Eröffnung des ASEAN-Gipfels in Kambodscha
APA/AFP/Mohd Rasfan
China vs. USA

Taiwan-Krise überschattet ASEAN-Gipfel

Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses und dritthöchste Politikerin in den USA, ist aus Taiwan bereits wieder abgereist. Ihr Besuch auf der selbst verwalteten Insel schlägt aber weiter hohe Wellen. Auch das mehrtägige Treffen des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) in Kambodscha wird von den neuerlichen Spannungen rund um Taiwan und zwischen China und den USA dominiert.

Eigentlich sollte die eskalierende Gewalt seit dem Militärputsch in Myanmar beim ASEAN-Treffen im Mittelpunkt stehen. Aus Myanmar selbst nehmen keine Vertreter teil, da das Militär abgelehnt hat, einen nicht der Junta angehörenden Vertreter zu entsenden. Generäle aus Myanmar sind derzeit bei ASEAN ausgeschlossen. Kambodschas Premierminister Hun Sen übte harsche Kritik an der Militärjunta. ASEAN werde gezwungen sein, einen mit Myanmar vereinbarten Friedensplan zu überdenken, wenn weitere Gefangene hingerichtet würden.

Spätestens mit der Anreise von US-Außenminister Antony Blinken werden die Spannungen um Taiwan ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Er wird genauso wie sein chinesischer Amtskollege Wang Yi ab Donnerstag in Phnom Penh erwartet. Nach US-Angaben ist aber kein direktes Treffen der beiden Politiker vorgesehen. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow wird nach Kambodscha reisen, neben Vertretern aus Japan, Großbritannien und Australien. Lawrow stellte sich am Mittwoch bei einem Besuch in Myanmar erneut betont hinter China und verurteilte die USA.

Eröffnung des ASEAN-Gipfels in Kambodscha
APA/AFP/Tang Chhin Sothy
Auch die Außenminister aus den USA und China werden bei dem Treffen in Kambodscha erwartet

Aufruf zu Deeskalation

Das Treffen sei eine Chance, die angespannte Lage zu beruhigen, sagte hingegen der stellvertretende Außenminister Kambodschas, Kung Phoak. Es müsse sichergestellt werden, dass die Situation in Taiwan „sicher und stabil“ sei und nicht zu einem Konflikt eskaliere. Alle Seiten sollten zur Deeskalation beitragen. Der südostasiatischen Staatengemeinschaft gehören zehn Staaten an – darunter auch Länder mit engen Verbindungen zu China wie Kambodscha, Laos und Myanmar.

Zugleich nahm das Außenministerium in Myanmar in einer Erklärung die USA ins Visier und kritisierte, dass der Besuch von Pelosi zu einer Eskalation der regionalen Spannungen führe. Auch China reagierte weiterhin gereizt: Chinas Außenminister Yi warf den USA am Rande des Treffens vor, die chinesische Souveränität „unter dem Deckmantel der ‚Demokratie‘“ zu missachten. „Diejenigen, die China beleidigen, werden bestraft“, den Besuch Pelosis bezeichnete er als „Farce“. China, das die Insel als Teil seines Territoriums beansprucht, reagierte bereits mit ersten Maßnahmen.

Großangelegte Militärmanöver geplant

Bereits am Dienstag wie auch am Mittwoch flogen chinesische Militärflugzeuge in den taiwanesischen Luftraum. Seit Montag wurden insgesamt 35 Sanktionen gegen Taiwan verhängt – unter anderem der Export von Sand nach Taiwan und der Import von Fisch und Obst nach China. Von Donnerstag bis Sonntag will China großangelegte Militärmanöver rund um die Insel abhalten, bereits mit der Landung Pelosis am Dienstag starteten erste Schießübungen in sechs Meeresgebieten, die Taiwan umgeben.

Grafik zum Militärmanöver Chinas
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: New York Time

Taiwan erklärte Mittwochabend (Ortszeit), dass knapp 20 Flugrouten von den chinesischen Manövern betroffen seien, wegen der Ausweichrouten könnten sich Flugzeiten vor allem internationaler Flüge verlängern. Dem taiwanesischen Verteidigungsministerium zufolge sollen einige chinesische Manöver innerhalb der Zwölfseemeilenzone Taiwans stattfinden – ein beispielloser Schritt, wie es hieß. Auch Japan zeigte sich besorgt, das Gebiet nahe Taiwan überschneide sich mit Japans exklusiver Wirtschaftszone.

Taiwan bereitet sich vor

Taiwan erwarte zudem verstärkte Angriffe im Rahmen psychologischer Kriegsführung, so ein Regierungsvertreter, vor allem mit falschen Infos und entsprechenden Kampagnen. Cyberangriffe seien um den Faktor 23 gestiegen, Medien wurden aufgerufen, nicht als Propagandamaschine für China zu agieren.

Der Wirtschaftsminister des Landes erklärte, man habe die Sicherheitsmaßnahmen bei Schlüsselinfrastruktur verstärkt, auch die Kontrollen etwa auf Häfen und Bahnhöfen wurden verstärkt. Die Regierung in Taipeh reagierte betont selbstbewusst. Taiwan sei vorbereitet und werde nicht klein beigeben.

USA um Deeskalation bemüht

Die US-Regierung bemühte sich selbst um eine Deeskalation der Lage. Es gebe keinen Grund, warum der Besuch eine Krise oder einen Konflikt auslösen sollte, sagte der Sprecher für Nationale Sicherheitsfragen des US-Präsidialamtes, John Kirby. In US-Regierungskreisen hieß es, Blinken habe über die Möglichkeit eines Pelosi-Besuchs bereits mit seinem chinesischen Kollegen Yi beim G-20-Treffen in Indonesien im vergangenen Monat gesprochen. Dabei habe er betont, dass eine solche Reise allein Pelosis Entscheidung und unabhängig von der US-Regierung sei.

Pelosis Taiwan-Besuch löst Krise aus

Nancy Pelosi, als Sprecherin des Repräsentantenhauses die drittmächtigste Politikerin der USA, hat mit ihrem Taiwan-Besuch eine der größten Krisen in der Region seit Jahrzehnten ausgelöst. Wie umfassend die Provokation gegen Peking ist, zeigt die Reaktion des chinesischen Militärs – mit Manövern, die einer Seeblockade Taiwans gleichkommen. Das Verhältnis zwischen China und dem Westen ist nachhaltig und massiv beschädigt.

Die EU-Kommission erklärte, man müsse Spannungen im Dialog lösen. Die EU stehe zum Grundsatz der „Ein-China-Politik“ und erkenne die Führung in Peking als alleinige rechtmäßige Regierung Chinas an, man wolle aber auch den Status quo in der Straße von Taiwan bewahren. Die G-7-Außenminister zeigten sich ebenfalls besorgt über Chinas Verhalten und gaben eine Erklärung heraus: „Es gibt keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand für aggressive militärische Aktivitäten in der Taiwan-Straße zu benutzen.“

Auch die US-Regierung betont weiterhin, dass sich die China-Politik der USA nicht geändert habe. Die Symbolik des Besuchs ist aber nicht von der Hand zu weisen. Chinas Staatschef Xi Jinping sieht eine „Vereinigung“ des chinesischen Festlandes mit Taiwan als „historische Mission“. Unter Verweis auf ihre „Ein-China-Doktrin“ versucht die chinesische Führung, Taiwan international zu isolieren.

Pelosi traf Menschenrechtsaktivisten

Pelosi war im Zuge ihrer Asienreise am Dienstag nach Taiwan gereist und flog am frühen Mittwochabend (Ortszeit) weiter nach Südkorea und Japan. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Präsidentin Tsai in Taipeh sagte Pelosi, dass die USA „immer an der Seite Taiwans stehen“ würden. Der Besuch zeige, „dass wir unsere Verpflichtungen gegenüber Taiwan nicht aufgeben werden“.

Gleichzeitig mit ihrem Eintreffen wurde in der „Washington Post“ ein Kommentar veröffentlicht, in dem die US-Demokratin ihre Reise begründet. Sie traf in Taipeh auch Menschenrechtsaktivisten, darunter den früheren Führer der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung in China, Wuer Kaixi, sowie den früheren Hongkonger Buchhändler Lam Wing-kee und den sozialen Aktivisten Lee Ming-chee, die beide in China gefangen gehalten worden waren. Lee war gerade erst nach einer fünfjährigen Haftstrafe wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ aus China nach Taiwan zurückgekehrt.

Heikler Zeitpunkt

Der Zeitpunkt von Pelosis Reise ist jedenfalls heikel. Schon mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs war die Sorge gewachsen, Peking könnte im Umgang mit Taiwan auf ein ähnliches Vorgehen setzen wie Russland. Mit dem Besuch ist nun die Kritik laut geworden, dass dadurch das US-chinesische Verhältnis weiter beschädigt werden könnte und sich zum Ukraine-Krieg noch eine weitere Flanke der USA öffnen könnte.

Offen ist auch, wie weit Peking bereit ist, in der Taiwan-Frage zu gehen. Präsident Xi Jinping ist derzeit innenpolitisch unter Druck – aufgrund der Pandemie, aber auch vor dem 20. Parteitag im Herbst, bei dem er sich eine dritte Amtszeit sichern will.