Zwei Buben aus dem Gaza-Streifen gehen an einem Autowrack vorbei
Reuters/Mohammed Salem
Kämpfe im Gazastreifen

Bericht über Einigung auf Waffenruhe

Israel und militante Palästinenser haben sich ägyptischen Sicherheitskreisen zufolge nach tagelangen schweren Kämpfen im Gazastreifen auf eine Waffenruhe geeinigt. Diese solle ab Sonntagabend in Kraft treten, sagte ein Vertreter des ägyptischen Sicherheitsapparates der Nachrichtenagentur Reuters. Sonntagabend gab es allerdings Raketenalarm in Tel Aviv.

Medienberichten zufolge hätte die Waffenruhe um 20.00 Uhr (Ortszeit) in Kraft treten sollen. Nun soll sie um 23.30 Uhr starten, berichtete al-Jazeera unter Berufung auf ägyptische Quellen. Kairo hatte den Waffenstillstand vermittelt. Die radikale Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad (PIJ) bestätigte die Einigung Sonntagabend.

In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv heulten Sonntagabend indes die Alarmsirenen. Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt am Mittelmeer eilten in Schutzräume. Es waren dumpfe Explosionen zu hören. Es war der erste Alarm dieser Art im Stadtzentrum seit Beginn des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen am Freitag. Zuletzt hatte es im vergangenen Jahr Raketenangriffe auf Tel Aviv gegeben.

Der Konflikt zwischen der israelischen Armee und Islamisten im Gazastreifen hatte sich im Verlauf des Wochenendes zugespitzt. Im Rahmen der Militäraktion „Morgengrauen“ tötete die israelische Armee auch den für den südlichen Gazastreifen zuständigen PIJ-Kommandanten Khaled Mansour, wie das israelische Militär am Sonntag mitteilte. Die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Gruppe bestätigte den Tod.

Palestinians gather at the scene where senior commander of Islamic Jihad militant group Khaled Mansour was killed in Israeli strikes, in Rafah
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
In diesem Gebäude soll Mansour ums Leben gekommen sein

Über 30 Tote, viele Verletzte

Seit Beginn der Operation am Freitag wurden nach Armeeangaben mehr als 500 Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert, auch auf Jerusalem. Fast alle der Geschoße, die israelische Wohngebiete bedrohten, konnten demnach von der Raketenabwehr Iron Dome abgefangen werden. Auch am Sonntag heulten in zahlreichen Städten die Warnsirenen.

Die israelische Armee griff in der Nacht auf Sonntag mehrere Ziele im Gazastreifen an. Seit Beginn der Angriffe am Freitag starben nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 31 Palästinenserinnen und Palästinenser. Mindestens 265 seien verletzt worden. Unter den Toten sind demnach neben weiteren PIJ-Mitgliedern sechs Kinder und vier Frauen.

Israel macht den Islamischen Dschihad für den Tod von fünf Kindern und einem Erwachsenen im Flüchtlingslager Dschabalia verantwortlich. Nach Angaben des Militärs wurden sie durch eine fehlgeleitete Dschihad-Rakete getötet. Dazu veröffentlichte die Armee am Sonntag Videoaufnahmen.

Raketenbeschuss aus Gaza
AP/Fatima Shbair
Immer wieder Alarm: Palästinensische Raketen bei Gaza-Stadt

Warnung vor weiterer Eskalation

Zu Beginn der Militäroperation hatte Israel den Dschihad-Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Nach israelischen Angaben plante der PIJ eine Attacke mit Panzerabwehrraketen im Grenzgebiet zum Gazastreifen. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft. Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines PIJ-Anführers im Westjordanland, Bassam al-Saadi, am Montag.

Israelische Kommentatoren sprachen am Sonntag von einem ernsthaften Schlag gegen den PIJ, mahnten aber zu einer raschen Waffenruhe. Ansonsten drohe „ein Überschwappen (des Konflikts, Anm.) ins Westjordanland, oder ein Aufstand israelischer Araber“ oder ein Einstieg der im Gazastreifen herrschenden Hamas in den Schlagabtausch. Die Hamas hat sich in dem Konflikt bisher zurückgehalten. Sie verfügt nach israelischen Informationen über deutlich mehr und weiter reichende Raketen als der PIJ, die zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen.

Aussicht auf Waffenruhe im Nahen Osten

Israel und militante Palästinenser haben sich ägyptischen Sicherheitskreisen zufolge nach tagelangen schweren Kämpfen im Gazastreifen auf eine Waffenruhe geeinigt.

2019 tötete Israel bereits al-Dschabaris Vorgänger Baha Abu al-Ata. Darauf folgten massive Raketenangriffe. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden. Im vergangenen Jahr lieferten sich Israels Streitkräfte einen elftägigen Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen. Ägypten vermittelte damals eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die 2007 in dem Küstenstreifen gewaltsam die Macht an sich gerissen hatte.

„So lange wie notwendig“

Der israelische Regierungschef Yair Lapid sagte am Sonntag, die Operation werde „so lange weitergehen wie notwendig“. Israels ehemaliger nationaler Sicherheitsberater Yaakov Amidror sieht gegenwärtig kein echtes Interesse der Hamas, sich an dem Konflikt zu beteiligen. Anders als der Dschihad sehe sich die herrschende Kraft im Gazastreifen auch für das Wohl der Zivilbevölkerung zuständig, sagte er gegenüber der dpa. Die Organisation verstehe, dass sie „einen hohen Preis bezahlen müsste“, auch als Lehre aus dem Gaza-Konflikt im vergangenen Jahr.

Die Hamas habe ein Interesse daran, dass täglich weiterhin rund 14.000 Gaza-Einwohnerinnen und -Einwohner in Israel arbeiten könnten. Außerdem sei angesichts von Treibstoffmangel die Stromversorgung in dem schmalen Küstenstreifen gefährdet. Sollte die Zahl ziviler Opfer steigen, werde aber auch der Druck auf die Hamas größer werden, nicht untätig zuzusehen, meinte Amidror.