Mansour habe das Kommando über die militante Organisation im Süden des Gazastreifens gehabt und sei bei einem Luftangriff in der Stadt Rafah ums Leben gekommen, teilte die israelische Militärführung Sonntagfrüh mit. Zwei weitere ranghohe PIJ-Mitglieder seien ebenfalls getötet worden, darunter ein Stellvertreter Mansours. Der PIJ bestätigte dessen Tod.
Von der israelischen Armee hieß es in einer Mitteilung: „In den vergangenen Tagen hat Mansour an der Vorbereitung eines Angriffs auf Israel mit einer Panzerabwehrrakete sowie Raketen gearbeitet“, er sei außerdem für Terroranschläge in der Vergangenheit verantwortlich gewesen.
Schwerste Auseinandersetzungen seit einem Jahr
„Die al-Quds-Brigaden trauern um den Anführer Khaled Mansour, Mitglied des Sicherheitsrates und Kommandant der südlichen Region“, teilte die Gruppe mit. Er sei am Samstag bei einem israelischen Luftangriff gestorben. Die al-Quds-Brigaden sind der bewaffnete Teil der radikal-islamischen Organisation.
In der Region gibt es seit Freitag die schwersten Auseinandersetzungen seit über einem Jahr. Die israelische Luftwaffe flog etliche Angriffe auf Ziele im Gazastreifen, von dort feuerte der PIJ Hunderte Raketen auf israelisches Territorium. Die Angriffe folgen auf einen israelischen Sondereinsatz gegen die radikal-islamische Gruppe am Freitag in Gaza, bei dem nach israelischen Angaben Taisir al-Dschabari, einer ihrer führenden Kommandanten, getötet wurde.
Tote und über 200 Verletzte
Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden bis Sonntag mindestens 30 Palästinenser getötet und über 250 verletzt. Berichte über den Tod mehrerer Kinder bei einem Angriff in der Nähe einer Moschee in einem Flüchtlingslager wies die israelische Armeeführung zurück. Es seien lediglich Waffenproduktionsstätten, Raketenabschussanlagen und Waffenlager zerstört worden.
Hunderte Raketen aus Gazastreifen abgefeuert
In Israel gab es nach Informationen des Rettungsdienstes keine Berichte über ernsthaft Verletzte. Nach Angaben des israelischen Militärs wurden mehr als 400 Raketen vom Gazastreifen aus abgefeuert. Sie seien entweder auf offenem Gelände niedergegangen oder vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen worden.
Am Sonntag gab es auch Raketenalarm in Jerusalem und in Ortschaften am Rande der Stadt. Außerdem seien Explosionen zu hören gewesen. Das deute darauf hin, dass die palästinensischen Raketenangriffe auf israelisches Territorium am Sonntag den dritten Tag in Folge anhielten und nun weiter entfernt liegende Gebiete zum Ziel hatten.
Israel stellt sich auf einen längeren Einsatz ein. „Das Militär ist auf eine einwöchige operative Tätigkeit vorbereitet, entsprechend der Anweisung der politischen Ebene und des Generalstabschefs“, hatte die Armeeführung am Samstag mitgeteilt. Ministerpräsident Yair Lapid sagte bereits am Freitag: „Israel ist nicht an einer breiten Operation im Gazastreifen interessiert, hat aber auch keine Angst vor ihr.“
PIJ nennt auch Flughafen als Ziel
Die PIJ ist eng mit dem Iran, Israels Erzfeind, verbunden und stellt nach der Hamas die zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen. „Die Kämpfer des Islamischen Dschihad sind bereit, den Krieg fortzusetzen“, teilte die militante Organisation Medienberichten zufolge am Samstag mit. Die Raketen Richtung Israel zielten auch auf den internationalen Flughafen Ben Gurion im Zentrum des Landes.
Gewalt in Israel dauert an
Israelische Streitkräfte haben in der Nacht weitere Ziele im Gazastreifen angegriffen und nach eigenen Angaben weitere hochrangige Mitglieder der extremistischen Palästinenser-Organisation Islamischer Dschihad getötet. Diese wiederum feuerte erneut Hunderte Raketen Richtung Israel ab.
Dem jüngsten Gewaltausbruch vorausgegangen ist die Festnahme zweier ranghoher Mitglieder des PIJ Anfang vergangener Woche. Daraufhin wurden zwei Grenzübergänge zwischen Israel und dem Gazastreifen geschlossen. Das hatte zur Folge, dass das einzige Kraftwerk im Gazastreifen abgeschaltet werden musste, da kein Diesel mehr in den schmalen Küstenstreifen gelangte. Die Stromversorgung in den Palästinensergebieten musste daher von bisher zwölf auf vier Stunden reduziert werden.
Bericht über anstehende Waffenruhe
Nach einem ägyptischen Vermittlungsanlauf gibt es nun offenbar eine Einigung auf eine Waffenruhe. Diese solle am Sonntag um 20.00 Uhr Ortszeit (19.00 Uhr MESZ) in Kraft treten, verlautete es aus Kreisen in Gaza, die der extremistischen Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad nahestehen.
Die Situation erinnert an die Eskalation 2019. Damals hatte Israel bereits den Vorgänger von al-Dschabari, Baha Abu al-Ata, gezielt getötet. Darauf folgten damals Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Orte und Gegenangriffe der israelischen Luftwaffe in dem Küstenstreifen. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden.
Im Mai vergangenen Jahres vermittelte Ägypten ebenfalls eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Damals starben palästinensischen Angaben zufolge über 255 Menschen, den israelischen Angaben nach kamen in Israel 13 Menschen ums Leben. Mehr als 4.000 Raketen wurden auf Israel demnach abgefeuert.
UNO-Sicherheitsrat berät am Montag
Auch diesmal soll es Berichten zufolge Vermittlungsversuche von Ägypten, der UNO und Katar geben. Israel signalisierte aber kein Interesse. Auch der PIJ gab bekannt, dass eine Waffenruhe vorerst nicht zur Debatte stehe. Der Fokus der Gruppe liege „auf dem Schlachtfeld“.
Der UNO-Sicherheitsrat soll sich am Montag mit den israelischen Luftangriffen im Gazastreifen beschäftigen. Aus Diplomatenkreisen verlautete am Samstag, dass ein Treffen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Irland, Frankreich, Norwegen und China angefragt worden sei.
EU und Russland rufen zu Zurückhaltung auf
Sowohl die EU als auch Russland riefen am Samstag beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Russlands Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erklärte, die jüngste Eskalation sei von der israelischen Armee verursacht worden, Palästinensergruppen hätten darauf mit „massiver und wahlloser Bombardierung“ des israelischen Staatsgebietes reagiert.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, Israel habe zwar „das Recht, seine eigene Bevölkerung zu schützen“. Es müsse aber „alles getan werden“, um einen „umfassenderen Konflikt“ und somit zusätzliches Leid für die Zivilbevölkerung zu vermeiden.