Menge Haschischöl bei sich gehabt haben. Griner hat ihre Schuld eingestanden, verteidigte sich am Mittwoch aber vor Gericht: Sie habe medizinisches Marihuana in Absprache mit ihrem Arzt als schmerzstillendes Mittel verwendet und nicht die Absicht gehabt, „irgendein Gesetz der Russischen Föderation zu verletzen“.

Die US-Regierung kritisiert, dass Griner zu Unrecht festgehalten werde. Den Vorwurf, der Prozess gegen Griner sei politisch motiviert, weist Moskau zurück. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern war schon vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zerrüttet, seither hat es sich nochmals drastisch verschlechtert.

Paul Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, war im Dezember 2018 in Russland verhaftet und der Spionage beschuldigt worden. Er soll in Russland geheime Informationen auf einem Datenträger entgegengenommen haben. Im Juni 2020 wurde er zu einer 16-jährigen Haftstrafe mit der Möglichkeit eines Aufenthalts in einem Arbeitslager verurteilt. Whelan kritisierte das Verfahren als politische Inszenierung.

CNN: Auch „Tiergartenmord“ Thema

Laut einem Bericht von CNN soll Moskau in dem Gespräch auch die Überstellung des verurteilten Russen im „Tiergartenmord“-Fall gefordert haben. Russland hat den USA diese Forderung den Angaben zufolge bereits Anfang des Monats über informelle Geheimdienstkanäle unterbreitet. Das Ersuchen ist dem Bericht zufolge unter anderem als problematisch eingestuft worden, da der heute 56-Jährige in Deutschland im Gefängnis sitzt.

Bereits im April hatten die USA und Russland inmitten des Ukraine-Krieges überraschend Gefangene ausgetauscht. Auf dem Flughafen der türkischen Hauptstadt Ankara war der Russe Konstantin Jaroschenko gegen den US-Amerikaner Trevor Reed ausgetauscht worden. Angesichts der verhärteten Fronten zwischen Washington und Moskau kam die Entwicklung damals besonders unerwartet.

Afrikareise als Antwort auf Kreml

Blinken kontert außerdem Russlands diplomatischer Offensive in Afrika und reist im August nach Ruanda, Südafrika und in die Demokratische Republik Kongo. Wie das US-Außenministerium am Freitag mitteilte, will Blinken die Botschaft vermitteln, dass „afrikanische Länder geostrategische Akteure und entscheidende Partner in den dringendsten Fragen unserer Zeit sind“. Das gelte etwa für den Kampf gegen den Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und Pandemien.

In diesen Tagen absolvierte Lawrow eine Afrikareise, auf der er die westlichen Sanktionen gegen sein Land für die weltweit steigenden Lebensmittelpreise verantwortlich gemacht hat. Washington hielt den Vorwürfen Russlands Blockade der ukrainischen Häfen entgegen. Vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar waren die Bemühungen der USA in Afrika vor allem auf den Wettbewerb mit China ausgerichtet.

Vor allem Südafrika mit seiner Führungsposition unter den Schwellenländern ist zu einem diplomatisch heftig umworbenen Staat geworden. Hinsichtlich des russischen Angriffskrieges blieb das Land auf Neutralität bedacht und weigerte sich, westlichen Aufrufen zur Verurteilung Moskaus beizupflichten.