Ukrainische Soldaten vor Barrikaden in Kiew
APA/AFP/Miguel Medina
Ukrainische Kriegstaktik

Amnesty bedauert „Ärger und Verärgerung“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International entschuldigt sich teilweise für ihre Kritik an der ukrainischen Kriegstaktik. „Amnesty International bedauert zutiefst den Ärger und die Verärgerung, die unsere Pressemitteilung über die Kampftaktiken des ukrainischen Militärs hervorgerufen hat“, hieß es am Sonntag.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den am Donnerstag veröffentlichten Bericht scharf kritisiert. Amnesty versuche damit, die Verantwortung von den russischen Angreifern auf deren Opfer zu verlagern.

Die Ukraine-Chefin von Amnesty, Oxana Pokaltschuk, trat wegen des Berichts zurück. Er sei ein Propagandageschenk für Moskau, sagte sie. Ukrainische Regierungsvertreter betonten zudem, dass sie versuchten, Zivilistinnen und Zivilisten aus den Frontgebieten in Sicherheit zu bringen. Russland wiederum bestreitet, die Zivilbevölkerung ins Visier genommen zu haben.

Schutz der Zivilbevölkerung

In ihrem Mail an die Nachrichtenagentur Reuters schreibt die NGO, „die Priorität von Amnesty International in diesem und in jedem anderen Konflikt“ sei es, „den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten“. Das sei „in der Tat unser einziges Ziel“ gewesen, „als wir diese jüngste Untersuchung veröffentlicht haben. Wir stehen voll und ganz zu unseren Erkenntnissen, bedauern aber das verursachte Leid.“

Amnesty erklärte weiter, dass in 19 besuchten Städten und Dörfern ukrainische Streitkräfte in der Nähe von Zivilistinnen und Zivilisten angetroffen wurden. Diese seien dadurch dem Risiko eines russischen Beschusses ausgesetzt gewesen.

„Das bedeutet weder, dass Amnesty International die ukrainischen Streitkräfte für die von den russischen Streitkräften begangenen Verletzungen verantwortlich macht, noch dass das ukrainische Militär anderswo im Land keine angemessenen Vorsichtsmaßnahmen trifft“, hieß es. „Wir müssen ganz klar sagen: Nichts, was wir bei den ukrainischen Streitkräften dokumentiert haben, rechtfertigt in irgendeiner Weise russische Übergriffe.“

Kiew: Prüfen 26.000 Fälle von Kriegsverbrechen

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft prüft indes nach eigenen Angaben fast 26.000 Fälle von Kriegsverbrechen seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar. 135 Menschen seien angeklagt worden, sagte der Chef der Abteilung für Kriegsverbrechen, Jurij Bilousow, gegenüber Reuters. Von den Angeklagten befänden sich 15 in Gewahrsam in der Ukraine, die anderen 120 seien flüchtig.

13 Fälle seien an die Gerichte verwiesen worden. In sieben Fällen seien Urteile ergangen. „Manchmal werden wir gefragt, warum wir Soldaten mit so niedrigen Rängen verfolgen. Das liegt schlicht daran, dass sie hier sind. Wären die Generäle hier und wir wären in der Lage, sie zu fassen, würden wir auf jeden Fall Generäle belangen“, sagte Bilousow.

Gegenseitige Vorwürfe nach AKW-Beschuss

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage haben einander Moskau und Kiew gegenseitig den Beschuss des südukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja vorgeworfen. Die ukrainische Armee habe in der Nacht auf Sonntag eine Rakete auf das AKW-Gelände abgefeuert, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Die ukrainische Atombehörde Energoatom hingegen beschuldigte Moskau, das unter ihrer Kontrolle stehende Gelände selbst beschossen zu haben.

Gegenseitige Vorwürfe zu Beschuss von AKW

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage haben sich Moskau und Kiew gegenseitig den Beschuss des südukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja vorgeworfen.

Bei dem Angriff auf das größte europäische AKW wurden laut Energoatom ein Lager für abgebrannten Kernbrennstoff getroffen sowie Sensoren zur Strahlenmessung beschädigt. Am Samstagabend sei auch ein Arbeiter verletzt worden, teilte der Konzern mit. Kurz vor der Explosion hätten sich Hunderte Mitglieder der russischen Besatzung in Bunkern versteckt. Die Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Vier Schiffe mit Lebensmitteln ausgelaufen

Vier Schiffe mit Lebensmitteln sind unterdessen am Sonntag aus den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen ausgelaufen, hieß es aus Kiew und Ankara. Die vier Massengutfrachter waren mit mehr als 160.000 Tonnen Mais und anderen Lebensmitteln beladen. Es handle sich um die Frachter „Mustafa Necati“, „Star Helena“, „Glory“ und „Riva Wind“, twitterte der ukrainische Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow. Damit sind inzwischen acht Schiffe unterwegs.

„Wir fahren die Verschiffung langsam wieder hoch“, sagte Kubrakow. „Wir wollen sicherstellen, dass die Häfen in Kürze 100 Schiffe pro Monat abfertigen können.“ Die Wiederaufnahme der Getreidelieferungen wird von einem Koordinationszentrum in Istanbul überwacht. Dort sind Inspektionsteams mit Vertretern Russlands, der Ukraine, der Türkei und der UNO im Einsatz.

Dem türkischen Verteidigungsministerium zufolge ist die „Riwa Wind“ mit 44.000 Tonnen Mais auf dem Weg ins türkische Iskenderun und die „Glory“ mit einer Ladung von 66.000 Tonnen Mais nach Istanbul unterwegs. Die „Star Helena“ hat 45.000 Tonnen Schrot geladen und das Ziel China. Die „Mustafa Necati“ steuert mit 6.000 Tonnen Sonnenblumenöl Italien an.

Auch Schiffsverkehr Richtung Ukraine

Auch in die andere Richtung geht der Schiffsverkehr langsam wieder los. Der Frachter „Fulmar S“, der unter der Flagge von Barbados fährt, machte am Wochenende in Tschornomorsk fest. Der Frachter warte nun darauf, beladen zu werden, teilte das Infrastrukturministerium über Facebook mit.