Lufthansa-Maschine auf dem Flughafen Schwechat
ORF.at/Christian Öser
Mehrheit für Streik

Piloten erhöhen Druck auf Lufthansa

In der europäischen Flugbranche drohen weitere Turbulenzen: Bei der deutschen AUA-Mutter Lufthansa ist ein Streik der Piloten ein weiteres Stück näher gerückt. In einer Urabstimmung haben sich die stimmberechtigten Mitglieder der Vereinigung Cockpit (VC) mit einer sehr deutlichen Mehrheit für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Unmittelbar bevor steht ein Streik zwar nicht, doch noch im Sommer könnte es dazu kommen.

Damit ist ein Streik der rund 5.000 Piloten bei der Kernmarke Lufthansa ab sofort möglich, wurde aber zunächst nicht beim Vorstand beantragt. Bereits vor der Auszählung hatte der VC-Tarifexperte Marcel Gröls erklärt, dass es sich zunächst um ein „Warnsignal“ an den Lufthansa-Vorstand handle. Vom Management erwarte man nun „gute Angebote“.

Bei der Lufthansa-Passagierflugsparte stimmten 97,6 Prozent der Teilnehmer für einen Streik. Bei der Frachttochter Cargo war die Zustimmung mit 99,3 Prozent noch höher. Das berichtete die Gewerkschaft am Sonntag nach Auszählung der Stimmen. Die Beteiligung lag laut Gewerkschaft in beiden Flugbetrieben über 93 Prozent. Erforderlich war eine Zustimmung von mehr als 70 Prozent aller Stimmberechtigten.

Festgefahrene Lohnverhandlungen

Insidern zufolge könnte die Pilotengewerkschaft noch in der Ferienzeit streikbereit sein. Auch der September war in den Vorjahren meist ein besonders verkehrsreicher Monat, sodass ein Streik das Unternehmen auch zu diesem Zeitpunkt empfindlich treffen würde.

Grund für die Streikvorbereitungen der VC sind die nach sechs Gesprächsrunden festgefahrenen Verhandlungen über einen neuen Gehaltstarifvertrag. Aus Sicht der Gewerkschaft hat die Lufthansa bisher kein verhandelbares Angebot vorgelegt. Die VC verlangt nach eigenen Angaben unter anderem Gehaltssteigerungen von 5,5 Prozent im laufenden Jahr und einen automatisierten Inflationsausgleich ab dem kommenden Jahr. Sie hatte den vorherigen Tarifvertrag zum 30. Juni gekündigt.

Streit über billigere Airline

Im Hintergrund schwelt zudem ein Konflikt über die künftige Konzernstrategie. Die VC hatte sich in der Vergangenheit die exakte Zahl von 325 Flugzeugen garantieren lassen, die ausschließlich von den rund 5.000 Kapitänen und Ersten Offizieren geflogen werden dürfen, die dem Konzerntarifvertrag unterliegen. Die Lufthansa hatte unter dem Eindruck der Coronavirus-Krise die entsprechende Vereinbarung aufgekündigt und begonnen, unter dem Kranich-Logo einen neuen Flugbetrieb (AOC) mit niedrigeren Tarifbedingungen aufzubauen. Die neue Airline mit der internen Bezeichnung „Cityline 2“ soll im Europaverkehr wesentliche Aufgaben der bisherigen Kerngesellschaft übernehmen.

Warnstreik des Bodenpersonals am Mittwoch

Die Vereinigung Cockpit wertete das Ergebnis als Beleg für die große Unterstützung für die Ziele der Konzerntarifkommission. „Wir brauchen jetzt eine moderne und faire international konkurrenzfähige Vergütungsstruktur in allen Berufsgruppen“, erklärte Gröls. Die positive Urabstimmung führe noch nicht zwangsläufig zu Streikmaßnahmen. Aber sie sei ein unüberhörbares Signal an die Lufthansa, die Bedürfnisse des Cockpitpersonals ernst zu nehmen.

Erst am Mittwoch hatte die Gewerkschaft ver.di mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Es fielen über 1.000 Flüge aus, und rund 134.000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. Eine Urabstimmung hatte ver.di davor nicht abgehalten. Unternehmen und Politik hatten Dauer und Umfang der Arbeitsniederlegungen kritisiert. Am Mittwoch sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden.