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ORF.at/Patrick Bauer
Energieversorgung

Viele Wünsche vor Krisengipfel

Im Vorfeld des Krisenkabinetts zur Energieversorgung am Montag haben sich Stimmen und Forderungen zu dem Thema gemehrt. SPÖ und ÖGB pochen auf Preisdeckel für Energie und Lebensmittel, ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher winkt ab. Bei dem Termin sind dieses Mal auch Sozialpartner, Experten der Energiewirtschaft und Opposition geladen.

Im Vorfeld des Treffens hieß es aus dem Kanzleramt, dass der aktuelle Status der Energieversorgung ein wichtiger Teil der Beratungen sei. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) werde einen Überblick etwa zur Gasbevorratung und Diversifizierung sowie zu Infrastrukturprojekten geben. Es sei „wichtig, dass alle politisch Handelnden einen gesicherten Informationsstand haben“, sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag. Die Sitzung begann Montagnachmittag.

Dem Krisenkabinett gehören Kanzler Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), Energieministerin Gewessler und Wirtschaftsminister Kocher an. Seitens der Opposition werden SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch ins Kanzleramt kommen, wie es aus den Fraktionen zur APA hieß. Eingeladen ist auch der Vorsitzende der Landeshauptleute, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

Wien will eigene Vorschläge einbringen

Ludwig wird von Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) vertreten, weil er an einer internationalen Konferenz teilnimmt. Er forderte im Vorfeld aber abermals eine Kostenbegrenzung im Bereich der Energieversorgung und eine Begrenzung der Preise auf Grundnahrungsmittel. Wien werde auf jeden Fall eigene Vorschläge einbringen. Ludwig war bereits am Freitag bei Nehammer, bei dem Gespräch ging es laut Kanzleramt um den Stand der Gasbevorratung und die Überlegungen der Bundesregierung zu einer Energiepreisbremse.

„Wir tun alles dafür, um die Versorgung des Landes mit Strom und Heizwärme für die kommenden Monate und den Winter sicherzustellen“, hieß es vom Bundeskanzler im Vorfeld des Termins am Montag. Dafür notwendig sei „die gemeinsame Anstrengung aller Akteure über Partei- und Bundesländergrenzen hinweg“ nötig. Neue Maßnahmen sollen keine beschlossen werden.

Die Bundes-SPÖ befand, dass die türkis-grüne Regierung mittlerweile „genug beobachtet und genug geprüft“ habe. Man erwarte, dass „Nägel mit Köpfen gemacht und die Preise gesenkt werden“, so Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. Er verwies auf den Fünfpunkteplan von Rendi-Wagner mit einem Energiepreisdeckel, Spritpreisobergrenzen sowie einer befristeten Aussetzung der Mehrwertsteuer etwa auf Lebensmittel. Zudem sollten die Erhöhung der Richtwertmieten zurückgenommen und die Mietpreise bis 2025 eingefroren werden. Zur Finanzierung sollen Übergewinne von Energiekonzernen abgeschöpft werden.

Kocher will nicht in Preisbildung eingreifen

Kocher sprach sich in einem Hintergrundgespräch gegen einen Strompreisdeckel als Abfederung der durch die Energiepreise „importierten“ Inflation aus. Experten würden davon abraten, in den Preisbildungsmechanismus einzugreifen. Solche Eingriffe würden zu Versorgungsengpässen führen, hohe Kosten verursachen und wären nicht treffsicher, argumentierte Kocher. Außerdem umfasse das österreichische Preisgesetz gerade Strom und Gas nicht. Das hieße, eine derartige Regelung könne ohnehin nur auf EU-Ebene gedacht werden.

Mehr könne er dem geplanten Stromrechnungsdeckel abgewinnen, die die Grundversorgung mit Energie zu einem gesicherten, günstigeren Preis auf Vorkriegsniveau für jeden Haushalt vorsieht. Die konkrete Ausgestaltung soll bis Ende des Sommers stehen. Die Kosten für einen breitflächig angelegten Stromrechnungsdeckel sollen sich auf über eine Milliarde Euro belaufen. Die Finanzierung würde wohl aus dem Budget erfolgen müssen, in das auch Ausschüttungen des Energiekonzerns Verbund fließen.

Kocher warnte auch vor einem Wettbewerbsnachteil für den EU-Wirtschaftsraum durch die unterschiedlich steigenden Energiepreise weltweit, da Firmen abwandern könnten. Es brauche eine gemeinsame Vorgehensweise auf EU-Ebene, etwa mit einem gemeinsamen Gaseinkauf und gegenseitiger Unterstützung. Auch die Abkehr vom Merit-Order-System stellte er in den Raum, sodass der Strompreis nicht mehr allein von den teuren Produktionskosten in Gaskraftwerken abhängt.

ÖGB für Entkoppelung des Strompreises

Die Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis zählt auch zu den Forderungen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), für den die leitende Sekretärin Ingrid Reischl teilnimmt. Der ÖGB erneuert zudem seine Forderung nach einem Energiepreisdeckel für Haushalte und nicht eine Strompreisbremse „irgendwann im Herbst“.

Mietpreisbremse, ein vorübergehendes Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sowie eine Mineralölsteuersenkung auf Treibstoffe gehören ebenfalls zu den Forderungen – finanziert durch Besteuerung der Übergewinne der Energiekonzerne. Auch solle eine neue, schlagkräftige Preiskommission eingerichtet werden.

Industrie und Wirtschaftskammer (WKO) forderten einen raschen und umfassenden Ausbau der ersten Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen. Es brauche zudem eine fossile Übergangsstrategie und weitere Diversifizierung der Gaslieferländer sowie ein klares Bekenntnis zu einem beschleunigten Infrastrukturausbau, hieß es am Montag in einer gemeinsamen Aussendung. Konkret werden eine Nachbesserung des Strompreiskostenausgleichsgesetzes sowie die Umsetzung eines auf mehrere Jahre ausgerichteten Energiekostenzuschusses gefordert.

FPÖ befürchtet „Show“

Nicht viel Hoffnung in den Termin setzt die FPÖ: Es sei zu befürchten, dass das Treffen „nichts als eine Show der planungslosen und kaltherzigen Regierung darstellt“, meinte der blaue Generalsekretär Michael Schnedlitz am Sonntag in einer Aussendung. ÖVP und Grüne hätten bisher bloß auf „ihre altbekannte Showpolitik“ gesetzt – angekommen bei den Bürgern sei aber außer Almosen noch nichts, kritisierte Schnedlitz und forderte abermals Neuwahlen.

Belakowitsch erklärte am Montag, die Tagesordnung für das Treffen sei „lückenhaft“, denn es gebe zwei Krisen: Eine Gasversorgungskrise durch die Sanktionspolitik der EU gegen Russland, sowie die Teuerung. Die FPÖ habe bereits im Herbst 2021 einen Antrag auf Erstellung eines Covid-19-Warenkorbs sowie eines Strompreisdeckels eingebracht – schon seit damals gebe es eine Kostenlawine, so die FPÖ-Abgeordnete. Die FPÖ wolle nun wissen, wie der für Herbst angekündigte Strompreisdeckel umgesetzt werde und wie groß die Entlastung sein werde. Es sei „Zeit für eine großangelegte Entlastung, nicht für Almosen“, sagte Belakowitsch.

Grüne Maurer teilte gegen SPÖ aus

„Wie lange und wie viel russisches Gas nach Europa geliefert wird, ist nach wie vor unsicher“, hieß es von Vizekanzler Kogler am Sonntag in der Aussendung. Deshalb müsse man alles daransetzen, sich so gut es geht auf die verbrauchsintensiven Wintermonate vorzubereiten. „Das bedeutet, so viel Gas wie möglich zu speichern, sparen, diversifizieren und substituieren.“ Um die Anstrengungen weiter voranzutreiben, sei ein gemeinsamer Informationsstand verschiedener Akteure wichtig. Außerdem werde man sich über Umsetzungskonzepte für eine Strompreisbremse austauschen.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer warf unterdessen der SPÖ und im Speziellen Rendi-Wagner im APA-Interview vor, in der Teuerungskrise „wenig staatstragend“ zu agieren. Die SPÖ sei „eine Partei des Betons und des Benzins“, sie mache „einen Haufen populistischer Vorschläge“, die von Ökonomen als nicht praktikabel beurteilt würden. Die Regierung werde bis Ende des Sommers ein Modell für eine „Strompreisbremse“ vorlegen.

WWF: „Energiesparen muss Chefsache werden“

Tirols ÖVP-Chef und Landtagswahlspitzenkandidat Anton Mattle forderte im Vorfeld der Unterredung vom Bund „effektive Maßnahmen, rasche Lösungen und konsequentes Handeln“: „Die Bevölkerung und die Betriebe müssen sich auf die Politik verlassen können.“ Er wolle sich „konstruktiv an Diskussionen über Energiepreisdeckel“ und die praktische Umsetzung dessen beteiligen, sagte Mattle. Er hat im Herbst eine Wahl zu schlagen.

Ganz andere Ideen zum Gipfel hat die Umweltschutzorganisation WWF, die einen „klaren Fokus“ auf das Thema Energiesparen fordert. Es reiche nicht, auf weitere Gaslieferungen zu hoffen, es brauche eine naturverträgliche Energiewende. „Das Thema Energiesparen muss zur Chefsache werden, denn es braucht eine nationale Kraftanstrengung.“ Kurzfristig sei eine Reduktion des heimischen Energieverbrauchs um 5,9 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr möglich, mittelfristig um 45 Prozent, ohne Verlust an Lebensqualität oder Wirtschaftsleistung.