Proteste gegen Korruption im Parlament von Bagdad (Irak)
Reuters/Thaier Al-Sudani
Machtkampf im Irak

Demonstranten besetzen Parlament in Bagdad

Anhänger des schiitischen Geistlichen Moktada al-Sadr haben im Irak das Parlament in der Hauptstadt Bagdad gestürmt und einen Sitzstreik begonnen. Sie protestieren gegen die Bildung einer neuen Regierung. Es ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass sie in das Parlamentsgebäude eindrangen. Es gibt Dutzende Verletzte.

Wie Augenzeugen berichteten, hatten Sicherheitskräfte zuvor versucht, Tausende Demonstranten an der hoch gesicherten Grünen Zone mit Tränengas zurückzudrängen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es mindestens 125 Verletzte. In der rund zehn Quadratkilometer großen Grünen Zone im Zentrum Bagdads befinden sich zahlreiche Regierungseinrichtungen und das irakische Parlament sowie mehrere Botschaften, darunter auch die diplomatische Vertretung der USA.

Auf TV-Bildern war zu sehen, wie sich überwiegend junge Menschen im Plenarsaal aufhielten und Fotos von Sadr in die Kameras hielten. Die Sadr-Bewegung verhindert, dass ihre politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nuri al-Maliki eine Regierung bilden können.

Demonstranten im Parlament von Bagdad (Irak)
AP/Anmar Khalil
Hunderte Sadr-Anhänger drangen in das Parlamentsgebäude ein

Streit um einen neuen Premier

Die Rivalen des 47 Jahre alten Religionsführers hatten gut zehn Monate nach der Parlamentswahl vor Kurzem einen Kandidaten als Premier vorgestellt. Aus Sicht Sadrs steht aber der für das Amt vorgesehene ehemalige Minister Mohammed Schija al-Sudani dem Ex-Premier Maliki viel zu nahe.

Sadr und Maliki sind verfeindet. Außerdem sympathisieren Maliki und dessen Allianz offen mit dem Nachbarland Iran. Das Bündnis um Maliki protestierte scharf gegen den Sitzstreik: „Der Staat, seine Legitimität, die verfassungsmäßigen Institutionen und der staatsbürgerliche Friede stehen auf dem Spiel“, hieß es in einer Mitteilung.

Demonstranten besetzen Parlament in Bagdad

Anhänger des schiitischen Geistlichen Moktada al-Sadr haben im Irak das Parlament in der Hauptstadt Bagdad gestürmt und einen Sitzstreik begonnen. Sie protestieren gegen die Bildung einer neuen Regierung.

Beide schiitischen Lager – also das von Sadr sowie das von Maliki – betrachten sich als Gegner. Am Samstag war zudem der erste Tag des schiitischen Trauermonats Muharram, einer Zeit, die von vielen öffentlichen Veranstaltungen und Feiertagen der Schiiten geprägt ist.

Krise seit Parlamentswahl im Oktober 2021

Im Irak tobt seit der Parlamentswahl im Oktober 2021 ein Machtkampf. Sadrs Liste hatte damals die meisten Sitze gewonnen und bemühte sich um eine Regierungsbildung. Zuletzt traten jedoch Abgeordnete seiner Partei geschlossen aus dem Parlament zurück. Die Wahlbeteiligung war auf ein Rekordtief von rund 41 Prozent gefallen. Viele Iraker haben kaum noch Vertrauen in die Politik. Sie kritisieren vor allem die weit verbreitete Korruption.

Proteste in Bagdad (Irak)
AP/Adil al-Khazali
Demonstranten versammelten sich vor der hoch gesicherten Grünen Zone

Sadr gilt als kontroverse Figur. Nach dem Untergang des Regimes von Langzeitdiktator Saddam Hussein im April 2003 bekämpfte seine Armee US-Truppen, die sie als Besatzer ansahen. Heute gibt er sich gemäßigter. Seine Anhänger leben vor allem in ärmeren Vierteln. Experten zufolge liegt Sadrs Stärke insbesondere darin, Menschenmassen mobilisieren zu können. Seinen Rückzug aus der Politik deuteten daher einige Beobachter als Schachzug, um Parteien weiter unter Druck zu setzen und einen Sieg der Allianz um Maliki zu verhindern.