Trotz Warnungen aus Peking: Pelosi in Taiwan erwartet

In den Spannungen um Taiwan wird die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Angaben aus dem Parlament in Taipeh heute in der Stadt erwartet. Es wäre der ranghöchste Besuch eines US-Politikers seit einem Vierteljahrhundert in Taiwan, das die kommunistische Führung in Peking als Teil der Volksrepublik China ansieht.

Die Spitzenpolitikerin würde sich mit der unangekündigten Visite in Taipeh über eindringliche Warnungen aus Peking hinwegsetzen, in denen auch mögliche militärische Gegenmaßnahmen angedeutet wurden.

Chinesische Kampfflugzeuge bei Grenzlinie

Insidern zufolge lässt China die Muskeln spielen. Mehrere chinesische Kampfflugzeuge seien heute Früh nahe der Grenzlinie in der sensiblen Taiwanstraße gesichtet worden, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Außerdem patrouillierten mehrere chinesische Kriegsschiffe seit gestern in der Nähe der inoffiziellen Pufferzone in der Meerenge.

Übersichtskarte von China und Taiwan
Grafik: APA/ORF.at

Sowohl die chinesischen Kriegsschiffe als auch die Flugzeuge hätten die Mittellinie der Wasserstraße berührt. Das Manöver sei ungewöhnlich und „sehr provokativ“. Taiwan habe Flugzeuge entsandt, um die Situation zu überwachen.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, warnte Peking vor überzogenen Reaktionen. Pelosi habe das „Recht, Taiwan zu besuchen“, sagte er vor Journalisten. „Es gibt keinen Grund für Peking, einen potenziellen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in irgendeine Form der Krise zu verwandeln.“

Taiwan kündigt Reaktion auf Bedrohung an

Angesichts der Spannungen droht Taiwan mit einer militärischen Gegenreaktion. Das Verteidigungsministerium in Taipeh erklärte heute, wenn die Spannungen zunähmen, würden als Reaktion auf „feindliche Bedrohungen“ in angemessener Weise Streitkräfte entsandt. Taiwan habe einen vollständigen Überblick über die militärische Aktivität in seiner Umgebung.

Der taiwanische Ministerpräsident Su Tseng-chang bekräftigte, ausländische Gäste würden herzlich willkommen geheißen. Für solche Gäste würde Taiwan angemessene Vorkehrungen treffen und ihre Pläne respektieren. Er nannte allerdings nicht Pelosis Namen.

Abgeordneter bestätigt Medienberichte

Ein taiwanischer Abgeordneter bestätigte der dpa in Taipeh Presseberichte in den USA und Taiwan, dass Pelosi im Rahmen ihrer Asienreise möglicherweise heute Abend (Ortszeit) aus Malaysia kommend in Taipeh eintreffen werde. Morgen könnte es ein Treffen mit Präsidentin Tsai Ingwen geben. Der Reiseplan ist nach US-Medienberichten allerdings in Bewegung, während das Pentagon alle Schritte der chinesischen Seite beobachte und „rund um die Uhr“ daran arbeite, die Sicherheit der Nummer drei in den USA zu gewährleisten, wie es hieß.

Die US-Spitzenpolitikerin werde in Taipeh voraussichtlich auch mit dem Vizepräsidenten des Parlaments, Tsai Chi-chang, und Abgeordneten des Legislativrates zusammentreffen, berichtete der taiwanische Parlamentarier der dpa. Parlamentschef You Shyi-kun sei verhindert, weil er nach einer Auslandsreise in Quarantäne sei.