Rektorin Sabine Seidler
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Uniko-Chefin Seidler

Unis im Teuerungsdilemma

Die Kosten steigen, aber das Budget ist auf drei Jahre fixiert: Vor diesem Dilemma stehen derzeit die heimischen Universitäten. Wegen der Teuerung würden ihnen knapp 500 Millionen Euro fehlen. Wenn das Budgetloch nicht gestopft wird, werde man um Jahre zurückfallen, sagt Sabine Seidler, Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko). Das Wissenschaftsressort betont: Man sei „intensiv am Rechnen“.

Für die Jahre 2022 bis 2024 stehen den Universitäten insgesamt 12,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Summe wurde bereits im Oktober 2020 definiert. Die Universitäten stellten zwar höhere Forderungen, zeigten sich aber am Ende über die Budgeterhöhung von rund zwölf Prozent erleichtert. Das Glas sei „halb voll“, sagte Seidler. Knapp zwei Jahre später herrscht nun Tristesse an den Unis. „Als wir im April die ersten Berechnungen gemacht hatten, war uns klar, dass wir mit dem Geld nicht über die drei Jahre kommen werden“, sagt die Forscherin nun.

Schon im Jänner hatte die uniko-Präsidentin in einer Aussendung festgehalten, dass das Budgetplus durch die steigende Inflation „aufgefressen“ werde. Wenig später schoss die uniko nach: Die Kostensteigerungen bei Strom, Mieten und Personal würden 475 Millionen Euro verschlingen. „Ohne einen finanziellen Ausgleich sind drastische Einschränkungen unumgänglich“, warnten die Unis. Der Rektor der Universität Innsbruck, Tilmann Märk, betonte in Richtung Bundesregierung: „Das kann sich nicht ausgehen.“

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Die uniko-Chefin zeigt sich besorgt: Wenn das Budgetloch nicht gestopft wird, sind Rückschritte zu erwarten

Budgetloch „trifft zuallererst den Nachwuchs“

Aus dem Wissenschaftsministerium heißt es auf ORF.at-Nachfrage, dass man „intensiv am Rechnen“ sei. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man wegen „vieler Faktoren und der volatilen Situation“ nicht „seriös“ sagen, wie hoch der Mehrbedarf sei. Jedenfalls dürfe man in dieser Debatte die Fachhochschulen, die ebenfalls von der Teuerung betroffen sind, nicht vergessen. Gemeinsam mit dem Finanzministerium werde nach einer „gangbaren“ Lösung gesucht, heißt es aus dem Ministerium.

Für Seidler geht das alles aber zu langsam. „Im Moment scheint die Urlaubszeit eingekehrt zu sein“, sagt die Rektorin der Technischen Universität (TU) Wien gegenüber ORF.at. Gleichzeitig zeigt sie sich allerdings auch zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass es einen Nachtrag geben wird.“

Es könne nämlich nicht im Interesse der Republik sein, wenn bereits erzielte Fortschritte im Unibetrieb wegen einer mangelnden Finanzierung wieder zunichtegemacht werden. Im Besonderen geht es auch um das Personal. In den vergangenen Jahren hätten die Universitäten personell aufgestockt. Es bestehe die Gefahr, dass es hier Einschnitte geben wird. „Wenn den Unis das Geld fehlt, trifft das zuallererst die befristeten Stellen, also den Nachwuchs.“

Für Nachverhandlungen gerüstet

Es gehe um Arbeitsplätze, die gesichert werden müssen, und um Absolventen, die gebraucht werden, so Seidler. Mit zusätzlichen 475 Millionen Euro könne der Unibetrieb jedenfalls auf dem aktuellen Level fortgeführt werden. Dass den Unis ohnehin 12,3 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, sei zwar richtig, sagt die uniko-Präsidentin. Aber nur ein Bruchteil des Budgets sei frei verfügbar. Der Großteil der Gelder sei an Fixkosten gebunden. Große Investition seien nicht möglich.

Rektorin Sabine Seidler
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Im Büro von Seidler hängen Porträts der TU-Wien-Rektoren. Ein Porträt der ersten Rektorin wird auch dort seinen Platz finden.

Für Nachverhandlungen scheinen die Unis jedenfalls gewappnet zu sein – soll doch in wenigen Wochen eine Studie erscheinen, die die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Effekte von Universitäten hervorheben wird. Schon 2017 hatte das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) im Auftrag der uniko und des Wissenschaftsministeriums errechnet, dass sich ein in die Universitäten investierter Euro für den Staatshaushalt bereits nach drei bis fünf Jahren amortisiert und darüber hinaus noch langfristige Wachstumseffekte bringt.

Dass die Unis künftig nicht nur wegen der Teuerung, sondern auch wegen der Klimakrise Energie sparen müssen, ist für Seidler klar. Derzeit gebe es zwar keine konzertierten Aktionen, aber „natürlich“ würden die Universitäten überlegen, wie sie ihren Energieverbrauch mindern können. Zuletzt hatte etwa die Stadt Linz angekündigt, die Beleuchtung öffentlicher Gebäude zu reduzieren. An der deutschen Justus-Liebig-Universität werden künftig Außenbereiche kürzer beleuchtet und Lehrräume „zurückhaltender“ beheizt oder gekühlt.

CoV-positiv „selbstverständlich“ zu Hause bleiben

Der kommende Herbst bzw. Winter wird allerdings nicht nur von der Energieknappheit geprägt sein. Das Coronavirus wird weiterhin Teil des Alltags sein – auch an den Universitäten. Die TU Wien werde in das neue Semester jedenfalls mit Präsenz starten, „auch wenn wir das auch in den vergangenen zwei Jahren schon gesagt haben“, so Seidler. Insbesondere für Erstsemestrige seien Präsenzveranstaltungen wichtig, um sich mit dem Unisystem vertraut zu machen.

Rektorin Sabine Seidler
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Seidler betont, dass die TU Wien im kommenden Wintersemester in Präsenz starten wird

Freilich weiß die Unirektorin, dass es im Herbst bzw. Winter dann schneller gehen könnte. „Wir werden für den Fall eines erneuten Fallzahlanstiegs, und den wird es im Herbst geben, Vorkehrungen treffen“, sagt Seidler. Strikte Zutrittskriterien wie etwa eine 2-G-Regel werde es aber nicht geben. Angesichts der jüngsten Verordnung, wonach positiv Getestete in der Arbeitsstätte ihrer Arbeit nachgehen können, betont die Forscherin, dass sie ihren Mitarbeitern „selbstverständlich“ empfehlen werde, zu Hause zu bleiben.

„Schritt zur Realität fehlt vollständig“

Nicht zufrieden ist die uniko-Präsidentin mit der Ausgestaltung des Institute of Digital Sciences Austria (IDSA), früher TU Linz. Zwar sei das beschlossene Gründungsgesetz „deutlich besser als der Entwurf“, aber nach wie vor gebe es keinen inhaltlichen Abgleich mit der Universitätslandschaft. „Die neue Universität basiert auf der Idee: Wir bauen auf einer grünen Wiese, auf der weit und breit nichts steht, ein neues Haus. Aber die Realität sieht einfach anders aus“, so Seidler. In der aktuellen Leistungsvereinbarungsperiode gebe es über 20 interdisziplinäre Studien, die die Digitalisierung zum Inhalt haben.

Das IDSA soll als eigenständige Uni im nächsten Wintersemester seinen Betrieb aufnehmen. Im Gegensatz zu den anderen öffentlichen Unis fällt die neue Hochschule aber nicht unter das Uniregime. Trotz Kritik und Protest aus dem Unibereich zog die Regierung die Pläne durch. In der Gründungsphase soll der Unibetrieb konkretisiert werden. Geplant war jedenfalls, dass sich die neue Uni mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. „Das bisherige Konzept beinhaltet auch positive Elemente. Aber der Schritt zur Realität fehlt vollständig“, sagt Seidler dazu.

Rektorin Sabine Seidler
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Als Konkurrenz würde die TU-Wien-Rektorin das Institute of Digital Sciences Austria in Linz nicht bezeichnen

Die uniko-Präsidentin erkennt derzeit nicht den Mehrwert der neuen Uni, den etwa Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sieht. Man stecke noch in einer Vision fest, „die sich nicht umsetzen lässt“, sagt Seidler. Dass binnen zwei Jahren eine neue Universität aus dem Boden gestampft wurde, könne man schon auch als Erfolg sehen. Die anderen Universitäten werden sich auch weiterhin im Prozess einbringen, so die Forscherin. „Letztlich müssen aber die Hausaufgaben gemacht werden. Jetzt machen wir die Hausaufgaben eben nach dem Projekt. Andersherum wäre es besser gewesen.“